ßen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderlich war.28 28 EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Wouters, ECLI:EU:C:2002:98 Rn. 109, BRAKMitt. 2002, 79. Wenn demzufolge ein Verbot gemischter Sozietäten zwischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie Wirtschaftsprüferinnen und -prüfern – beides Angehörige der Freien Berufe – als mit dem Unionsrecht vereinbar anzusehen ist, gilt dies – argumentum a minore ad maius – erst recht für ein Fremdbesitzverbot von Anteilen an Berufsausübungsgesellschaften von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durch nicht den Freien Berufen angehörige Dritte. Der Bayerische AGH bezieht sich in seinen Ausführungen zudem auf die Urteile des EuGH in den Entscheidungen DocMorris29 29 EuGH, Urt. v. 19.5.2009 – verb. Rs. C-171/07 und 172/07, DocMorris, ECLI:EU:C: 2009:316. und Griechische Optiker.30 30 EuGH, Urt. v. 21.5.2005 – C-140/03, Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:2005: 242. Auch diese stehen jedoch einer Verhältnismäßigkeit der Rechtfertigung der im gegenständlichen Verfahren zu prüfenden Maßnahmen keinesfalls entgegen. Die unterschiedliche Beurteilung in beiden vorgenannten Rechtssachen liegt nämlich gerade in der Zugehörigkeit zu den Freien Berufen begründet: Während der EuGH in DocMorris das Fremdbesitzverbot für Nichtapotheker an Apotheken als gerechtfertigt und somit als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, war sein Urteil im Fall Griechische Optiker ein anderes. Im letztgenannten Fall der Optiker war die nationale Regelung, wonach ein Optiker zumindest 50 % der Anteile an einer Optiker-Gesellschaft zu halten hatte, vom EuGH als unverhältnismäßig beurteilt worden, da durch geringere Eingriffe in die Grundfreiheiten das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gleichermaßen hätte erreicht werden können. Wie der Bayerische AGH richtigerweise feststellt, ähneln die griechischen Vorschriften strukturell den streitgegenständlichen Bestimmungen der BRAO. Jedoch gleicht der entscheidungsgegenständliche Sachverhalt seinem Wesensgehalt nach vielmehr jenem der Entscheidung inDocMorris. Die mit dem Rechtsanwaltsberuf einhergehende Gemeinwohlverpflichtung der Sicherstellung der Funktionalität der Rechtspflege sowie die damit einhergehende Notwendigkeit der Wahrung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung, der Vermeidung von Interessenskonflikten und der Sicherheit der beruflichen Verschwiegenheit von Rechtsanwälten ergibt sich nämlich – ähnlich wie bei den Apothekern – aus der Eigenschaft und Zugehörigkeit beider Berufsgruppen zu den Freien Berufen. So betont der EuGH in DocMorris neben der qualitativ hochwertigen Beratung durch approbierte Apothekerinnen und Apotheker, die der Gefahr der schweren Schädigung der Gesundheit entgegenwirkt, die tatsächliche berufliche Unabhängigkeit.31 31 EuGH, Urt. v. 19.5.2009 – verb. Rs. C-171/07 und 172/07, DocMorris, ECLI:EU:C: 2009:316 Rn. 54 ff. Außerdem anerkennt der EuGH im Zusammenhang mit dem (Freien) Beruf des Apothekers, dass „[s]ein privates Interesse an Gewinnerzielung [...] durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm obliegende Verantwortung gezügelt [wird], da ein etwaiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder berufsrechtliche Regeln nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene berufliche Existenz erschüttert.“32 32 Ebda Rn. 37. Wenngleich der Gerichtshof daher anerkennt, dass es sich für den Betreiber, der Apotheker ist, nicht leugnen lässt, „dass er ebenso wie andere Personen das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften,“33 33 EuGH, Urt. v. 19.5.2009 – verb. Rs. C-171/07 und 172/07, DocMorris, ECLI:EU:C: 2009:316 Rn. 37. anerkennt er im selben Absatz, dass bei ihm als Berufsapotheker aber davon auszugehen ist, dass er die Apotheke nicht nur aus rein wirtschaftlichen Zwecken betreibt, sondern auch unter einem beruflich-fachlichen Blickwinkel.34 34 Ebda. Ähnliches gilt, nach Meinung der Autorin und wie nachstehend noch ausgeführt wird, für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gleichermaßen.35 35 S. dazu unter III.2b)bb). Abschließend sei erwähnt, dass der EuGH im Kontext des Rechtsanwaltsberufs mehrfach darauf hingewiesen hat, dass (sinngemäß) eine Vollharmonisierung in diesem Bereich nicht existiert und es den Mitgliedstaaten daher grundsätzlich freisteht, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im jeweiligen Hoheitsgebiet zu regeln.36 36 EuGH, Urt. v. 19.2.2002 – C-309/99, Wouters, ECLI:EU:C:2002:98 Rn. 99, BRAKMitt. 2002, 79; EuGH, Urt. v. 12.12.1996 – C-3/95, Reisebüro Broede, ECLI:EU:C: 1996:487 Rn. 37, BRAK-Mitt. 1997, 42. Ein ähnlicher Hinweis findet sich auch in DocMorris im Kontext von Apothekern; auch in diesem Zusammenhang wird den Mitgliedstaaten daher zweifelsohne ein gewisser Wertespielraum eingeräumt.37 37 EuGH, Urt. v. 19.5.2009 – verb. Rs. C-171/07 und 172/07, DocMorris, ECLI:EU:C: 2009:316 Rn. 19. „Da die Mitgliedstaaten befugt sind, über das Niveau des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu entscheiden, ist anzuerkennen, dass sie verlangen können, dass die Arzneimittel von Apothekerinnen und Apothekern vertrieben werden, die über tatsächliche berufliche Unabhängigkeit verfügen. Sie können auch Maßnahmen treffen, die geeignet sind, eine Gefahr der Beeinträchtigung dieser Unabhängigkeit zu beseitigen oder zu verringern, da eine derartige Beeinträchtigung geeignet wäre, sich auf das Niveau der Sicherheit und der Qualität der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auszuwirken,“38 38 EuGH, Urt. v. 19.5.2009 – verb. Rs. C-171/07 und 172/07, DocMorris, ECLI:EU:C: 2009:316 Rn. 35. so der EuGH. Dieses Argument ist auf den entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt gleichermaßen bzw. sinngemäß übertragbar. (4) Zwischenergebnis Nach alledem sind die am Prüfstand stehenden Bestimmungen der BRAO daher als erforderlich anzusehen. Auch ist bei einer Güterabwägung im engeren Sinn – Beschränkung der Grundfreiheiten vs. Sicherung der ZELGER, DIE UNIONSRECHTLICHE VEREINBARKEIT DES „FREMDBESITZVERBOTES“ DER BRAO BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 AUFSÄTZE 136
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