BRAK-Mitteilungen 3/2024

DIE BRAK IN BRÜSSEL RECHTSANWÄLTIN ASTRID GAMISCH, LL.M., ASS. JUR. NADJA WIETOSKA, ASS. JUR. FREDERIC BOOG, LL.M. UND ASS. JUR. SARAH PRATSCHER, BRAK, BRÜSSEL Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die Tätigkeit der BRAK auf europäischer Ebene im März und April 2024. RICHTLINIE GEGEN SEXUELLEN KINDESMISSBRAUCH Die BRAK hat im April 2024 Stellung zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs und sexueller Ausbeutung von Kindern genommen.1 1 BRAK-Stn.-Nr. 21/2024. Sie begrüßt ausdrücklich die Intention des Entwurfs sowie die darin vorgesehenen Neuerungen im Bereich von Prävention und Aufklärung. Kritisch bewertet sie Maßnahmen mit eher symbolischem Charakter und abstrakte Sanktionsdrohungen, solange die notwendige Aufhellung des Dunkelfeldes defizitär bleibt. Insbesondere gegen die detaillierten Vorgaben zur Höhe der Mindesthöchststrafen in den Art. 3 und 4 VII des Richtlinienvorschlags äußert die BRAK vor diesem Hintergrund Bedenken, weil sie mit tiefgreifenden Eingriffen in das strafrechtliche System der Mitgliedstaaten einhergehen können. Art. 17 III des Entwurfs sieht zudem vor, dass alle Fachkräfte, die engen Kontakt mit Kindern in bestimmten Bereichen haben, zu einer Meldung verpflichtet sind, wenn sie berechtigten Grund zu der Annahme einer Straftat im Sinne der Richtlinie haben. Dies würde auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gelten, die – beispielsweise in familienrechtlichen Verfahren – für ein betroffenes Kind tätig werden. Die anwaltliche Verschwiegenheit jedoch ist ein hohes rechtsstaatliches Gut, Kinder und Jugendliche müssen sich ihren Anwältinnen und Anwälten anvertrauen können. Die Richtlinie zielt außerdem auf eine Aktualisierung der bestehenden EU-Regelungen ab. Sie soll die bestehende Richtlinie um Definitionen von Straftatbeständen erweitern. MÜNDLICHE VERHANDLUNG EuG ZUM RECHTSDIENSTLEISTUNGSVERBOT IN RUSSLANDSANKTIONEN Im Oktober 2022 veröffentlichte die EU ihr 8. Sanktionspaket gegen Russland, enthalten waren dort auch Rechtsdienstleistungen. Mehrere belgische und französische Kammern sowie Anwaltsorganisationen klagten dagegen, die BRAK wurde Streithelferin. Am 12.3.2024 fand vor dem Gericht der EU (EuG) in den verbundenen Rechtssachen T 797/22, T-798/22 und T-828/22 die mündliche Verhandlung statt. Mit der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 bzw. ihren Überarbeitungen wurde verboten, direkt oder indirekt Rechtsberatungsdienste an die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen. Definiert werden dann Rechtsdienstleistungen und es gibt einen Katalog nicht erfasster anwaltlicher Tätigkeit, einem strikten Kriterium der Notwendigkeit entsprechend. Schließlich gibt es die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung für bestimmte Tätigkeiten zu beantragen. Diese Regelung wird nun durch belgische Anwaltskammern, die Kammer von Paris, deren ehemalige Präsidentin und den Wirtschaftsanwaltsverband ACE angegriffen. Die Klagen werden u.a. mit Verstößen gegen das Berufsgeheimnis in Art. 7 GRCh und gegen die anwaltliche Beratung in Art. 47 II GRCh begründet, im Lichte von Art. 2 EUV gelesen, in welchem das Rechtsstaatsprinzip verankert ist. Auch die BRAK hegt massive rechtsstaatliche Bedenken gegen das Sanktionspaket. Eingangs verurteilten alle Klägervertreter den russischen Angriffskrieg und betonten, dass es gerade nicht darum gehe, die Sanktionierung Russlands zu bewerten. Auch und gerade in einer Konfliktsituation müssten aber rechtsstaatliche Grundwerte aufrechterhalten werden. Im Zentrum der Argumentation stehen das allgemeine Verbot der Erbringung von Rechtsdienstleistungen in „unstrittigen“ Angelegenheiten und der Eingriff in das Berufsgeheimnis aufgrund der Pflicht zur Beantragung einer staatlichen Genehmigung, sollte der Anwalt in bestimmten Fällen tätig werden wollen. Massive Zweifel wurden ferner an der Verhältnismäßigkeit geäußert. Erörtert wurde u.a. die praktische Abtrennbarkeit von anwaltlichen Kernaufgaben und solchen „Nebentätigkeiten“. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. REGULIERUNG GRENZÜBERSCHREITENDER VEREINE Die Europäische Kommission hat am 6.9.2023 einen Richtlinienvorschlag zur Regulierung grenzüberschreitender Vereine vorgelegt.2 2 COM (2023) 516 final. Formuliertes Ziel ist dabei die Vereinfachung EU-weiter Aktivitäten grenzüberschreitender Vereine und die Stärkung ihrer Grundrechte. Zugleich soll der „Europäische grenzübergreifende Verein – European Cross-Border Association (ECBA)“ als neue und einheitliche Rechtsform eingeführt werden. Hierdurch werde dem Zustand begegnet, dass expandierende Vereine ohne Erwerbszweck sich derzeit je nach Umfang ihrer Tätigkeit entweder registrieren lassen oder eine Zweitniederlassung begründen müssen. Angeknüpft wird dabei an eine entsprechende Entschließung des Europäischen Parlaments v. 16.2.2023. BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 AUS DER ARBEIT DER BRAK 158

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