Im Falle des Staates Bulgarien ist in der gesetzlichen Regelung problematisch, dass die Mindestgebühren durch den Obersten Rat der Anwaltschaft festgelegt werden. Es handelt sich mithin um einen Tarif, der nach den europäischen Regeln zum freien Wettbewerb zu beurteilen ist. Danach handelt es sich bei einseitigen Festlegungen von Vergütungen durch einen Berufsverband um kollusive Verhaltensweisen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken und deshalb nach Art. 101 I AEUV unzulässig sind.29 29 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 23.11.2017 – C-427/16 und C-428/16. Die Regelungen der BRAO und des RVG unterscheiden sich in ihrer Qualität jedoch erheblich von denen des bulgarischen Rechts. Es handelt sich bei ihnen nicht um durch Berufsverbände festgelegte Tarife, sondern um durch den Gesetzgeber (in viel zu langen Abständen und zu geringem Umfang) festgelegte und damit demokratisch legitimierte gesetzliche Vorgaben. Diese Regelungen zielen zudem nicht auf eine Beschränkung des Wettbewerbs im Interesse einer Berufsgruppe. Es handelt sich vielmehr um Regelungen, die für das Erstattungssystem und die Schaffung des Zugangs zum Recht erforderlich sind. Die Entscheidung hat daher für das deutsche Vergütungsrecht keine Auswirkung. 2. ANFALL DER EINIGUNGSGEBÜHR FÜR EINEN ZWISCHENVERGLEICH Kann ein in einem gerichtlichen Umgangsverfahren geschlossener, gerichtlich gebilligter Zwischenvergleich nach § 156 II RVG den Anfall einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG auslösen? Diese Frage wurde durch mehrere Oberlandesgerichte divergent entschieden. Der BGH hat die Frage nunmehr endgültig geklärt.30 30 BGH, Urt. v. 25.5.2023 – IX ZR 161/22. Er hat den Anfall der Gebühr in Rn. 17 des Urteils für den Fall bejaht, dass die geregelten Gegenstände unabhängig vom weiterhin streitigen Rest Bestand haben sollen. Die Entscheidung kann auch außerhalb des Familienrechts für andere Zwischenvergleiche Geltung beanspruchen. 3. KOSTEN DES TERMINSVERTRETERS SIND NICHT IMMER ERSTATTUNGSFÄHIG Bei Beauftragung eines Terminsvertreters durch den Mandanten direkt oder durch den Prozessbevollmächtigten im Auftrag des Mandanten entstehen die gesetzlichen Gebühren. Die Gebührenverteilung wird vom Hauptbevollmächtigten oft als ungerecht empfunden, weil die Terminsgebühr, die den Aufwand der Sachbearbeitung oft erst rentabel macht, nicht beim Hauptbevollmächtigten, sondern beim Terminsvertreter anfällt. Der Ausweg wird oft im Wege der Beauftragung des Terminsvertreters durch den Hauptbevollmächtigten im eigenen Namen gesucht. Dieser ist bei der Beauftragung des Terminsvertreters nicht an die gesetzlichen Gebühren gebunden, sondern kann die Vergütung mit dem Terminsvertreter frei aushandeln. Dabei ist jedoch, wie der BGH jetzt geklärt hat,31 31 BGH, Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21, BRAK-Mitt. 2023, 309 Ls. keine Erstattungsfähigkeit der Kosten des Hauptbevollmächtigten für die Beauftragung des Terminsvertreters gegeben. Es handelt sich nicht um Kosten der Beauftragung durch den Mandanten, die erstattungsfähig wären. Es handelt sich aber auch nicht um Auslagen des Hauptbevollmächtigten für den Mandanten, sondern um solche seiner eigenen Person, wobei die die Kosten auslösende Tätigkeit identisch mit der des Gebührentatbestands der Terminsgebühr ist, für deren Anfall sich der Hauptbevollmächtigte vom Terminsvertreter vertreten lässt. 4. SPÄTER BESCHRÄNKTE NICHTZULASSUNGSBESCHWERDE Oft wird eine Nichtzulassungsbeschwerde unbeschränkt eingelegt, nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit der Begründung aber nur beschränkt durchgeführt. Die Vorgehensweise ist natürlich richtig, wenn der volle Umfang der Rechtsmittelmöglichkeiten offengehalten werden soll, sich nach Prüfung aber eine Erfolgsaussicht nur für einen von mehreren Gegenständen der Angelegenheit zeigt. Dennoch ist die Vorgehensweise nicht ohne Kostenrisiko. Der BGH hat klargestellt, dass bei dieser Sachlage die Verfahrensgebühr für das Rechtsmittel zum vollen Wert aller Gegenstände des bisherigen Verfahrens entsteht.32 32 BGH, Beschl. v. 10.1.2024 – VI ZR 322/21. Die Entscheidung ist auf andere Rechtsmittelverfahren übertragbar. 5. KOSTEN DES ABÄNDERUNGSVERFAHRENS IM VORLÄUFIGEN RECHTSSCHUTZ Wird nach einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Abänderungsverfahren betrieben, handelt es sich zwar um prozessual gesonderte Verfahren, gem. § 16 Nr. 5 RVG jedoch um dieselbe vergütungsrechtliche Angelegenheit. Die Kostengrundentscheidung des ersten Verfahrens bleibt für die Folgeverfahren bestehen.33 33 Bayerischer VGH, Beschl. v. 31.7.2023 – 6 M 23.30350. 6. MEHRVERGLEICH IM FAMILIENRECHT Wird in einem familienrechtlichen Verfahren ein Mehrvergleich betreffend ein weiteres Folgeverfahren geschlossen (z.B. im Sorgerechtsprozess auch zum Umgangsrecht), bemisst sich der Gegenstandswert des Vergleichs nach der Summe beider Verfahren. Die Festsetzung erfolgt in dem Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wird.34 34 OLG Celle, Beschl. v. 10.7.2023 – 21 WF 78/23. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 145
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