– die Einflussnahme von nicht dem Berufsstand der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugehörigen Personen unmöglich zu machen, um letztlich die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes gewährleisten zu können; sowie – die sonstigen anwaltlichen Grundpflichten, deren Beachtung für das Ent- und Fortbestehen einer funktionierenden Rechtspflege basierend auf einem Vertrauensverhältnisses mit Mandanten (wie z.B. die Gewährleistung eines hohen Schutzstandards hinsichtlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflichten sowie das Vermeiden von Interessenskonflikten) wesentlich erscheinen, sicherzustellen. Die Bestimmungen der BRAO stellen daher die Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten im Rahmen von Berufsausübungsgesellschaften welcher in § 59b BRAO a.F. angeführten Form auch immer (im Folgenden „Berufsausübungsgesellschaften“ oder „Rechtsanwaltsgesellschaften“ genannt), sicher. Mit anderen Worten werden durch die Bestimmungen der BRAO den Berufsausübungsgesellschaften, welche als „Vehikel“ zur Ausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt dienen, dieselben standesrechtlichen Rechte und Pflichten auferlegt wie dem „Einzelkämpfer“-Rechtsanwalt, der bloßen Regiebzw. Bürogemeinschaft oder sonstigen, aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive loseren Formen der anwaltlichen Kooperation (GbR). Die Regelungen der BRAO sind daher für die Erreichung der formulierten Ziele, i.e. Wahrung der Unabhängigkeit, Vermeidung von Interessenskonflikten und Sicherheit der beruflichen Verschwiegenheit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, und damit im Wesentlichen für die Sicherstellung der Einhaltung anwaltlicher Grundpflichten im Rahmen von Berufsausübungsgesellschaften taugliches Mittel. Es stellt sich somit die Frage nach ihrer Erforderlichkeit. b) ZUR ERFORDERLICHKEIT, ANGEMESSENHEIT UND KOHÄRENZ aa) ERFORDERLICHKEIT UND ANGEMESSENHEIT Auch die Erforderlichkeit ist, nach Meinung der Autorin, zu bejahen. So mag es zwar sein, wie vom Bayerischen AGH ausgeführt,13 13 Bay. AGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAK-Mitt. 2023, 185 Rn. 47. dass durch die institutionellen Vorkehrungen der Einfluss Dritter auf Berufsausübungsgesellschaften grundsätzlich unterbunden wird. Entgegen der Meinung des Bayerischen AGH sind derartige Vorkehrungen, die sich neben dem institutionellen Rahmen im Wesentlichen auf Vereinbarungen in den Gesellschaftsverträgen beschränken, jedoch nicht als gelinderes Mittel anzusehen, das als Alternativmaßnahme ebenso zuverlässig ist. Dies aus den folgenden Gründen: (1) Relevanz gesellschaftsvertraglicher Beschränkungen der Einflussnahme Zwar mag das Verhältnis zwischen der Einflussnahme nach dem § 37 GmbHG und § 59f IV BRAO a.F. nicht abschließend geklärt und, darüber hinaus, wie vom Bayerischen AGH ins Treffen geführt, für den gegenständlichen Sachverhalt nicht relevant sein, sieht doch der Gesellschaftsvertrag im vorliegenden Fall auch weiterreichende Regelungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit vor.14 14 Bay. AGH, Beschl. v. 20.4.2023 – BayAGH III-4-20/21, BRAK-Mitt. 2023, 185 Rn. 50. Jedoch ist auch die Beschränkung der Möglichkeiten einer Einflussnahme durch die Gesellschafter auf die Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrag keine Garantie dafür, einen tatsächlichen Einfluss zu verhindern. Im Unterschied zur österreichischen Rechtslage sieht § 37 I GmbHG zwar ausdrücklich den Vorrang des Gesellschaftsvertrags vor und sind Gesellschafterbeschlüsse nur bindend für die Geschäftsführung, wenn sie nicht im Widerspruch zu einer gesellschaftsvertraglichen Regelung stehen.15 15 Stritzke, Der Einfluss von Aktionären auf die Geschäftsführung – Eine Untersuchung der Möglichkeiten, Grenzen und Entwicklung unter der Prämisse einer Annäherung an das Kompetenzgefüge der GmbH, 2023, S. 49 m.w.N. Der aus einer satzungswidrigen Weisung sich ergebende „Schwebezustand“, in dem es auf eine Risikoabwägung und das unternehmerische Ermessen des Geschäftsführers ankommt,16 16 Beurskens, in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 37 GmbHG Rn. 39 f.; s. auch Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 37 GmbHG Rn. 17 f. kann jedoch „nicht als ein Zugewinn an Entscheidungsmacht gewertet werden.“17 17 Stritzke, S. 85. Darüber hinaus wird von Teilen der Literatur eine Ausnahme für die Ermessensentscheidung des Geschäftsführers bejaht, sofern der Beschluss einstimmig oder unter Ausschluss der Anfechtung gefasst wurde.18 18 Beurskens, in Noack/Servatius/Haas, § 37 GmbHG Rn. 40; Belz, in Rowedder/ Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 37 GmbHG Rn. 27. Mit anderen Worten mag das abstrakte Regelungssystem daher eine Unabhängigkeit der Geschäftsführung gewährleisten; bei Berücksichtigung der Lebensrealitäten sowie der Macht des Faktischen im Verhältnis Gesellschafter – Geschäftsführung kommt man bei der Beurteilung der möglichen Einflussmöglichkeiten jedoch zu einem anderen Ergebnis: „In aller Regel wird der Geschäftsführer sein Handeln am Willen der Gesellschaftermehrheit ausrichten, sodass dem satzungswidrigen Beschluss zwar keine Folgepflicht zukommt, er aber nichtsdestotrotz eine gewisse Bindungswirkung entfaltet.“19 19 Ebda. Darüber hinaus ist zum Argument, dass die Beschränkung der Unabhängigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aufgrund anderer wirtschaftlicher Abhängigkeiten wie z.B. zu Großmandanten, Kapitalgebern (mittels sonstiger Verträge) usw. doch gleichermaßen gegeben wäre, festzuhalten, dass ökonomische Dependenzen vertraglicher Natur, wie sie sich aus dem täglichen Wirtschaftsleben ergeben, wohl mit den – BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 AUFSÄTZE 134
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