BRAK-Mitteilungen 3/2024

ständnisfragen an die Berufsrichterinnen und -richter zu stellen.55 55 So auch der Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, Stn. zum RefE des BMJ zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten, S. 5 f., abrufbar unter: https://www.b mj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Stellungnahmen/2023/0109_ Stellungnahme_BRA_Videokonferenztechnik.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Ohne Verständnis für die Verfahrenssituation können sie nicht ihre Aufgabe erfüllen, Praxiserfahrung und fachliche Kompetenz an den erforderlichen Stellen mit einzubringen.56 56 So auch Stn. des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum RefE des BMJ, S. 8 f., abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Stellu ngnahmen/2023/0113_Stellungnahme_DGB_Videokonferenztechnik.pdf?__blob =publicationFile&v=1. Die dafür notwendigen Interaktionsmöglichkeiten werden nicht vorhanden sein, wenn die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter von einem Ort und die Berufsrichterinnen und -richter von einem anderen Ort zugeschaltet sind. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sich bei Verständnisproblemen weniger in die Verhandlung einbringen werden. Gerade zu Beginn der Tätigkeit muss für die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter der Zugang zu den Verhandlungsabläufen so einfach wie möglich gestaltet werden. Das betrifft darüber hinaus auch den Abbau von Hemmschwellen. Erforderlich ist dafür eine zumindest beruflich adäquate soziale Beziehung zu den Berufsrichterinnen und -richtern. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass diese durch die gemeinsamen Vorbesprechungen und in den Verhandlungspausen aufgebaut und intensiviert wird. Eine Hemmschwellen abbauende Beziehung wird nur beschwerlich in reinen online Sitzungen herstellbar sein. IV. FAZIT Durch die Zuschaltung von einem anderen Ort ist es für den Spruchkörper schwieriger, während der Verhandlung zu kommunizieren und zu interagieren.57 57 So auch Francken/Natter, NZA 2021, 153, 154. Die gängigen Videokonferenzsysteme können dort nur begrenzt Abhilfe schaffen. Insbesondere ist für die Verfahrensbeteiligten die für die weitere Verhandlungsführung teilweise bedeutsame Wahrnehmung der Interaktion des Spruchkörpers faktisch nicht möglich. Je nach Verhandlung kann daraus ein Verlust rechtsstaatlicher Qualität resultieren – eine Konsequenz, die der Gesetzgeber bei der Einführung und Reform des § 128a ZPO eigentlich absolut zu vermeiden suchte.58 58 Es darf keinen Verlust rechtsstaatlicher Qualität geben, BT-Drs. 17/1224, 10. Insofern schränkt die Neuregelung die Zuschaltung auf „erhebliche Gründe“ für die Zuschaltung der Mitglieder des Kollegialorgans von verschiedenen Orten ein.59 59 BT-Drs, 20/11770, 3. Davor allem die Parteien von der Zuschaltung des Spruchkörpers betroffen sind, ist künftig zu überlegen die Entscheidung darüber auch in die Befugnis der Parteien zu stellen. Keinesfalls sollten die Parteien nur über ihre eigene Zuschaltung entscheiden dürfen und dann für die Frage, ob sie ihre Rechte nur vor einer nicht als Einheit wahrnehmbaren Kammer gelten machen müssen, vom Gericht abhängig sein. Restriktiv sollte die Zuschaltung einzelner Mitglieder des Gerichts für die Spruchkörper mit ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern und für die Bundesgerichte gehandhabt werden. Sollte in geeigneten Fällen die Zuschaltung der Mitglieder des Spruchkörpers von verschiedenen Orten erfolgen, muss die Beratung in wechselseitiger Wahrnehmbarkeit in Bild und Ton sowie geheim stattfinden. Um diese Voraussetzungen und das Erfordernis der geheimen Beratung zu gewährleisten, wird die gängige Funktion der Breakout Rooms genutzt werden können. DIE UNIONSRECHTLICHE VEREINBARKEIT DES „FREMDBESITZVERBOTES“ DER BRAO DR. BERNADETTE ZELGER, LL.M. (LONDON)* * Die Autorin ist Universitätsassistentin am Institut für Europarecht und Völkerrecht der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und aktuell Stipendiatin am MaxPlanck-Institut für Innovation und Wettbewerb, München. Die Autorin war bei der Verfassung einer Argumente-Sammlung für die österreichische Rechtsanwaltskammer zum Vorlagebeschluss des Bayerischen AGH als Mitverfasserin beteiligt. Vor etwas mehr als einem Jahr ließ der Bayerische AGH mit seinem Vorlagebeschluss an den EuGH die Diskussion um das sog. Fremdbesitzverbot im anwaltlichen Berufsrecht erneut aufflammen, die bereits im Vorfeld der sog. großen BRAO-Reform im Jahr 2021 geführt wurde. An dem Verfahren beteiligten sich neben der Bundesrepublik Deutschland auch Österreich, Spanien, Kroatien und Slowenien und verteidigten das (auch in ihren jeweiligen Berufsrechten mit etwas unterschiedlicher Nuancierung geltende) Fremdbesitzverbot sowie dessen Unionsrechtskonformität. Am 30.4.2024 fand die mündliche Verhandlung vor der Großen Kammer des EuGH statt (dazu Nachrichten aus Brüssel 9/2024 v. 10.5.2024); dieser folgten die Schlussanträge des Generalanwaltes Sa´nchez-Bordona am 4.7.2024. Nachstehender Beitrag befasst sich mit der Unionsrechtskonformität des Fremdbesitzverbots an Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwälten, fasst den Vorlagebeschluss zusammen und erörtert eingehend, ZELGER, DIE UNIONSRECHTLICHE VEREINBARKEIT DES „FREMDBESITZVERBOTES“ DER BRAO AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 131

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