BRAK-Mitteilungen 3/2024

Im Rahmen der Bewertung der Umstände des Vertragsschlusses nach § 310 BGB wird daher zu prüfen sein, inwieweit die Kenntnisse des Rechtsschutzversicherers dem Mandanten zuzurechnen sind,22 22 S. auch die Entscheidung des OLG Bamberg, sogleich unter 2.b). so dass ggf. ein Regressanspruch nicht entsteht. 2. ERSTE DEUTSCHE ENTSCHEIDUNGEN a) OLGKÖLN Auf der Linie der oben skizzierten Bewertung der Rechtslage liegt das OLG Köln.23 23 OLG Köln, Teilurt. v. 12.4.2023 – 11 U 218/19. Es führt aus, dass für eine genügende Einschätzung des Verbrauchers anstelle der Angabe der mindestens erforderlichen Stunden auch die Vereinbarung mindestens der gesetzlichen Gebühren ausreichend ist, da so für den Verbraucher eine Kostenuntergrenze ersichtlich ist.24 24 OLG Köln, a.a.O. Rn. 49. b) OLG BAMBERG Auch das OLG Bamberg25 25 OLG Bamberg, Urt. v. 15.6.2023 – 12 U 89/22. liegt auf dieser Linie. Es fordert für die Feststellung der missbräuchlichen Intransparenz eine individuelle Bewertung des Falles i.S.v. §310BGB. Im dortigen Fall war einer von mehreren gemeinsamen Auftraggebenden früher als Rechtsanwalt in einer anwaltlichen Großkanzlei tätig. Er konnte die Bedeutung der Vereinbarung und die mit der Vereinbarung verbundenen Kostenrisiken erkennen und abschätzen und hätte auf eine andere Vereinbarung dringen können. Die weiteren gemeinsamen Auftraggeber müssen sich die Kenntnisse dieses Mit-Auftraggebers zurechnen lassen. Eine Informationsasymmetrie bestand daher im dortigen Falle nicht.26 26 OLG Bamberg, a.a.O. Rn. 75, 77. 3. FAZIT Bei der Prüfung von abgeschlossenen Altfällen wird zunächst festzustellen sein, inwieweit eine intransparente Vereinbarung vorliegt. Ist erkennbar, dass die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt dem Mandanten die zur Entscheidungsfindung nach den konkreten Umständen erforderlichen Informationen erteilt hat, z.B. durch eine Abschätzung des zur Bearbeitung erforderlichen Mindeststundenaufwands, durch Vereinbarung frühzeitiger Abrechnungen in kurzen Abständen, durch Vereinbarung mindestens der gesetzlichen Gebühren oder auf eine andere, vergleichbare Weise, so liegt keine Intransparenz vor. Die Vereinbarung ist wirksam. Liegt eine Intransparenz vor, ist die Missbräuchlichkeit, insb. das Vorliegen einer Informationsasymmetrie, i.R.v. § 310 BGB zu prüfen. Wird auch diese bejaht, so ist die Vergütungsvereinbarung unwirksam und es sind die in den deutschen Gesetzen vorhandenen Regelungen anzuwenden, so dass die gesetzlichen Gebühren erhalten bleiben, es sei denn, die unwirksame Vereinbarung hätte eine geringere Vergütung vorgesehen. Für noch nicht abgeschlossene Altfälle wird anzuraten sein, nicht im Vertrag enthaltene Vereinbarungen zur Transparenz zu leben, indem Abschätzungen nachgeholt, frühzeitige und kurzzeitig wiederholte Abrechnungen erstellt oder auf andere Weise dem Verbraucher hilfreiche Informationen erteilt werden oder indem aktualisierte Vereinbarungen abgeschlossen werden, die Transparenz gewährleisten. Für Neufälle werden Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte gehalten sein – vorsorglich sowohl in Verträgen mit Verbrauchern wie mit Gewerbetreibenden – durch eine Abschätzung des zur Bearbeitung erforderlichen Mindeststundensatzes, durch Vereinbarung frühzeitiger Abrechnung in kurzen Abständen, durch Vereinbarung mindestens der gesetzlichen Gebühren oder auf eine andere, vergleichbare Weise Transparenz herzustellen. II. WEITERE ENTSCHEIDUNGEN Neben diesem Themenkomplex sind aber auch andere Entscheidungen noch berichtenswert. 1. MINDESTGEBÜHRENREGELUNG UNWIRKSAM Nach der vorangegangenen Entscheidung des EuGH zu den Zeithonorarvereinbarungen betrachtet man die Entscheidungen des EuGH zur Anwaltsvergütung27 27 EuGH, Urt. v. 25.1.2024 – C-438/22, BRAK-Mitt. 2024/ 101 Ls.. besonders aufmerksam. So hat der EuGH eine nationale gesetzliche Regelung des Staates Bulgarien für unwirksam erklärt, mit der festgelegt wird, dass bei der Kostenerstattungsentscheidung durch die Gerichte bestimmte Mindestgebühren nicht unterschritten werden dürfen.28 28 § 78 V der bulgarischen Zivilprozessordnung i.V.m. Art. 36 des bulgarischen Anwaltsgesetzes. Im dortigen Fall hatte der Kläger mit der Hauptsacheklage auch beantragt, ein vertraglich vereinbartes Honorar für die Rechtsverfolgung zuzusprechen. Die verlangten Gebühren entsprachen dem durch die Anwaltskammern festgelegten Mindesthonorar, wobei nach dem bulgarischen Zivilprozessrecht die Kostenerstattung dieses Mindesthonorar nicht unterschreiten darf. Das bulgarische Gericht hielt die Mindestgebühren im konkreten Fall für unangemessen und legte den Fall dem EuGH vor. Dieser urteilte, dass die bulgarische Mindestgebührenregelung unwirksam ist. Auch das deutsche Vergütungsrecht sieht wie das bulgarische Recht Mindestgebühren in gerichtlichen Verfahren vor. Dennoch ist aus der Entscheidung nicht abzuleiten, dass diese Regelungen der BRAO (§ 49b) und des RVG von der Entscheidung des EuGH erfasst werden könnte. HINNE, IST ZEITHONORAR NOCH REALISIERBAR? BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 AUFSÄTZE 144

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