BRAK-Mitteilungen 4/2024

BRAO a.F. hat durch die Einfügung von zwei neuen Absätzen lediglich eine neue Absatznummer erhalten. Die anwaltliche Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeldern ist eine der in § 43a BRAO normierten Grundpflichten des Rechtsanwalts. Die anwaltsgerichtliche Rechtsprechung nimmt an, dass der gewissenhafte und korrekte Umgang des Anwalts mit ihm anvertrauten Geldern zu den Kernpflichten eines Rechtsanwalts gehört. Eine Verletzung dieser Kernpflichten durch die vorsätzliche Begehung von Straftaten fügt dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft schwere Nachteile zu, da sie das Vertrauen in die Kompetenz und Integrität der Anwaltschaft beeinträchtigt und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege stört (vgl. Niedersächsischer AGH, BRAK-Mitt. 2010, 174, 177). Nach § 43a V BRAO a.F. (gleichlautend mit § 43a VII BRAO n.F.) ist der Rechtsanwalt bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen. Eine Einschränkung auf Verstöße im Verhältnis zum Mandanten bzw. in Bezug auf Fremdgeld, welches dem Mandanten zusteht, besteht nicht. Seinem Wortlaut nach begrenzt § 43a V BRAO a.F. die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeld nicht auf Mandantengelder. Fremde Gelder sind nach Satz 2 unverzüglich „an den Empfangsberechtigten“ weiterzuleiten. Gleiches gilt für § 4 BORA, der die Regelung in § 43a V BRAO a.F. konkretisiert. Danach sind Fremdgelder und sonstige Vermögenswerte, insb. Wertpapiere und andere geldwerte Urkunden, unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich keine Begrenzung der Pflicht nach § 43a V BRAO a.F., § 4 BORA auf Mandantengelder oder auf eine Einhaltung der Pflicht nur im Mandanteninteresse. Nach der Gesetzesbegründung resultiert die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts beim Umgang mit fremden Vermögenswerten aus dem vertraglichen Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten und der Erwartung in die uneingeschränkte Integrität des Rechtsanwalts in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege. Satz 2, so die Gesetzesbegründung weiter, enthält zudem eine ausdrückliche Regelung zum berufsgerechten Umgang mit Fremdgeld (vgl. BT-Drs. 12/4993, 28). Ähnlich wie bei der anwaltlichen Verschwiegenheitskeine Begrenzung auf Mandantengelder pflicht schützt von § 43a V BRAO a.F. das allgemeine Vertrauen in die Korrektheit und Integrität der Anwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damit zugleich die Funktion der Anwaltschaft in der Rechtspflege. Dieses Interesse rechtfertigt es, die Pflicht zur Weiterleitung von Fremdgeld zusätzlich in den Rang einer öffentlich-rechtlichen Berufspflicht zu erheben (so auch Henssler, in Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 43a BRAO Rn. 219; Träger, in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 43a Rn. 85; ähnlich Jacklowsky, in Hartung/Scharmer, BRAO, § 43a Rn. 307). Fremdgelder i.S.d. § 43 V 2 BRAO a.F. sind daher nicht nur Mandantengelder, sondern auch Fremdgelder der Versicherung (insb. Zahlungen auf Kostenerstattungsansprüche), die an diese weiterzureichen sind (vgl. Lensing, in Höra/Schubach, Münchener Anwaltshdb. Versicherungsrecht, § 27 Rn. 683). Dem wird entgegnet, dass der Fremdgeldschutz des § 43a BORA sich nicht auf am Ende des Verfahrens ausgekehrte Gelder der Staatskasse (die zuvor von einem Dritten, dem Rechtsschutzversicherer, in die Gerichtskasse einbezahlt worden waren) erstrecke, da diese dem Rechtsanwalt nicht vom Mandanten „anvertraut“ seien (vgl. Graf/Johannes, VersR 2021, 1372, 1378). Diese Begründung kann nicht überzeugen. Dem Rechtsanwalt „anvertraut“ ist ein Vermögenswert, soweit er ihn im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit erlangt hat. Einbezogen werden auch Vermögenswerte, die Dritte dem Anwalt übermittelt haben (Praß, in Römermann, BeckOK, 20. Aufl. 2022, § 43a Rn. 242; Henssler, in Henssler/Prütting, BRAO § 43a Rn. 223). Von Dritten stammende Vermögenswerte sind dem Anwalt vom Mandanten anvertraut, weil der Mandant ihn ermächtigt hat, diese entgegenzunehmen (Henssler, in Henssler/Prütting, BRAO § 43a Rn. 223). Aus dem Urteil des BGH v. 23.7.2019 – VI ZR 307/18, VersR 2019, 1378 (= NJW 2019, 3003) folgt entgegen dem mit der Berufung angegriffenen Urteil des Hamburgischen AnwG nichts anderes. Auch der BGH hat angenommen, dass „empfangsberechtigt“ i.S.d. § 43 V 2 BRAO a.F. dritte Personen sein können, die als Teil der Allgemeinheit ebenfalls auf die Integrität des Anwalts in finanziellen Fragen vertrauen. Geschützt wird das allgemeine Vertrauen in die Korrektheit und Integrität der Anwaltschaft in allen finanziellen Fragen und damit zugleich die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft in der Rechtspflege. Dieses Allgemeininteresse rechtfertigt es, die Einhaltung rein zivilrechtlicher Pflichten aus dem Anwaltsvertrag zusätzlich als berufsrechtliche Pflichten auszugestalten und deren Verletzung anwaltsgerichtlich zu ahnden (BGH, a.a.O.). Abgelehnt hat der BGH allein die Eigenschaft eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 II BGB und damit eine deliktische, zivilrechtliche Haftung zugunsten des Rechtsschutzversicherers, für die kein Bedürfnis bestehe. b) Der Rechtsanwalt hat vorliegend auch § 43a V Verstoß gegen § 43a V BRAO a.F. BRAO a.F. verletzt. Bei den von dem Rechtsanwalt empfangenen Geldbeträgen (ausgekehrte Gerichtskostenvorschüsse bzw. von der Gegenseite erstattete Kosten) handelt es sich um Gelder, die den Rechtsschutzversicherungen als Berechtigte zustanden und somit für den Rechtsanwalt fremd waren. Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 VVG gilt (BGH, Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 76/20, NJW 2021, 2589, 2592 m.w.N.; NJW 2019, 3003, 3004). § 86 VVG ordnet einen gesetzBRAK-MITTEILUNGEN 4/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 232

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