BRAK-Mitteilungen 3/2024

Vertragsstaat ist nicht daran gehindert, ein höheres Schutzniveau für seine Bürgerinnen und Bürger vorzusehen. Das war in der Republik Litauen, auf die sich das Urteil des EuGH bezieht, der Fall.14 14 Rn. 50 der Entscheidung. Nach litauischem Recht sind intransparente Klauseln immer als missbräuchlich anzusehen.15 15 Art. 6228 VI des Zivilgesetzbuches. Die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung ist daher zunächst nach nationalem Recht zu bewerten. Deutschland hat die Richtlinie 93/13 bereits 1993 durch das Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen umgesetzt; die Regelungen sind seit der Schuldrechtsreform in den §§ 305 ff. BGB enthalten. Das Schutzniveau entspricht der Richtlinie 93/ 13; es handelt sich nicht um ein gesteigertes Schutzniveau, anders als im Falle Litauens. So hat der Gesetzgeber bei der Bewertung der Intransparenz nach § 307 I 2 BGB vorgesehen, dass gem. § 310 III Ziff. 3 BGB auch die bei Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen sind.16 16 So auch Bereska, AnwBl. 2023, 150. Das entspricht auch der Entscheidung des EuGH.17 17 Anders Graf von Westphalen, ZIP 2023, 2177, 2179. Weiter hat der deutsche Gesetzgeber in § 306 I BGB die Klauselunwirksamkeit und nicht die Vertragsnichtigkeit vorgesehen und in § 306 II BGB die Ersetzung des unwirksamen Vertragsteils durch die gesetzlichen Vorschriften vorgesehen. Nur wenn sich hieraus für den Verbraucher eine unzumutbare Härte ergeben würde, ist der Vertrag insgesamt unwirksam. e) FOLGEN EINER KLAUSELUNWIRKSAMKEIT Ist auch unter diesen Umständen eine Intransparenz gegeben, so ist die Vergütungsklausel nach deutschem Recht unwirksam. Es bleibt jedoch der Vertrag als solcher bestehen. Der EuGH überlässt es der nationalen Rechtsprechung, zu beurteilen, ob aus einer missbräuchlichen Intransparenz nur eine Klauseloder gar eine Vertragsunwirksamkeit folgen muss. Dabei darf das Gericht keine eigenständige Vertragsanpassung vornehmen, sondern muss prüfen, ob eine vertragliche oder innerstaatliche gesetzliche Vergütungsregelung die unwirksame Vereinbarung ersetzen kann. Das deutsche Gericht hat sich daher an die gesetzlichen Regelungen des AGB-Rechts zu halten. Dabei ist zugleich auch zu bewerten, dass im rechtlichen Gesamtzusammenhang unterschiedliche Anforderungen an das klauselbezogene Schutzerfordernis zu stellen sind. Im Falle Litauens gibt es keine gesetzliche Vergütungsordnung. Vielmehr muss die Vergütung jeweils vertraglich vereinbart werden,18 18 Art. 50 des Gesetzes IX-2066 über den Beruf des Rechtsanwalts. wobei die Stundensatzhöhe nur für die Berechnung der erstattungsfähigen Honorare, nicht aber für die im Innenverhältnis vereinbarten Honorare, durch eine Vereinbarung der litauischen Rechtsanwaltskammern limitiert ist.19 19 Verordnung des Justizministers der Republik Litauen Nr. 1R-85 v. 2.4.2004. Vor diesem Hintergrund mag es angemessen erscheinen, dass zur Abschreckung vor wiederholten intransparenten Vertragsabschlüssen ein vollständiger Wegfall des Vergütungsanspruchs eintreten soll.20 20 Hierzu s. Rn. 67 der Entscheidung. Demgegenüber ist in Deutschland mit dem RVG eine verbraucherschützende Vergütungsregelung gegeben, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten streitwertabhängig Vergütungen vorschreibt, die teilweise (etwa bei niedrigen Streitwerten sowie bei Betragsrahmengebühren) nicht einmal kostendeckend sind. Der Verbraucher in Deutschland ist daher nicht gezwungen, Vergütungsvereinbarungen abzuschließen. Dem hat der Gesetzgeber auf der Rechtsfolgenseite in § 3a III und § 4b RVG damit Rechnung getragen, dass im Falle von ex post unangemessenen und von unwirksam vereinbarten Vergütungen die angemessene bzw. die gesetzliche Vergütung erhalten bleibt; dabei wird die gesetzliche Vergütung im Falle einer in geringerer Höhe als der gesetzlichen vereinbarten Vergütung auf diesen Betrag zurückgeführt.21 21 BGH, Urt. v. 5.6.2014 – IX ZR 137/12. Dies ist als Schutz für Verbraucher vor dem Hintergrund einer verbindlichen gesetzlichen Vergütungsordnung angemessen und ausreichend. Gemäß der Vorgabe des EuGH sind die deutschen Gerichte danach gehalten, eine im Missbrauchsfall weggefallene Vergütungsvereinbarung durch die gesetzliche Vergütung – ggf. in auf die Höhe der vereinbarten Vergütung herabgesetzter Höhe – zu ersetzen. f) EXKURS: ZURECHNUNG VON WISSEN Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei der Richtlinie 93/13 um eine solche zum Verbraucherschutz. Bei ihr sind die Umstände des Vertragsschlusses gem. § 310 BGB zu berücksichtigen. Es fragt sich daher, wie die Fälle zu bewerten sind, in denen Rechtsschutzversicherungen übergeleitete Regressansprüche des Mandanten auf Erstattung der vereinbarten Zeithonorare geltend machen. Hier handelt es sich regelmäßig um Sondertarife, bei denen üblicherweise der Rechtsschutzversicherer in die Verhandlungen um das Honorar einbezogen ist oder die Vereinbarung zumindest vorab genehmigen muss, um an sie bei der Erstattung gebunden zu sein. Der Rechtsschutzversicherer ist jedoch weder Verbraucher, so dass für ihn, wäre er der Vertragspartner, die Richtlinie 93/13 nicht anwendbar wäre, noch besteht zu seinen Lasten eine Informationsasymmetrie. Vielmehr ist der Rechtsschutzversicherer bestens in der Lage, die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Vergütungsvereinbarung über Zeithonorar abschätzen zu können. HINNE, IST ZEITHONORAR NOCH REALISIERBAR? AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 143

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