BRAK-Mitteilungen 3/2024

derungen und Belehrung nicht um die Ausstellung eines Reisepasses oder zumindest Passersatzes gekümmert habe und ohne den Besitz dieser bei einer Kontrolle angetroffen werde, dürfe von einer (erneuten) vorsätzlichen Erfüllung des Tatbestandes des § 95 I Nr. 1 AufenthG auszugehen sein.12 12 LG Landshut, Beschl. v. 19.12.2012 – 6 Qs 320/12 Rn. 11-15, juris. Ebenso sahen das OLG Frankfurt13 13 OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.7.2008 – 1 Ss 407/07 Rn. 3, juris. und das BayObLG14 14 BayObLG, Urt. v. 25.6.2020 – 207 StRR 218/20 Rn. 9. jeweils unter Berufung auf den Beschluss des BVerfG vom 21.12.200615 15 BVerfG, Beschl. v. 21.12.2006 – 2 BvR 1895/05. einen nach außen dokumentierten neuen Tatentschluss der Angeklagten darin, dass sie sich nicht um einen Pass oder Passersatz kümmerten, obwohl sie nach Vorverurteilungen mehrfach über ihre entsprechenden Pflichten belehrt worden seien. III. FAZIT Die Rechtsanwaltskammern pflegen nach einer anwaltsgerichtlichen Verurteilung wegen einer Pflichtwidrigkeit nach den §§ 43, 31a VI BRAO die betroffenen Rechtsanwälte auf die Pflicht zur passiven Nutzung des beA hinzuweisen. Sie sollten dies aus den hier erörterten Gründen auch eindringlich und mehrfach tun und dies mit Zustellungsurkunden dokumentieren. Bleibt der Rechtsanwalt dennoch weiterhin untätig, kann aus der ausbleibenden Reaktion ein erneuter Tatentschluss gefolgert werden, der eine erneute Ahndung rechtfertigt. IST ZEITHONORAR NOCH REALISIERBAR? EIN BERICHT ÜBER DIE ENTWICKLUNG DES RVG VON APRIL 2023 BIS APRIL 2024 RECHTSANWALT DIRK HINNE* * Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, für Sozialrecht und für Versicherungsrecht in Dortmund. Er ist Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Rechtsanwaltsvergütung. In seinem jährlichen Berichtsaufsatz gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen im anwaltlichen Vergütungsrecht. Im Berichtszeitraum sind keine wesentlichen Änderungen des RVG vorgenommen worden. Der Bericht, der an die Berichterstattung des Autors in BRAK-Mitt. 2023, 153 anknüpft, konzentriert sich deshalb auf die Entwicklung der Rechtsprechung zum Vergütungsrecht. I. WIRKSAMKEIT VON ZEITHONORARVEREINBARUNGEN Bereits vor einem Jahr1 1 Hinne, BRAK-Mitt. 2023, 153. berichtete ich über die damals frische Entscheidung des EuGH2 2 EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C 395/21, BRAK-Mitt. 2023, 173 mit Anm. Kunze. zur Wirksamkeit von Zeithonorarvereinbarungen. Der EuGH hatte in der Entscheidung eine Zeithonorarvereinbarung nach litauischem Recht für intransparent und damit unwirksam erklärt – mit der Folge, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit gar keine Vergütung erhielt. Im dortigen Fall war ein Zeithonorar von 100 Euro stündlich vereinbart worden. Der Mandant zahlte einen Vorschuss von 5.600 Euro. Nach etwa einem Jahr rechnete der Rechtsanwalt seine gesamten Leistungen ab und forderte weitere 9.900 Euro an Resthonorar, das er mangels Zahlung durch den Mandanten einklagte. Das litauische Gericht legte die Frage, ob die geschlossene Vergütungsvereinbarung wirksam sei, dem EuGH vor, der zu dem oben dargestellten Ergebnis kam. Der EuGH monierte insb., dass der Mandant eine seinen Interessen gerecht werdende Entscheidung nicht treffen konnte, weil es ihm nicht möglich war, die wirtschaftliche Tragweite der Vergütungsvereinbarung, insb. die später entstandene Vergütungsforderung, abzuschätzen. Bereits damals habe ich auf die nicht zu unterschätzende Bedeutung dieser Entscheidung auch im deutschen Recht hingewiesen. Tatsächlich ist zu beobachten, dass es in einer erheblichen Anzahl – insb. durch Rechtsschutzversicherer, die einen Spezialrechtsschutz mit Abdeckung von Zeithonoraren anbieten, betriebene – Regressverfahren wegen vermeintlich unwirksamer Zeithonorarvereinbarungen gibt.3 3 Ströder, in Juve v. 21.2.2024. Inzwischen gibt es auch einige, wenn auch erst wenige veröffentlichte Entscheidungen deutscher Instanzgerichte zur Wirksamkeit von Zeithonorarvereinbarungen. Wie ist die deutsche Rechtslage nach einem Jahr erster Überlegungen zu dem EuGH-Urteil zu bewerten? 1. DIE ENTSCHEIDUNG DES EuGH Zunächst einmal ist zu beobachten, dass der Schluss auf die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung zu AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 141

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