BRAK-Mitteilungen 3/2024

NOTARRECHT ANWALTSNOTARRIAT: ANGESTELLTEM ANWALT FEHLT UNABHÄNGIGKEIT BRAO §§ 1, 46 I; BNotO §§ 5, 8, 9, 14 Die zur Bestellung als (Anwalts-)Notar erforderliche persönliche Eignung erfordert nicht nur eine fachliche, sondern auch eine persönliche Unabhängigkeit des Bewerbers um eine Notarstelle. Ein bei anderen Rechtsanwälten im Angestelltenverhältnis beschäftigter Rechtsanwalt besitzt diese persönliche Unabhängigkeit regelmäßig nicht. Daran ändert es nichts, wenn der angestellte Rechtsanwalt bereits eine herausgehobene Stellung erlangt hat (hier sog. „Counsel“). KG, Urt. v. 23.1.2024 – AR 3/23 Not AUS DEM TATBESTAND: Der am ...1978 geborene Kl. legte im Jahr 2006 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note „vollbefriedigend“ (11,15 Punkte) ab. Im April 2007 wurde er in Berlin als Rechtsanwalt zugelassen. Aufgrund der Vereinbarung v. 20./23.4.2007 (Bl. 4345 Verwaltungsvorgang der Bekl. 3835 E-G xx/20 KG, im Folgenden: VV) wurde er bei ... Partnerschaft von Rechtsanwälten (im Folgenden: ...) zum 1.5.2007 als Rechtsanwalt in Berlin eingestellt. Seit dem 1.1.2014 ist der Kl. dort mit dem Status eines „Counsel“ tätig. Neben Regelungen zu einem jährlichen Festgehalt und möglicher Bonuszahlungen heißt es in dem von dem Kl. angenommenen Angebot von ... v. 14.2.2014 wörtlich: „Das Anstellungsverhältnis ist mit dreimonatiger Frist zum Quartalsende kündbar. Mit Vollendung Ihres 60. Lebensjahres endet das Angestelltenverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Drei Jahre vor diesem Zeitpunkt werden wir Sie um eine schriftliche Bestätigung bitten. Die sonstigen Bedingungen Ihres Anstellungsverhältnisses bleiben unverändert.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 46 und 47 VV verwiesen. Am 15.2.2020 bestand der Kl. die notarielle Fachprüfung mit der Note „vollbefriedigend“ (9,28 Punkte). Mit Schreiben v. 25.11.2020 bewarb er sich um eine der im Amtsblatt für Berlin v. 16.10.2020 (ABl. S. 5248) ausgeschriebenen 157 Notarstellen für Bewerberinnen und Bewerber mit zweiter juristischer Staatsprüfung. In dem beigefügten Fragebogen erklärte der Kl. seine Bereitschaft, „mit dem Notaramt unvereinbare berufliche Verbindungen, Gesellschaftsbeteiligungen oder ähnliche Umstände für den Fall meiner Notarbestellung aufzugeben (§ 14 BNotO)“. Unter dem 25.1.2021 vereinbarte der Kl. im Hinblick auf seine Bewerbung als Notar mit ... ergänzende Regelungen zu dem „Counsel-Vertrag“ v. 14.2.2014. Darin heißt es wörtlich: „1. Im Falle seiner Bestellung zum Notar ist Herr ... berechtigt, das Notaramt unabhängig und frei von arbeitsrechtlichen Weisungen auszuüben. Er bleibt bei ... als Rechtsanwalt tätig und führt seine Notarstelle in den Geschäftsräumen der Sozietät in Berlin. 2. Herr ... ist insbesondere berechtigt, im Rahmen der berufsrechtlichen Vorgaben frei über die Annahme von Notariatsmandaten zu entscheiden. 3. ... wird auch im Hinblick auf die anwaltliche Tätigkeit von Herrn ... keine arbeitsrechtlichen Weisungen – etwa Weisungen zur Bearbeitung anderer Mandate – erteilen, soweit die Weisungen die notarielle Amtsausübung beeinträchtigen würden. 4. ... und Herr ... verpflichten sich, auch im Übrigen alles Erforderliche zu veranlassen, um die persönliche und eigenverantwortliche Amtsführung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als Notar sicherzustellen.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anl. K4 zum Schriftsatz v. 21.7.2023 verwiesen. In der Folgezeit tauschten die Parteien ihre unterschiedlichen Ansichten über das Erfordernis einer Änderung der rechtlichen Beziehungen des Kl. zu ... aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben des Bekl. v. 22.10.2021 (Bl. 29-30 VV), 16.6.2022 (Bl. 85-90 VV), 19.7.2022 (Bl. 91 VV), 6.9.2022 (Bl. 108-110 VV), 31.10.2022 (Bl. 138-142 VV) und 16.12.2022 (Bl. 152153 VV) sowie des Kl. v. 5.11.2021 (Bl. 34-35 VV), 4.8. 2022 (Bl. 98-103 VV), 4.10.2022 (Bl. 116-117 VV), 1.12. 2022 (Bl. 146-148 VV) und v. 2.2.2023 (Bl. 156 VV) verwiesen. Am 16.3.2023 bestellte der Bekl. den Kl. v. 1.4.2023 bis zum 31.3.2024 zum Verwalter für das Notariat ... Mit dem an den Kl. am 20.3.2023 zugestellten Bescheid v. 28.2.2023 hat der Bekl. mitgeteilt, dass die Bewerbung des Kl. um eine der ausgeschriebenen 157 Notarstellen nicht berücksichtigt werde, weil er für das Notaramt persönlich nicht geeignet sei. Die Art seiner Berufsausübung als angestellter Rechtsanwalt bei ... stehe einer Bestellung zum Notar entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (Bl. 6 bis 14 d.A.) verwiesen. Hiergegen richtet sich die am 13.4.2023 eingegangene Klage. Der Kl. trägt vor, seine anwaltliche Tätigkeit eigenverantwortlich und frei von Weisungen auszuüben. Er könne frei bestimmen, von welchem Ort er arbeite, soweit sich nicht aus dem jeweiligen Mandat bestimmte Anforderungen ergäben. Die Position als „Counsel“ unterscheide sich grundlegend von der Position eines gewöhnlichen angestellten Anwalts („Associates“). Ein Counsel habe innerhalb der Sozietät eine hervorgehobene und eigenständige Position. Associates seien einem oder mehreren Partnern zugeordnet und erhielten (hauptsächlich) von diesen Partnern Arbeitsaufträge. Für Counsel gebe es eine solche Anbindung nicht, BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2024 181

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