BRAK-Mitteilungen 3/2024

weshalb das Fremdbesitzverbot der BRAO als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann. I. EINLEITUNG Der Erwerb von Anteilen an einer deutschen Rechtsanwaltsgesellschaft durch eine österreichische Kapitalgesellschaft (GmbH), welche über keine Zulassung zur Anwaltschaft verfügte, bot jenen Anlassfall, der den Bayerischen AGH letztlich dazu bewegte, dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen (C-295/23) zur unionsrechtlichen Vereinbarkeit diverser Bestimmungen1 1 §§ 59e, 59a, 59h BRAO a.F. der deutschen BRAO in der Fassung vor der sog. „großen“ BRAO-Reform durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (in Kraft seit 1.8.2022) zu übermitteln.2 2 Vorlagebeschluss: Bay. AGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAKMitt. 2023, 185 mit Anm. Schaeffer; s. dazu auch Dahns/Flegler/Nitschke, BRAKMitt. 2023, 204. Der Bayerische AGH möchte dabei im Kern wissen, ob die auf dem Prüfstand stehenden Bestimmungen der BRAO a.F., i.e. im Wesentlichen jene Bestimmungen, die zu einer Beschränkung der Beteiligung an Rechtsanwaltsgesellschaften in Deutschland führen (und zwar durch Fremdbesitzverbot, Tätigkeitsgebot, Stimmrechtsvorbehalt und Vorbehalt der Mehrheitsanteile für Rechtsanwälte), mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Wenngleich daher ein Eingriff in die EU-Grundfreiheiten (Niederlassungs- oder Kapitalverkehrsfreiheit)3 3 Nach Meinung des Generalanwaltes ist der Sachverhalt rein nach Maßgabe der Bestimmungen zur Niederlassungsfreiheit zu prüfen, vgl. Generalanwalt S´anchezBordona, Schlussanträge v. 4.7.2024 – C-295/23, Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft, ECLI:EU:C:2024:581 Rn. 42 ff. Nach Meinung der Autorin ist der Sachverhalt jedoch nach Maßgabe der Bestimmungen zur Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen. Dies u.a. deshalb, weil die österreichische GmbH, die sich an der deutschen Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG beteiligte, eben gerade nicht zur Anwaltschaft zugelassen ist und sich die Frage nach der Niederlassung daher gar nicht stellen kann. vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH, unstrittig erscheint, beziehen sich die Fragen des Bayerischen AGH auf die Rechtfertigbarkeit sowie die Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der Maßnahme. Vor diesem Hintergrund liefert nachstehender Aufsatz einen Beitrag zur Debatte und spricht sich im Ergebnis für eine Vereinbarkeit des Fremdbesitzverbotes mit dem Unionsrecht aus. Dies insb. aufgrund von Argumenten auf Ebene der Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Der Beitrag gliedert sich dabei wie folgt: Während Abschnitt II den dem Vorlagebeschluss des Bayerischen AGH zugrundeliegenden Sachverhalt sowie die für die Beurteilung durch den Gerichtshof maßgebliche Rechtslage kurz wiedergibt, setzt sich Abschnitt III mit jenen Argumenten auf Ebene der Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit, sowie insb. der Frage nach der kohärenten Ausgestaltung der BRAO (a.F. und i.d.g.F.) auseinander, die für eine Vereinbarkeit der Bestimmungen der BRAO4 4 §§ 59e, 59a, 59h BRAO a.F.. Die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit und Kohärenz gelten jedenfalls für die geltende Rechtslage nach der großen BRAO-Reform. mit dem Unionsrecht, i.e. insb. der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 49 und 63 AEUV, sprechen. In einem letzten Abschnitt werden die wesentlichen Erkenntnisse kurz zusammengefasst (Abschnitt IV). II. DER SACHVERHALT UND DIE FÜR DIE BEURTEILUNG MASSGEBLICHE RECHTSLAGE Die Bestimmungen der BRAO a.F., i.e. insb. §§ 59e, 59a, 59h BRAO, determinieren im Wesentlichen ein Drittbeteiligungsverbot sowie Tätigkeitsgebot für Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Maßgeblich für die Beurteilung des im Vorlagebeschluss relevanten Sachverhaltes sind somit die Bestimmungen der BRAO a.F. vor der sog. „großen BRAO-Reform“, mit der der Gesetzgeber u.a. die „interprofessionelle Zusammenarbeit in Anwaltsgesellschaften und Bürogemeinschaften“5 5 Nitschke, BRAK-Mitt. 2021, 218; Schaeffer, BRAK-Mitt. 2022, 122; Kilian, NJW 2021, 2385; Lührig, Große BRAO-Reform gilt ab 1. August 2022: Neue Regeln für die Anwaltschaft, AnwBl. online v. 3.6.2022 (zuletzt abger. am 13.6.2024). weiter liberalisiert hat. Die Rechtslage zum Drittbeteiligungsverbot wie auch Tätigkeitsgebot wurde im Wesentlichen jedoch insofern nicht maßgeblich verändert, als die gegenständliche Beurteilung und damit die hier ins Treffen geführten Argumente im Ergebnis daher jedenfalls auch auf die geltende Rechtslage anwendbar sind. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft somit die Frage der unionsrechtlichen Vereinbarkeit jener Bestimmungen, die zu einer Beschränkung der Beteiligung an Rechtsanwaltsgesellschaften in Deutschland führen (und zwar durch Fremdbesitzverbot, Tätigkeitsgebot, Stimmrechtsvorbehalt und Vorbehalt der Mehrheitsanteile für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte). Dem Vorabentscheidungsersuchen des Bayerischen AGH liegt dabei der nachstehende Sachverhalt zugrunde. An der in der Rechtsform einer deutschen Unternehmergesellschaft gem. § 5a GmbHG bestehenden Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG wurden mit Abtretungsvertrag vom 31.3.2021 51 % der Anteile an eine österreichische GmbH, die SIVE Beratung und Beteiligung GmbH, veräußert.6 6 Bay. AGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAK-Mitt. 2023, 185 Rn. 5. Alleingesellschafter vor Veräußerung der Anteile war ein in Deutschland zugelassener Rechtsanwalt. Die österreichische GmbH, welche nunmehr 51 % der Anteile an der Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG erworben hat, ist nicht zur Rechtsberatung zugelassen. Mit der Übertragung der Anteile wurde zudem die Satzung der Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft UG geändert, um u.a. die „Unabhängigkeit der Geschäftsführung, die zugelassenen Rechtsanwälten vorbehalten bleibt, zu gewährleisten.“7 7 Ebda. ZELGER, DIE UNIONSRECHTLICHE VEREINBARKEIT DES „FREMDBESITZVERBOTES“ DER BRAO BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 AUFSÄTZE 132

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