BRAK-Mitteilungen 3/2024

zugelassene Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet und dessen Funktionsfähigkeit vor der erstmaligen Nutzung nicht überprüft worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – I ZB 35/ 22, NJOZ 2023, 437 Rn. 14; Biallaß, NJW 2023, 25, 26). Professionelle Einreicher werden durch § 130d ZPO nicht von der Notwendigkeit entbunden, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten (vgl. BT-Drs. 17/ 12643, 28). Zu den notwendigen technischen Einrichtungen gehört dabei nicht nur ein entsprechendes Endgerät (Hardware), sondern auch die für den Betrieb des Endgeräts und die Einreichung elektronischer Dokumente jeweils erforderliche Software in der jeweils aktuellen Version. [15] Die Ast. hat sich jedoch in den Schriftsätzen v. 27. und 30.5.2022 nicht dazu geäußert, ob sie die so verstandenen technischen Einrichtungen vorgehalten hat. Sie ist auch nicht darauf eingegangen, ob sie – wie von der Zertifizierungsstelle vorgeschlagen – überhaupt versucht hat, mittels der ihr übersandten PUK die PIN-Eingabe zu entsperren, um anschließend entsprechend der Anleitung der Zertifizierungsstelle den Fehlbedienungszähler zurückzusetzen, ggf. auch unter Aktualisierung der Betriebssoftware des Endgeräts und der Betriebssoftware für die Einreichung von elektronischen Dokumenten. Vielmehr hat sie mit E-Mail v. 30.5.2022 an die Zertifizierungsstelle der BNotK mitgeteilt, dass „keine Dokumente signiert“ worden seien, „somit die übersandte PIN v. 15.2.2022 nicht eingesetzt und infolge auch nicht geändert“ worden sei. Danach legen die Angaben der Ast. den Schluss nahe, dass es sich bei der gescheiterten Übermittlung der Beschwerdebegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach offensichtlich um den erstmaligen Versuch der Verwendung der im Februar 2022 übersandten PIN und damit – zumindest möglicherweise – auch um den erstmaligen Versuch der Übermittlung eines elektronischen Dokuments an ein Gericht handelte und diese an der mangelnden Aktualisierung der Betriebssoftware gescheitert sein könnte. [16] Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann dabei dahinstehen, ob ein Rechtsanwalt in jedem Einzelfall dazu vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass die technischen Einrichtungen zur elektronischen Übermittlung ursprünglich gegeben und funktionstüchtig waren (Dutta/Jacoby/Schwab/Jacoby, FamFG, 4. Aufl., § 14b Rn. 4; Mantel, ArbRB 2023, 188, 191; Biallaß, NJW 2023, 25, 26). Denn jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – auf der Grundlage des Vorbringens des Rechtsanwalts davon auszugehen ist, dass Anlass zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bestand, diese jedoch unterblieben ist (vgl. BGH, Beschl. v. 15.12.2022 – I ZB 35/22, NJOZ 2023, 437 Rn. 14), muss der Rechtsanwalt darlegen, dass die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente ursprünglich vorhanden und einsatzfähig waren. [17] 2. Fehlt wie hier die Glaubhaftmachung nach fehlende Glaubhaftmachung = unwirksame Einreichung § 130d S. 3 Hs. 1 ZPO, so ist auch die Ersatzeinreichung unwirksam (vgl. Senatsbeschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22, FamRZ 2022, 1957 Rn. 18 m.w.N.). [18] II. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht der Ast. eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist verweigert. [19] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (Senatsbeschl. v. 1.3.2023 – XII ZB 228/22, FamRZ 2023, 879 Rn. 13 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, nachdem als Ursache für die Fristversäumung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die sich als Rechtsanwältin selbst vertretende Ast. die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente nicht vorgehalten hat. HINWEISE DER REDAKTION: Die Ersatzeinreichung von Schriftsätzen nach den allgemeinen Vorschriften ist zulässig, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Dabei spielt es zwar keine Rolle, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden liegt, weil auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtung der Anwältin oder des Anwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Durch die Einschränkungen „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird jedoch klargestellt, dass professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. S. dazu von Seltmann, BRAK-Magazin 6/2021, 12 f. (insb. zur Glaubhaftmachung), Jungk, BRAK-Mitt. 2022, 126 (130 ff.) sowie ausführlichNitschke, BRAK-Mitt. 2023, 74 (79 ff.). IRRTUM ÜBER DEN ZUSTELLUNGSZEITPUNKT EINES ELEKTRONISCHEN DOKUMENTS ZPO§173 1. Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses in Form eines strukturierten Datensatzes per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ist es erforderlich, dass auf Seiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 176

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