[12] bb) Der AGH hat zu Recht dahinstehen lassen, ob nicht unverhältnismäßig von einer in einem Gesetz vorgesehenen gebundenen Entscheidung (ausnahmsweise) aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgewichen werden kann. Seine sorgfältig und umfassend begründete Auffassung, der Widerruf der Aufnahme des Kl. in die Bekl. sei verhältnismäßig, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. [13] In diesem Zusammenhang bedarf es ebenfalls keiner Entscheidung, ob im Fall des Widerrufs einer Aufnahme in die RAK gem. § 4 II 1 EuRAG für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit und insb. der Verhältnismäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen ist (so für den Widerruf einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 II Nr. 7 BRAO: Senat, Beschl. v. 1.2. 2021 – AnwZ (Brfg) 34/20 Rn. 6 und v. 29.6.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) oder ob insofern auch nachträgliche Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Denn auch im letzten Fall erweist sich der Widerruf als verhältnismäßig, insb. – entgegen der Auffassung des Kl. – als angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne; nachfolgend zu (2) (a) (dd)). [14] (1) Zutreffend ist der AGH davon ausgegangen, kein atypischer Fall dass im Hinblick auf den Kl. kein atypischer Fall gegeben ist, den der Gesetzgeber nicht vor Augen hatte. Der Kl. irrt, wenn er meint, der Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit in Grundrechtseingriffe beschränke sich bei britischen Staatsangehörigen – im Unterschied zu ihm als deutschem Staatsangehörigen – auf Art. 3 GG. Die Unanwendbarkeit des Art. 12 I GG auf Ausländer bedeutet nicht, dass die Verfassung sie in diesem Bereich schutzlos lässt oder ihre Rechte auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG beschränkt. Der systemgerechte Ansatz liegt vielmehr bei dem subsidiären allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 I GG (BVerfG, NJW 1988, 2290, 2291; BVerfGE 104, 337, 345 f.; Senat, Urt. v. 22.5.2023 – AnwZ (Brfg) 23/22, BRAK-Mitt. 2023, 313 Rn. 36). Insofern sind erhebliche, eine Atypizität begründende Unterschiede hinsichtlich des einem deutschen Staatsbürger im Unterschied zu einem britischen Staatsbürger zukommenden grundrechtlichen Schutzniveaus in der konkret vorliegenden Konstellation nicht ersichtlich und werden vom Kl. auch nicht dargelegt. [15] Soweit der Kl. geltend macht, es habe für die „Brexit-Folgenregelung“ keine Übergangsregelungen gegeben, trifft dies nicht zu. Vielmehr enthält Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Abl. EU C 384 I v. 12.11.2019, S. 1) einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020. Soweit der Kl. darüber hinaus meint, der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebiete für die Exekutive, im Rahmen der Individualprüfung in Ausnahmefällen auf einen Widerruf der Aufnahme zu verzichten, führt er dies nicht näher aus und sind hierfür vorliegend auch keine Gründe ersichtlich. [16] (2) Der Widerruf der Aufnahme des Kl. in die Bekl. erweist sich nicht im Hinblick auf die Schwere dieses Eingriffs in die Berufsfreiheit des Kl. als unangemessen. [17] (a) Der AGH hat seiner Entscheidung zugrunde gekein unangemessener Eingriff in die Berufsfreiheit legt, dass der Widerruf der Kammeraufnahme einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit des Kl. darstellt. Ebenso zutreffend hat er jedoch eine existenzvernichtende Wirkung des Eingriffs verneint. [18] (aa) Zu Recht und vom Kl. nicht angegriffen hat der AGH ausgeführt, dass die Eingriffsintensität dadurch verringert wird, dass der Kl. – auf der Grundlage seines Vortrags – mit Aussicht auf Erfolg einen Antrag auf Eingliederung nach §§ 11 ff. EuRAG hätte stellen können. Aus dem klägerischen Vortrag folgt, dass er mehr als drei Jahre als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland und auf dem Gebiet des deutschen und des europäischen Rechts tätig war (vgl. § 11 I 1 EuRAG). Wenn der Kl. geltend macht, ohne die Berechtigung zur Beratung im deutschen Recht und Gemeinschaftsrecht sei seine wirtschaftliche Existenz ganz erheblich beeinträchtigt, lässt dies den Schluss zu, dass er in den genannten Rechtsgebieten eine „effektive und regelmäßige Tätigkeit“ (§ 11 I 1 EuRAG) ausgeübt hat. Zutreffend hat der AGH in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Einfügung des § 4 II 1 Alt. 2 EuRAG für den Kl. absehbar war und ihm daher rechtzeitig – zur Vermeidung der mit dem Widerruf der Aufnahme in die Bekl. verbundenen erheblichen beruflichen und wirtschaftlichen Folgen – ein Antrag auf Eingliederung möglich gewesen wäre. [19] (bb) Ähnliches gilt für einen Antrag des Kl. auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation gem. § 16 ff. EuRAG. Auch insofern ist angesichts des Vortrags des Kl. zu seiner Erfahrung und seinen Kenntnissen im deutschen Recht nicht ersichtlich, weshalb ein solcher Antrag, wenn der Kl. ihn rechtzeitig gestellt hätte – ggf. nach Ablegung einer Eignungsprüfung (§ 16a III EuRAG) –, ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Im Falle seines Erfolgs wäre die Intensität des Grundrechtseingriffs in Gestalt des Widerrufs der Aufnahme des Kl. in die Bekl. ebenfalls erheblich gemindert gewesen. [20] (cc) Schließlich ist es, wie der AGH zutreffend ausAufnahme nach § 206 BRAO möglich führt, dem Kl. unbenommen, gem. §§ 206 I und II, 207 I BRAO die Aufnahme in die Bekl. als sog. „WHORechtsanwalt” zu beantragen. Zwar wäre in diesem Fall seine Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen gem. § 206 III Nr. 1 BRAO auf das Recht des Herkunftsstaats und des Völkerrechts beschränkt. Durch eine solche Befugnis würde aber – wenn auch in beschränktem Umfang – ebenfalls die Intensität des BRAK-MITTEILUNGEN 4/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 236
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