BRAK-Mitteilungen 3/2024

als Syndikusanwalt weder zum Zeitpunkt der Zulassung am 29.6.2016 noch zum Zeitpunkt des angefochtenen Widerrufsbescheides vorlagen. Denn nach dem BGHUrt. v. 7.12.2020, NJW 2021, 629 ff., hätte die Weisungsungebundenheit des Kl. als Syndikusanwalt nicht nur im Anstellungsvertrag sondern auch im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft, bei der der Kl. als Syndikusanwalt beschäftigt war, geregelt sein müssen. Eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung lag zu keinem Zeitpunkt des Beschäftigungsverhältnisses des Kl. vor. Aufgrund der Verzichtserklärung des Kl. v. 13.12.2023 widerrief die Bekl. mit Bescheid v. 20.12.2022 die Zulassung des Kl. erneut mit Wirkung zum 31.12.2022. Daraufhin erklärte der Kl. die Erledigung des Rechtsstreites mit Schriftsatz v. 28.12.2022. Die Bekl. widersprach der ihr am 7.2.2023 zugestellten Erledigungserklärung mit Schriftsatz v. 9.2.2023, der beim Gericht am 10.2. 2023 einging. AUS DEN GRÜNDEN: I. Die Klage hat Erfolg. Die Klage ist zulässig. Die statthafte Anfechtungsklage ist gem. § 112c I 1 BRAO, §§ 74 I 2, 81 VwGO form- und fristgerecht erhoben. Ein Widerspruchsverfahren der gem. § 42 VwGO, §§ 112 I, 112c I BRAO zulässigen Anfechtungsklage ist gem. § 68 I 2 VwGO i.V.m. § 26 V 1 AZG nicht erforderlich. Die Klage ist weiterhin begründet. Der angefochtene Bescheid ist materiell rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten (§ 112c BRAO, § 113 I VwGO). Der Widerrufsgrund des § 46b II 2 BRAO liegt nicht vor. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist nach § 46b II 2 BRAO ganz oder teilweise zu widerrufen, soweit die arbeitsvertragliche Gestaltung eines Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht mehr den Anforderungen des § 46 II-V BRAO entspricht. § 46 II-V BRAO setzen ein anwaltliches Tätigsein des Angestellten für seinen Arbeitgeber voraus, das durch fachlich unabhängige und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten geprägt ist. Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung der Bekl. weiterhin vor. Die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses entspricht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2022 weiterhin den Anforderungen des § 46 II-V BRAO. Das bisher diesen Anforderungen genügende Arbeitsverhältnis besteht trotz der Freistellungsphase mit allen arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten für den Kl. fort. Der Aufhebungs- und Altersteilzeitsvertrag ändert nicht die Kriterien, die den Anforderungen für eine Zulassung als Syndikusanwalt entsprechen. Weiterhin ist die Zulassung in der Freistellungsphase Kein Widerspruch zu den Anforderungen des § 46 II-V BRAO des Kl. als Syndikusanwalt nicht zu widerrufen, weil die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht mehr den Zulassungsvoraussetzungen entspricht. Die Zulassung zum Syndikusanwalt erfolgt sowohl nach dem Wortlaut der Norm, als auch nach der Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 18.3.2019 – AnwZ (Brfg) 6/18; BGH, Urt. v. 29.1.2018 – AnwZ (Brfg) 12/ 17, BGHZ 217, 226-237) und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5201) tätigkeitsbezogen. Es kommt also, wie die Bekl. zutreffend annimmt, beim Widerruf der Zulassung auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. ln der Freistellungsphase übt der Syndikusanwalt aber keine tatsächliche Tätigkeit mehr aus. Daher kann sie auch nicht im Widerspruch zu den Anforderungen des § 46 II-V BRAO stehen bzw. das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht überprüft werden. (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.2019 – AnwZ (Brfg) 6/18). Eine zeitlich begrenzte Unterbrechung der Tätigkeit nach § 46 II-V BRAO führt jedoch nicht gleich zwingend zu einem Widerruf der Zulassung (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.2019 – AnwZ (Brfg) 6/18). Die Freistellungsphase der Altersteilzeit und damit die Nichtausübung der Tätigkeit als Syndikusanwalt sind genau wie die Elternzeit im eben zitierten Fall des BGH zeitlich begrenzt bis zum Vertragsende. Zwar kehrt der Kl. nach der Freistellungsphase aufgrund ihrer Unwiderruflichkeit nicht an seinen Arbeitsplatz zurück, so wie es nach der Elternzeit grundsätzlich der Fall ist. Jedoch soll genau wie derjenige, der Elternzeit in Anspruch nimmt, auch der Freigestellte in der Altersteilzeit geschützt werden. Ihm soll nach § 1 Alt-TZG ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Er soll eben nicht durch Inanspruchnahme der Altersteilzeit schlechter gestellt werden. Der Kl. verliert durch den Widerruf allerdings die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies stellt weiterhin einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 3 I GG dar; denn es zeigt sich eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Syndikusrechtsanwälte gegenüber anderen Rechtsanwälten auf, die gem. § 6 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auch in der Freistellungsphase befreit sind. Es ist kein Grund ersichtlich, Syndikusanwälte in der Freistellungsphase anders zu behandeln. Zwar sind berufsrechtliche Beurteilungen unabhängig von renten-, sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen zu sehen. Allerdings sind diese eben widerspruchsfrei anzuwenden (vgl. BT-Drs. 55/21) und somit bei der Auslegung des § 46b II 2 BRAO zu beachten. Bei der Heranziehung des Willens des Gesetzgebers zur Auslegung der Norm ist zwar maßgeblicher Zeitpunkt der Erlass des Widerrufsbescheids, wie die Bekl. zutreffend ausführt. Jedoch kann auch zu diesem Zeitpunkt nicht davon auszugehen sein, dass der Gesetzgeber mit § 46b II 2 BRAO eine Benachteiligung des Syndikusanwalts in der Freistellungsphase gewollt hat. Es ist vorliegend keine, wie von der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5201) geforderte Aufgabe einer der Kriterien nach § 46 II-V BRAO gegeben. Eine solche, die zum Widerruf verpflichten würde, würde erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses nach dem 31.12.2022 vorliegen. BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 170

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