BRAK-Mitteilungen 2/2024

Postfächer zu dessen weiteren Kanzleien in K. und B. eingerichtet hat, ohne dass der Kl. hierüber zuvor oder zumindest zeitgleich mit der Freischaltung der beAPostfächer informiert wurde und welches sie technisch so betreibt, dass ihr eine Auskunftserteilung zu den Inhalten der beiden beA-Postfächer, z.B. durch die Setzung von Leserechten für den Postfachinhaber, zumindest aber zu den Absendern der Nachrichten, im Verhinderungsfall für den Zugriff durch ihn unmöglich war; hilfsweise die Bekl. zu verurteilen, es in zukünftigen Fällen zu unterlassen, für den Kl. weitere beA-Postfächer einzurichten, ohne ihn vor der Betriebnahme dieser Postfächer über die Einrichtung zu informieren sowie die Bekl. zu verurteilen, dem Kl. gem. Art. 82 I DSGVO ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Senats gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen wegen der hier streitgegenständlichen Datenschutzverstöße im Jahr 2019. Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. Sie tritt dem Antrag inhaltlich entgegen und hält ihn für unbegründet. Sie macht geltend, ihr sei es nicht möglich, dem Kl. Zugang zu den Inhalten des beA-Postfachs zu gewähren, weil es für sie nicht einsehbar sei. Es sei auch nicht rechtswidrig, die beA-Postfächer so zu betreiben, dass nur der Inhaber des Postfachs Zugriff auf den Inhalt habe. § 31a VII BRAO sehe eine vorherige Information nicht vor, weshalb sie auch nicht geschuldet sei. Eine derartige Information sei ihr auch gar nicht möglich, weil die Eröffnung eines beA-Postfachs im automatisierten Verfahren erfolge. AUS DEN GRÜNDEN: 1. Die Klage ist insgesamt zulässig. a) Entgegen der Ansicht des Kl. ist der Rechtsweg zum AGH gegeben. Dies folgt aus § 112a I BRAO. Danach entscheidet der AGH im ersten Rechtszug u.a. über alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nach diesem Gesetz, soweit nicht die Streitigkeiten anwaltsgerichtlicher Art oder einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die Parteien streiten sich über das Procedere im Zusammenhang mit der Einrichtung von beA-Postfächern und damit um ein in der BRAO selbst geregeltes Verfahren. An einer ausdrücklichen Zuweisung an ein anderes Gericht fehlt es vorliegend. b) Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Die Zulässigkeit einer (allgemeinen) Feststellungsklage i.S.d. § 43 VwGO setzt u.a. voraus, dass die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Der Kl. verfolgt zwei Feststellungsziele, nämlich einmal die Feststellung der Rechtswidrigkeit, dass er über die Freischaltung zwei weiterer beA-Postfächer nicht vorab informiert worden sei und zum anderen, dass es rechtswidrig sei, die Postfächer so zu betreiben, dass ihr eine Auskunftserteilung zu den Inhalten der beiden beA-Postfächer unmöglich war. Der Kl. begehrt damit in beiden Fällen die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Ein Rechtsverhältnis kann sich in einem einzigen subjektiven Recht/einer einzigen Pflicht erschöpfen oder aber aus einem ganzen Bündel solcher Rechte und Pflichten bestehen. Die in diesem Zusammenhang übliche Formulierung der Rechtsprechung, auch selbstständige „Teile“ umfassenderer Rechtsverhältnisse, d.h. einzelne Berechtigungen und Verpflichtungen hieraus, seien feststellungsfähig (BVerwGE 36, 218 (225 f.); 92, 172 (174)), ist im Ergebnis richtig. Auch der sog. „Teil“ eines umfassenderen Rechtsverhältnisses für sich genommen genügt voll und ganz der Definition eines Rechtsverhältnisses (BeckOK VwGO/Möstl, VwGO § 43 Rn. 2). Streng abzugrenzen hiervon sind solche unselbstständigen Teile, Elemente und Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, die von der Rechtsprechung nicht als feststellungsfähig angesehen werden (BeckOK VwGO, a.a.O., Rn. 3 mit Verweis auf BVerwGE 24, 355 (358); 90, 220 (228); NVwZ-RR 2004, 253 (254)). Gemeint sind insb. einzelne Tatbestandsmerkmale eines Rechtsverhältnisses, die nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründen, sondern nur Voraussetzungen solcher Rechte und Pflichten sind (BeckOK VwGO, a.a.O., Rn. 3). Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 I ist zunächst das umfassende Rechtsverhältnis, sodass mit der allgemeinen Feststellungsklage dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden kann. Die Beteiligten können also z.B. über das Bestehen des Beamtenverhältnisses oder den Abschluss eines wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrags streiten. Regelmäßig treten allerdings Meinungsverschiedenheiten nur hinsichtlich einzelner Berechtigungen oder Verpflichtungen auf (NK-VwGO/Helge Sodan, 5. Aufl. 2018, VwGO § 43 Rn. 25). Es besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass einzelne Berechtigungen und Verpflichtungen aus einem umfassenden Rechtsverhältnis, die auch als selbstständige Teile bezeichnet werden, feststellungsfähig sind. Das Feststellungsbegehren kann sich auf eine einzelne Rechtsfolge beschränken, sodass auch das Bestehen einzelner Ansprüche bzw. Umfang und Inhalt einer konkreten Leistungspflicht jeweils zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage zu sein vermögen (NK-VwGO/Helge Sodan, 5. Aufl. 2018, VwGO § 43 Rn. 26 mit Verweis auf VGH Mannheim ESVGH 48, 81, 82). Nach der Rechtsprechung des BVerwG liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, wenn rechtliche Beziehungen streitig sind, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Regelung für das Verhältnis mehrerer Personen zueinander oder das Verhältnis einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwG, Urt. v. 16.6.2015 – 10 C 14/14 Rn. 18). Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis kann bestehen, wenn die Beteiligten um das Bestehen oder um Befugnisse, Rechte oder Pflichten aus einem Rechtsverhältnis streiten (BVerwG, Urt. v. 31.8.2011 – 8 C 8/10 Rn. 21). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 110

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