Grundrechtseingriffs in Gestalt des Widerrufs der Aufnahme des Kl. in die Bekl. gemindert. [21] (dd) Ob in vorliegendem Zusammenhang die – nach der letzten behördlichen Entscheidung und nach der mündlichen Verhandlung vor dem AGH eingetretene – Änderung der beruflichen Tätigkeit des Kl. infolge der Insolvenz der I. zu berücksichtigen ist (s.o. zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachund Rechtslage), kann offenbleiben. Denn selbst, wenn dies der Fall sein sollte, folgt daraus nicht, dass der Widerruf der Aufnahme des Kl. in die Bekl. unverhältnismäßig ist. [22] Der Kl. trägt in der Begründung seines Antrages auf Zulassung der Berufung vor, über das Vermögen der in L. ansässigen I. sei ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mitte März 2023 hätten sich die Geschäftsführung und Gesellschafter der I. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, bei der er tätig gewesen sei, entschieden, die Kooperationsvereinbarungen mit dem I.- Netzwerk zu beenden. Die in H. ansässige Gesellschaft sei in A. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH umfirmiert worden. Der Kl. – ohne dies näher zu konkretisieren – weiter vor, die Maßnahmen zur Umfirmierung und Umstrukturierung der I. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hätten schließlich dazu geführt, dass er aus der Rechtsanwaltsgesellschaft ausgeschieden sei und nunmehr in Einzelkanzlei unter He. in H. tätig sei. Es bestehe für ihn nicht mehr die – vom AGH erwogene (S. 11 f. des angefochtenen Urteils) – Möglichkeit, seine Beratungspraxis zu ändern und gemeinsam mit deutschen Rechtsanwälten die der Rechtsanwaltsgesellschaft übertragenen Mandate im Team zu bearbeiten. [23] Hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine existenzvernichtende Wirkung des Widerrufs der Aufnahme des Kl. in die Bekl. [24] Aus dem Vortrag des Kl. wird bereits nicht deutlich, aus welchem Grund die von ihm geschilderten Vorgänge um die Umfirmierung und Umstrukturierung der I. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zu seinem Ausscheiden aus dieser Gesellschaft geführt haben und weshalb auch nach seinem Ausscheiden eine Zusammenarbeit mit den deutschen Rechtsanwälten dieser in A. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH umfirmierten Gesellschaft oder anderen deutschen Rechtsanwälten in dem vom AGH beschriebenen Sinne (Konzentration der Tätigkeit des Kl. auf die Beratung im englischen Recht) nicht möglich sein soll. Dies gilt umso mehr, als sowohl die Kanzlei des Kl. als auch diejenige der A. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH unter derselben Geschäftsadresse ansässig sind (G. in H.) und in ihren Internetauftritten auf eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Kanzlei hinweisen (https://he.../und https://a.../). [25] Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn bereits die vorstehend (unter (aa) bis (cc)) dargestellten Möglichkeiten der Eingliederung nach §§ 11 ff. EuRAG, der Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation gem. §§ 16 ff. EuRAG und der Aufnahme in die Bekl. als sog. „WHO-Rechtanwalt“ gem. §§ 206 I und II, 207 I BRAO, die dem Kl. – jedenfalls auf der Grundlage seines Vortrags – offenstanden, lassen den Widerruf der Aufnahme in die Bekl. nicht als unverhältnismäßig erscheinen. Die Eingliederung und die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation hätten zur Zulassung des Kl. zur Rechtsanwaltschaft geführt (§§ 11 I 1, 16a V EuRAG) und ihn hinsichtlich des Umfangs der ihm erlaubten Rechtsdienstleistungen dem in eine RAK aufgenommenen europäischen Rechtsanwalt gleichgestellt. [26] (b) Die durch den Widerruf der Aufnahme in eine RAK geschützte Funktionsfähigkeit der deutschen Rechtspflege und der ebenfalls hierdurch bewirkte Schutz der Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen sind überragende Gemeinschaftsgüter, die die vorliegende – in ihrer grundrechtlichen Einordnung hier unterstellte (ebenso S. 11 des angefochtenen Urteils) – subjektive Berufswahlregelung zu rechtfertigen vermögen (vgl. Senat, Urt. v. 22.5.2023, a.a.O. Rn. 61). Der AGH hat zutreffend ausgeführt, dass im Falle von nur im Ausland zugelassenen Rechtsanwälten eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege darin liegt, dass diese Rechtsanwälte über keine mit in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälten vergleichbare – durch formalisierte Nachweise dokumentierte – Qualifikation verfügen. Sollte der Kl. durch seine langjährige Tätigkeit als Solicitor in Deutschland und seine in dieser Zeit erfolgte Befassung mit dem deutschen Recht eine inhaltlich dem deutschen Rechtsanwalt vergleichbare Qualifikation erworben haben, hätte es ihm freigestanden, dies im Rahmen eines Antrages auf Eingliederung (§ 11 I 1 EuRAG) oder auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation (§ 16 I 1 EuRAG) formell nachzuweisen. Allein seine langjährige beanstandungsfreie Tätigkeit als Solicitor in Deutschland genügt zu einem solchen Nachweis nicht. Denn sie bedeutet nicht zwingend eine hinreichende Befassung mit dem deutschen Recht. Der Umstand, dass der Kl. dennoch in Deutschland als (europäischer) Rechtsanwalt tätig werden durfte, war – wie der AGH zutreffend erkannt hat – allein der Bindung an das europäische Recht geschuldet. Nachdem letzteres auf britische Juristen keine Anwendung mehr findet, gelten auch in Bezug auf den Kl. die vorgenannten Grundsätze zum Schutz der Funktionsfähigkeit der deutschen Rechtspflege und der Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen als überragenden Gemeinschaftsgütern. [27] (c) Bei Abwägung der für diese Gemeinschaftsgüauch verhältnismäßig im engeren Sinne ter bestehenden Gefahren mit dem grundrechtlich geschützten Interesse des Kl. erweist sich nach alledem der Widerruf der Aufnahme des Kl. in die Bekl. als angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne). [28] 2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 2 VwGO). Dieser ZulassungsZULASSUNG BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 4/2024 237
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