ten Belehrungen, die konkreten Erfolgsaussichten aus ex-ante-Sicht sowie die Schadenskausalität, bei der das hypothetische Verhalten des konkreten Mandanten ins Kalkül zu ziehen ist. Sehr viele Rechtsschutzversicherer-Regresse stehen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten über Verbraucherdarlehensverträge. Hierzu, insb. zur Frage der Fristen für einen möglichen Widerruf der Verträge im Hinblick auf die Wirksamkeit der entsprechenden Widerrufsbelehrungen, gab es über die Jahre eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. Die Einschätzung der Erfolgsaussichten hatte sich entsprechend der Rechtsprechungsentwicklung anzupassen. Auch im hier zugrundeliegenden Fall ging es um die Widerrufsfrist. Das LG Köln hatte den Schadensersatzanspruch in Bezug auf die Kosten des Berufungsverfahrens bejaht: Nach den Umständen sei die beklagte Rechtsanwaltskanzlei dazu verpflichtet gewesen, den Versicherungsnehmern von der Rechtsverfolgung abzuraten, da die Berufung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beratung in den Jahren 2020 und 2021 praktisch aussichtslos war. Nach damaliger höchstrichterlicher Rechtsprechung hätten den Mandanten keinerlei Ansprüche zugestanden, da der Widerruf aufgrund des Ablaufs der zweiwöchigen Widerrufsfrist unwirksam war. Tatsächlich ging es in dem Vorprozess nur um das kleine Wörtchen „dann“: Die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 II 2 und 3 EGBGB a.F., wodurch eine dem Muster entsprechende Widerrufsinformation einem Streit über ihre Gesetzmäßigkeit entzogen wird,2 2 BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11 Rn. 15 f. kam nicht in Betracht, weil in der Widerrufsinformation das im Muster verwendete Wort „dann“ weggelassen wurde. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hierzu war bis zum Beratungszeitpunkt nicht einheitlich. Die Berufung im Vorprozess hatte sich auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 22.8.2018 gestützt. Das LG Köln hielt die Berufung dennoch für aussichtslos, da es sich um eine „erkennbare Einzelentscheidung“ gehandelt habe. Genau in diesem Punkt widerspricht das OLG Köln: Da dieser Punkt in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte damals unterschiedlich gesehen wurde und eine Entscheidung des BGH nach wie vor nicht vorliegt, konnte jedenfalls eine Erfolgsaussicht des Widerrufs aus der ex-ante-Sicht nicht ausgeschlossen werden. Das OLG Köln geht allerdings noch weiter: Unabhängig davon habe sich ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Beratungspflicht maßgeblich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren. Es könne von ihm nicht verlangt werden, jederzeit den Stand der Rechtsprechungen aller Oberlandesgerichte im Blick zu behalten. Selbst wenn eine streitentscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich abschließend geklärt sei, könnten sogar im Schrifttum geäußerte Bedenken, mit denen sich die Rechtsprechung noch nicht auseinandergesetzt hat, Veranlassung zu der Annahme geben, die Rechtsprechung werde noch einmal überdacht.3 3 BGH, Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19 Rn. 40. Somit sei hier in vergleichbarer Weise die Annahme gerechtfertigt gewesen, dass die Auslegung des OLG Frankfurt vom BGH noch bestätigt werden könnte, da sie gut vertretbar war, sodass keine nur geringen, geschweige denn keine Erfolgsaussichten bestanden. Diesen Aspekt sollten die Gerichte bei den Rechtsschutzversicherer-Regressen regelmäßig im Blick haben, da die gewünschte Fortbildung der Rechtsprechung nur möglich ist, wenn auch einmal andere oder neue Sichtweisen in die Diskussion eingebracht werden. (ju) SCHADENSERSATZ BEI UNBERECHTIGTER ANWALTSRECHNUNG AN GEGNER DES MANDANTEN Macht ein Anwalt im eigenen Namen zu Unrecht Honorarforderungen gegen die Gegner seines Mandanten geltend (und dies noch dazu in überhöhter Weise), kommt als Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch bezüglich der zur Abwehr der Honorarforderungen entstandenen Rechtsanwaltskosten § 823 II BGB i.V.m. § 352 StGB, § 3a UWG und ggf. auch i.V.m. § 263 StGB in Betracht. AG Brandenburg, Urt. v. 26.2.2024 – 30 C 221/23, BRAK-Mitt. 2024, 174 (in diesem Heft) Der hier beklagte Anwalt hatte für einen Mandanten außergerichtlich gegen die beiden hiesigen Kläger als Gesamtschuldner eine Forderung von 150.000 Euro geltend gemacht (diese Forderung ist hier nicht gegenständlich). Zudem übersandte er beiden Klägern eine von ihm persönlich gestellte anwaltliche Kostenrechnung jeweils über eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus einem Wert von 150.000 Euro. Dass die Gebühr allenfalls einmal geschuldet werde, wurde nicht kenntlich gemacht. Die so in Anspruch Genommenen nahmen wegen der Kostenrechnungen anwaltliche Hilfe in Anspruch. Der Anwalt nahm trotz Aufforderung keinen Abstand von seinen Kostenrechnungen. Daraufhin erhoben sie gegen den Anwalt negative Feststellungsklage, dass ihm keine Gebührenforderungen gegen die Kläger zustünden, und verlangten die Erstattung der ihnen entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten. Das AG gab der Klage statt. Die negative Feststellungsklage sei zulässig und begründet, weil zwischen den Parteien unstreitig kein Anwaltsmandat bestanden habe. Daher könne dem Anwalt gegen die Kläger kein Honoraranspruch aus anwaltlicher Tätigkeit zustehen. Ein – etwaiger – Anspruch des Mandanten des Anwalts auf Erstattung seiner Rechtsverfolgungskosten, z.B. aus Verzug, sei nicht geltend gemacht worden. Ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Abwehrkosten der Kläger ergebe sich nicht aus § 280 I 1 JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 147
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