BRAK-Mitteilungen 3/2024

die Rechtsanwaltssozietät G., welcher der Bekl. selbst angehört. Das Berufungsgericht hat die zugleich beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.5.2023 gewährt. [2] Am 15.5.2023 ist eine auf denselben Tag datierte Berufungsbegründung als elektronisches Dokument beim LG eingegangen. Der Schriftsatz schließt am Ende mit dem maschinenschriftlich eingefügten Namen des Bekl. und dem Zusatz Rechtsanwalt ab. Der Schriftsatz ist zudem mit der qualifizierten elektronischen Signatur des ebenfalls der Sozietät des Bekl. angehörenden Rechtsanwalts J. versehen, über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach der Schriftsatz an das Gericht übermittelt wurde. [3] Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Bekl. mit seiner Rechtsbeschwerde. [4] II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. [5] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 I 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 I 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nach § 574 II Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kl. in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 II GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH, Beschl. v. 4.7.2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227; v. 24.11.2022 – IX ZB 9/22 Rn. 4 m.w.N.). [6] 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. [7] a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine rechtswirksame Berufungsbegründung sei nicht fristgemäß eingegangen. Das eingereichte elektronische Dokument genüge nicht den Vorgaben des § 130a III ZPO. Maßgeblich sei insoweit, dass Rechtsanwalt J. als derjenige, der die Berufungsbegründung qualifiziert signiert und aus seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt habe, in dem Schriftsatz selbst nicht als verantwortende Person in Erscheinung trete, zumal sich darin auch kein Vertretungsvermerk finde. Deshalb fehle es an einem nach außen in Erscheinung tretenden Bindeglied zwischen der auf den Namen des Bekl. lautenden einfachen Signatur und der qualifizierten elektronischen Signatur des weiteren Rechtsanwalts. Der Umstand, dass beide Rechtsanwälte Mitglied der gleichen Sozietät seien, die sich für den Bekl. zum Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren bestellt hat, sei unerheblich. [8] b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Bekl. hat seine Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist wirksam unter Beachtung der Anforderungen des § 130a III 1 Fall 1 ZPO begründet. [9] aa) Gemäß § 130a III 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a IV ZPO einreichen. [10] (1) Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht (BT-Drs. 17/ 12634, 25; BGH, Beschl. v. 3.5.2022 – 3 StR 89/22, wistra 2022, 389 Rn. 11; BAGE 172, 186 Rn. 16). Wird der Schriftsatz hingegen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entsprechen deren Rechtswirkungen unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift des Rechtsanwalts gem. § 130 Nr. 6 ZPO (BGH, Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11; v. 18.4.2023 – VI ZB 36/22, ZIP 2023, 1502 Rn. 16). Durch die Einreichung eines elektronischen Dokuments mit der qualifizierten Signatur eines Rechtsanwalts übernimmt dieser mithin nicht anders als bei einer handschriftlichen Unterzeichnung eines Schriftsatzes die Verantwortung für dessen Inhalt und ist daher verantwortende Person i.S.v. § 130a III Fall 1 ZPO (vgl. BAGE, a.a.O. Rn. 9). [11] (2) Der Übernahme der Verantwortung durch den Übernahme der Verantwortung qualifiziert elektronisch signierenden und von der Partei bevollmächtigten Rechtsanwalt für den Schriftsatzinhalt steht es nicht entgegen, dass das elektronische Dokument am Schluss seiner Ausführungen den Namen eines anderen Rechtsanwalts als Verfasser nennt. [12] (a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH war die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwalts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen bestimmenden Schriftsatz, wie etwa für eine Berufungsbegründungsschrift gem. §§ 520 V, 130 Nr. 6 ZPO. Damit sollte die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutete dies allerdings nicht, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden musste. Maßgeblich war vielmehr allein, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den ggf. von einem anderen formulierten Schriftsatz nach eigenverantwortELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 179

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0