BRAK-Mitteilungen 2/2024

Daten überlassen wird (vgl. so auch EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22). Für den zu entscheidenden Fall im Rahmen eines Arztdatenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch bleibt Patienten-Verhältnisses hat der EuGH darüber hinaus wie folgt ausgeführt: „Dieses Recht setzt voraus, eine vollständige Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in der Patientenakte befinden und u.a. diese Daten enthalten, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie erforderlich ist, um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu gewährleisten. In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie bspw. Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst.“ Diese Wertung ist auf den vorliegenden Fall übertragKopie der Handakte bar. Dem Kl. steht im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 I, III DSGVO ein Anspruch auf Überlassung einer kostenlosen Kopie der Handakte der Bekl. sowie der sonstigen im Zusammenhang mit seiner Person gespeicherte Daten zu. Die eingewandte Verjährung der Bekl. greift im Rahmen des Art. 15 I, III DSGVO nicht ein. ANMERKUNG: Zur Frage des Verhältnisses des Herausgabeanspruchs gerichtet auf Handakten gem. § 50 II BRAO und dem datenschutzrechtlichen Auskunfts- und Kopieanspruch gem. Art. 15 I und III DSGVO festigt sich mit dem jüngsten Urteil des LG Bonn eine für die Anwaltschaft nicht unproblematische Rechtsprechung: Der Anspruch aus Art. 15 I und III DSGVO geht über den Herausgabeanspruch nach § 50 II BRAO sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht hinaus. In einem ähnlich gelagerten Sachverhalt wie dem vorliegenden billigte das LG Bonn bereits im Jahr 2021 einer ehemaligen Mandantin einen Anspruch auf Bereitstellung einer Kopie der Handakte aus Art. 15 DSGVO zu (Urt. v. 1.7.2021 – 15 O 372/20). Reichweite des Anspruchs auf Auskunft und Kopie Der datenschutzrechtliche Anspruch auf Überlassung einer Kopie umfasst grundsätzlich nicht nur die Handakte, sondern alle Unterlagen, die Personenbezug aufweisen. Gemeint ist eine „verständliche Reproduktion aller personenbezogenen Daten“ (EuGH, Urt. v. 4.5. 2023 – C-487/21). Entlang dieser Rechtsprechung des EuGH ist auch mit solchen personenbezogenen Unterlagen im Zusammenhang stehende Dokumentation Gegenstand des Anspruchs auf Kopie, wenn diese für das kontextuale Verständnis unerlässlich sind. Was damit genau gemeint ist, bleibt freilich völlig offen. Ein weites Verständnis des Begriffs „Kopie“ sei jedenfalls erforderlich, „um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu gewährleisten“ (EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22). Vom Anspruch auf Bereitstellung einer Kopie werden damit grundsätzlich auch interne Vermerke des Rechtsanwalts und sämtliche E-Mail-Korrespondenz erfasst (so schon Schumacher, KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 4/2021, S. 81). Das LG Bonn stützt sich in seiner Entscheidung maßgeblich auf das im Oktober 2023 ergangene Urteil zum Anspruch auf Erhalt einer Kopie einer Patientenakte. Für das kontextuale Verständnis sei es jedenfalls bei Gesundheitsdaten stets erforderlich, eine originalgetreue Kopie der gesamten Patientenakte bereitzustellen. Dass die „Wertung“ dieser Rechtsprechung auch auf Handakten von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten ohne Weiteres übertragbar sein soll, darf aber hinterfragt werden. Dagegen spricht jedenfalls, dass der EuGH die Verpflichtung hin zu einer originalgetreuen Reproduktion aus der besonderen Erwähnung von Gesundheitsdaten in ErwGr 63 S. 2 DSGVO zieht. Für anwaltliche Handakten existiert eine solche nicht. Auch im Übrigen stellt sich die Situation bei Patientendaten und Mandantendaten grundlegend anders dar. Anders als der Arzt, zieht der Rechtsanwalt aus den ihm vorliegenden Tatsachen keine weiteren tatsächlichen Schlüsse, sondern „lediglich“ rechtliche. Keine Verjährung Zweitens kennt die DSGVO keine Verjährungsregeln. Insbesondere die auf den Anspruch aus § 50 II BRAO anwendbaren allgemeinen Vorgaben des § 195 BGB scheiden aus. Die Anwendbarkeit einer entsprechenden Einrede auch auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf Bereitstellung einer Kopie der Handakte auf Grundlage von Art. 15 III DSGVO lehnte bereits das LG Leipzig (Urt. v. 23.12.2021, 03 O 1268/21) ab. Der Umstand der Verjährung des Herausgabeanspruch nach § 50 II 1 BRAO könne nicht auf Art. 15 III 1 DSGVO übertragen werden. Die Zielrichtung beider Ansprüche sei gänzlich unterschiedlich. Die BRAO begründe einen Herausgabeanspruch bezüglich des Originals, die DSGVO fordere lediglich eine (originalgetreue) Kopie. Die Ansprüche seien nicht deckungsgleich und würden insoweit auch nicht den gleichen Verjährungsvorschriften unterliegen. Dass datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche keiner Verjährung unterliegen können, liegt auf der Hand. Schon der stets bestehende Anspruch auf Erteilung einer Negativauskunft in Fällen, in denen keine personenbezogenen Daten mehr verarbeitet werden, macht das sehr deutlich. Daneben ist es gerade Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs, Transparenz auch hinsichtlich der Verarbeitung solcher Daten herzustellen, die wegen Erreichung oder Fortfalls des Verarbeitungszwecks und damit der Rechtsgrundlage gar nicht mehr verarbeitet werden dürften – und sei es DATENSCHUTZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2024 119

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