einer Sinnhaftigkeitsprüfung) versteht.52 52 Forsthoff/Eisendle, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 81. EL Januar 2024, Art. 45 AEUV Rn. 408 m.w.N. insb. der in Fußnote 12 angeführten Rechtsprechung. Ein solches Verständnis sowie eine entsprechende Handhabe im Rahmen der Kohärenzprüfung durch den Gerichtshofs würde dem Vorwurf entgegenwirken, der Gerichtshof habe mit der Kohärenzprüfung im Allgemeinen einen Bereich betreten, der grundsätzlich dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten sein sollte.53 53 Ebda., Rn. 406. Vor dem Hintergrund der Kompetenzverteilung im Mehrebenensystem sowie der gehäuften Kritik an der (zu weitreichenden) Ausstrahlung der Rspr. des EuGH in bei den Mitgliedstaaten verbliebene Kompetenzbereiche,54 54 Die Thematik umfassend im Kontext der Binnenmarktregen/EU-Grundfreiheiten beleuchtend: Velyvyte, Judicial Authority in EU Internal Market Law. Implications for the Balance of Competences and Powers, Hart 2024. Für einen groben Überblick/ Problemabriss s. zudem: Zelger/Bili´c, Zur unionsrechtlichen Ausgestaltung von Regelungen der Wegzugsbesteuerung (Teil I), IStR 2024, 374 (375 f.) m.w.N. sowie den in den vergangenen Jahren sich häufenden „höchstgerichtlichen Dialogen“ (im Kontext der ultra vires Kontrolle)55 55 Ebda. mit Beispielen für die „höchstgerichtlichen Dialoge“ die, neben dem breitenwirksam bekannten „Widerstand“ der Höchstgerichte in Ungarn und Polen, (bekannte) Beispiele aus Deutschland, Tschechien, Frankreich und Dänemark nennt. scheint dies u.U. nicht wenig wünschenswert. Dies in Hinblick auf die die eigene Legitimation durch die Stärkung der Anerkennung auf nationaler Ebene. Abschließend bleibt noch festzuhalten: Selbst wenn man, entgegen der Meinung der Autorin, davon ausgeht, die Prüfung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts im Rahmen der die Kohärenzprüfung umfasse die Beurteilung, ob die den unterschiedlichen Regelungen unterworfenen Berufsgruppen solche Ähnlichkeiten aufweisen, dass sie nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen,56 56 So –wie von Forsthoff/Eisendle, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 81. EL Januar 2024, Art 45 AEUV Rn. 406 mit Verweis auf nachstehendes Urteil in Fußnote 6 festgestellt – ableitbar aus EuGH, Urt. v. 10.3.2009 – Rs. C-169/07, Hartlauer, ECLI:EU:C:2009:141 Rn. 55-71. ist Folgendes festzuhalten: Zwar ist es richtig, dass Apothekerinnen und Apotheker sowie Ärztinnen und Ärzte als Berufsstand der Freien Berufe ebenso einem Standesrecht sowie gewissen Regelungen zur Verschwiegenheit unterliegen. Jedoch ist bei Gesundheitsberufen wohl nicht unwesentlich, dass sie in ihrem Alltag i.d.R. mit Gesundheitsdaten und daher mit einer besonderen Kategorie personenbezogener Daten i.S.v. Art. 9 I DSGVO konfrontiert sind. Ihre Berufs- und Verschwiegenheitspflicht betrifft demnach einen besonders sensiblen Bereich bzw. besonders sensible Daten deren Schutzstandard wohl ein höherer ist als jener für Daten, mit denen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Patentanwältinnen und -anwälte, Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer, Steuerberaterinnen und -berater etc. i.d.R. hantieren. Auch bei dieser Betrachtung wäre eine Kohärenz der prüfrelevanten Bestimmungen der BRAO a.F. gegeben und die Unionsrechtskonformität daher im Ergebnis zu bejahen. IV. ZUSAMMENFASSUNG Gegenständlicher Beitrag hat gezeigt, weshalb jene Bestimmungen der BRAO a.F. sowie i.d.g.F., die im Wesentlichen den Kern des sog. „Fremdbesitzverbots“ an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften abstecken, aus unionsrechtlicher Perspektive durchaus gerechtfertigt und verhältnismäßig (wie auch kohärent) sind. WIEDERHOLTE ANWALTSGERICHTLICHE MASSNAHMEN BEI UNTERLASSENER PASSIVER NUTZUNG DES beA RECHTSANWALT DR. HENNER KAHLERT* * Der Autor ist Rechtsanwalt in Karlsruhe und Richter in einer Kammer des Anwaltsgerichts Karlsruhe. Der Beitrag gibt nur seine persönliche Auffassung wieder. Die unterlassene Vorhaltung der technischen Einrichtungen zur Nutzung des beA (passive Nutzung) ist eine Pflichtwidrigkeit in Gestalt eines Unterlassungsdauerdelikts, die der anwaltsgerichtlichen Ahndung unterliegt. In den in der Praxis vermehrt auftauchenden Fällen, in denen trotz einer erfolgten anwaltsgerichtlichen Maßnahme die passive Nutzung weiterhin unterlassen wird, stellt sich die Frage, ob eine erneute Ahndung zulässig oder nach dem Grundsatz ne bis in idem ausgeschlossen ist. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG bejaht der Autor diese Frage. I. VERLETZUNG DER PASSIVEN NUTZUNGSPFLICHT Nach § 31a I BRAO hat die BRAK für jeden Rechtsanwalt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet. Die Rechtsanwälte sind – als Inhaber – KAHLERT, WIEDERHOLTE ANWALTSGERICHTLICHE MASSNAHMEN BEI UNTERLASSENER PASSIVER NUTZUNG DES BEA AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 139
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