wurde nicht weiterverfolgt. Mit der Berufungsrechtfertigung v. 16.1.2023 führt die Generalstaatsanwaltschaft aus, dass sich der BGH allein zu den zivilrechtlichen Folgen einer unterbliebenen Weiterleitung geäußert und die Einordnung von § 43a V 2 BRAO a.F. als Schutzgesetz i.S.d. § 823 II BGB abgelehnt habe. II. Zu den persönlichen Verhältnissen hat der Senat folgende Feststellungen getroffen: Der Rechtsanwalt wurde am ... geboren und ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Er ist mit seiner Kanzlei unter der Adresse ... in ... tätig. Dem Rechtsanwalt ist berufsrechtlich bisher durch Bescheid der Hanseatischen RAK v. 15.10.2020 wegen Verletzung einer Pflicht der ordnungsgemäßen Zustellung (§ 14 BORA) eine Rüge erteilt worden. Dem Rügebescheid v. 15.10.2020 lag zugrunde, dass er im Verfahren vor dem AG Hamburg, Az. 12 C 165/17 für fünf Schriftstücke die Rücksendung von Empfangsbekenntnissen unterlassen hatte, sodass jeweils eine förmliche Zustellung erfolgen musste. III. Zur Sache hat der Senat folgende Feststellungen getroffen: In dem Fall aus dem Jahr 2016 ... der Rechtsanwalt von der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten einen Vorschuss von 1.116,16 Euro, erhalten. Nach Abschluss des Verfahrens zahlte die Versicherung des Prozessgegners 808,13 Euro an den Rechtsanwalt zum Ausgleich seiner Gebühren. Diesen Betrag leitete der Rechtsanwalt nicht an die Rechtsschutzversicherung weiter, sondern verrechnete ihn gegenüber dem Mandanten mit seinem Honorar. Von dieser Rechnung erhielt die Rechtsschutzversicherung eine Kopie. Im Nachgang verklagte die Rechtsschutzversicherung den Rechtsanwalt auf Zahlung von 808,13 Euro. Dagegen wehrte sich der Rechtsanwalt nicht, sondern akzeptierte ein entsprechendes Versäumnisurteil und leistete Zahlung. In einem aus dem Jahr 2012 stammenden Fall, den federführend ein angestellter Rechtsanwalt bearbeitete, der heute nicht mehr in der Kanzlei des Rechtsanwalts tätig ist, hat der Rechtsanwalt von der Rechtsschutzversicherung seiner Mandantin Leistungen i.H.v. 5.227,73 Euro erhalten. Zwar teilte er der Rechtsschutzversicherung mit, dass der Rechtsstreit durch Vergleich beendet wurde. Die erhaltene Gerichtskostenerstattung von 484 Euro kehrte er jedoch nicht an die Rechtsschutzversicherung aus, sondern verrechnete diese mit seinem Honoraranspruch. Eine Kopie der entsprechenden Abrechnung gegenüber der Mandantin leitete der Rechtsanwalt der Rechtsschutzversicherung zu. Diese machte im Wege der Klage gegenüber dem Rechtsanwalt einen Erstattungsanspruch von 484 Euro geltend. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, in dem sich der Rechtsanwalt verpflichtete, 330 Euro an die Rechtsschutzversicherung zu zahlen. Der Rechtsanwalt handelte in beiden Fällen in der – rechtsirrigen – Vorstellung, dass er berechtigt sei, gegenüber seinen Mandanten mit eigenen Honorarforderungen aufzurechnen. Zudem habe nur der Mandant zu bestimmen, an wen Gelder ausgezahlt werden. Ihm habe nicht nur das Recht zur Aufrechnung, sondern auch ein Zurückbehaltungsrecht zur Seite gestanden. Da auch verschiedene Aufsätze der Fachliteratur sein Verhalten als rechtmäßig eingeschätzt haben, hätte er nicht wissen können bzw. müssen, dass er zur Auskehrung des Geldes an die jeweilige Rechtsschutzversicherung verpflichtet gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als auch das Hamburgische AnwG seine Auffassung geteilt habe und die Hanseatische Rechtsanwaltskammer das Urteil im Kammerreport mit dem Hinweis veröffentlicht habe, gegenüber einer Rechtsschutzversicherung bestehe keine Rückzahlungspflicht. Tatsächlich wurden die vorstehenden Rechtsfragen in der Literatur und in der Instanzrechtsprechung zum Tatzeitpunkt unterschiedlich beurteilt; eine höchstrichterliche Klärung stand zu diesem Zeitpunkt noch aus (vgl. im Einzelnen unter Ziff. V.2.). IV. Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Rechtsanwalts. Soweit er sich dahingehend eingelassen hat, zum Tatzeitpunkt von der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens ausgegangen zu sein, hält der Senat dies für glaubhaft, denn dies steht im Einklang mit dem Umstand, dass auch die juristische Fachliteratur und die Rechtsprechung zumindest zum Teil diese Auffassung vertreten haben. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt die von den Versicherern gerichtlich geltend gemachten Forderungen schließlich ganz oder teilweise akzeptiert hat – sei es im Vergleichswege oder dadurch, dass er keinen Rechtbehelf gegen das Versäumnisurteil eingelegt hat. Insoweit hat sich der Rechtsanwalt dahingehend eingelassen, dass er sich aus wirtschaftlichen Gründen dagegen entschieden habe, seiner Auffassung gerichtlich Geltung zu verschaffen. Dies erscheint angesichts der überschaubaren Streitwerte und im Hinblick auf den Umstand, dass in Rechtsprechung und Literatur zum Teil auch abweichende Auffassungen vertreten wurden, nicht unplausibel. V. Der vom Senat in der Berufungshauptverhandlung festgestellte Sachverhalt rechtfertigt keine berufsrechtlichen Sanktionen, so dass der Rechtsanwalt aus Rechtsgründen freizusprechen und die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft zu verwerfen war. Zwar hat der Rechtsanwalt – entgegen der Auffassung des anwaltsgerichtlichen Urteils – objektiv gegen seine Berufspflichten aus § 43a V 2 BRAO a.F. verstoßen (1.). Er befand sich dabei aber in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB und handelte infolgedessen ohne Schuld (2.). 1.a) Der Anwendungsbereich des § 43a V 2 BRAO a.F. § 43a V 2 BRAO a.F. war anwendbar ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch bei Fremdgeldern der Rechtsschutzversicherung eröffnet. An dem Wortlaut des § 43a V BRAO a.F. wurden durch die Reform der BRAO im Jahr 2021 (Gesetz v. 7.7.2021, BGBl. 2021, 2363-2438, in Kraft getreten am 1.8.2022) keine Änderungen vorgenommen; § 43a V BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2024 231
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