lichen Forderungsübergang i.S.d. § 412 BGB an. Hat der Rechtsschutzversicherer Gerichtskosten gezahlt und erstattet die Gerichtskasse unverbrauchte Gerichtskosten an den Rechtsanwalt, geht der Herausgabeanspruch des rechtsschutzversicherten Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt aus §§ 675, 667 BGB auf den Versicherer über, ohne dass sich der Mandant auf ein sog. Quotenvorrecht berufen kann (BGH, Urt. v. 10.6.2021 – IX ZR 76/20, NJW 2021, 2589, 2592 Rn. 23 m.w.N.; Schneider, in Harbauer, Rechtsschutzversicherung: ARB, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 17 Rn. 185 m.w.N.). Dasselbe gilt für Zahlungen des Prozessgegners auf Kostenfestsetzungsbeschlüsse. Soweit der Rechtsschutzversicherer für die Kosten des Rechtsstreits Zahlungen erbracht hat, geht der Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegen den unterlegenen Gegner auf den Rechtsschutzversicherer über (BGH, NJW 2019, 3003, 3004 Rn. 8, OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 10064 Rn. 7; Schneider, in Harbauer, a.a.O., § 17 Rn. 182 m.w.N.). Die vom Rechtsanwalt vorgenommene Aufrechnung dem Mandanten gegenüber führte hier nach § 412 BGB i.V.m. § 407 I BGB nicht zum Erlöschen der Forderungen gegenüber dem Rechtsschutzversicherer, da der Rechtsanwalt von dem Forderungsübergang Kenntnis hatte. Der BGH hat zwar anerkannt, dass eine Aufrechnung mit eigenen Gebühren des Rechtsanwalts gegen den Versicherungsnehmer unter den Voraussetzungen der §§ 406, 407 BGB in Betracht kommen kann (NJW 2021, 2589, 2591 Rn. 32 insoweit zustimmend Graf/ Johannes, VersR 2021, 1372, 1378). Nach § 407 I 2. Var. BGB muss sich der neue Gläubiger ein Rechtsgeschäft, das der Schuldner nach der Abtretung in Ansehung der Forderung vornimmt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung bzw. bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Danach muss die Rechtsschutzversicherung die Aufrechnung gegen sich gelten lassen, es sei denn der Rechtsanwalt hatte Kenntnis von der Abtretung. § 407 I BGB erfordert dabei grundsätzlich positive Kenntnis. Grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Bei einem gesetzlichen Forderungsübergang sind an die Kenntnis keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Lieder, in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOK Großkommentar, § 407 Rn. 71; BGH, NJW 1996, 726, 729 unter 2; NJW 1994, 3097, 3099 unter 2.a); OLG München, NJOZ 2011, 1046). Es genügt die Kenntnis der zugrundeliegenden, den Forderungsübergang begründenden Tatsachen (BGH, NJW 1996, 726, 729 unter 2; OLG München, NJOZ 2011, 1046). Jedenfalls in der Sache ... hatte der Rechtsanwalt auch positive Kenntnis von den Tatsachen, die dem gesetzlichen Forderungsübergang der Kostenerstattungsansprüche an die Rechtsschutzversicherung zugrunde lagen. Aufgrund seiner Kenntnis von der Deckungszusage und Vorschusszahlung durch die Rechtsschutzversicherung wurde er nach § 86 VVG i.V.m. §§ 412, 407 BGB nicht von seiner Leistungspflicht befreit. Er hätte daher die empfangenen Gelder der Rechtsschutzversicherung auszahlen müssen und durfte diese nicht mit weitergehenden Honoraransprüchen gegen den Mandanten verrechnen. 2. Allerdings unterlag der Rechtsanwalt vorliegend entschuldigender Verbotsirrtum einem Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB. Gemäß § 17 S. 1 StGB entschuldigt ein Verbotsirrtum den Täter, wenn er diesen nicht vermeiden konnte. Ein Verbotsirrtum kommt nur in Betracht, wenn dem Angeschuldigten die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rspr. des BGH braucht der Täter die Strafbarkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (vgl. BGH, Beschl. v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, NJW 2008, 1827, 1830; Urt. v. 11.10.2012 – 1 StR 213/10, NJW 2013, 93, 96, jeweils m.w.N.). Ein Verbotsirrtum ist unvermeidbar, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens und unter Einsatz aller seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen die Einsicht in das Unrechtmäßige nicht zu gewinnen vermochte. Ist der Täter geschäftlich tätig, gelten für ihn besondere Erkundigungspflichten (BGH, Beschl. v. 2.4.2008 – 5 StR 354/07, NJW 2008, 1827, 1830; Urt. v. 13.12.1995 – 3 StR 514/95, NStZ 1996, 236, 237; LK-StGB/Vogel/Bülte, Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 17 Rn. 56). Diese Erkundigungspflichten enthalten auch eine „Pflicht zur Aktualisierung“ im Hinblick auf relevante Rechtsänderungen und beziehen sich damit auf diejenigen Tatbestände des Kernstrafrechts, deren Schutzgüter nach allgemeiner Lebenserfahrung durch die spezifische Berufsausübung in besonderer Weise gefährdet werden können (vgl. Matt/Renzikowski/Gaede, StGB, 2. Aufl. 2020, § 17 Rn. 27; Kaspar, in Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 17 Rn. 32 f.; Sternberg-Lieben/Schuster, in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 17 Rn. 17). Für Rechtsanwälte sind umso höhere Anforderungen an die Erkundigungspflicht zu stellen, da sie qua ihres Berufsstandes das Recht selbst anwenden und damit berufliche Pflichten einhergehen. Hat der Täter seiner Erkundigungspflicht nicht genügt, so setzt die Feststellung von Vermeidbarkeit allerdings voraus, dass die Erkundigung zu einer richtigen Auskunft geführt hätte, was in Fällen einer unklaren, erst durch spätere höchstrichterliche Spruchpraxis aufgeklärte Rechtslage regelmäßig zu verneinen ist (vgl. BGHSt 37, 55 ff. (67)). Daher ist von der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums jedenfalls dann auszugehen, wenn die Rechtslage unterschiedlich beurteilt wird und eine höchstrichterliche Entscheidung dazu noch nicht ergangen ist (vgl. Joecks/Kulhanek, in MüKoStGB, § 17, Rn. 25 und 42; Roxin, GA 2018, 494, 498 ff.). So liegt es hier. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungen des Rechtsanwalts gegenüber seinen Mandanten bestand BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2024 233
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