BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

AUFSÄTZE BERUFSKAMMERN UND DAS HINWEISGEBERSCHUTZGESETZ KONSTANTIN NEUBERT* * Der Autor war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung von Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke, LL.M. (NYU) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er absolviert derzeit ein LL.M.-Studium an der Harvard Law School. Durch die Aufgabe und Funktion der Berufskammern als Aufsichtsbehörden der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Notarinnen und Notare ergeben sich Situationen, in denen Angestellte der Berufskammern Informationen erlangen können, die dem auch unter dem Hinweisgeberschutzgesetz geschützten Verhältnis zwischen Mandant und Berufsträger entspringen. In Frage steht, inwiefern Angestellte der Berufskammern von den Bereichsausnahmen des Hinweisgeberschutzgesetzes erfasst und damit Mandantengeheimnisse auch bei Beteiligung der Berufskammern vertraulich bleiben. I. PROBLEMAUFRISS: HINWEISGEBERSCHUTZ IN DEN BERUFSKAMMERN Die Whistleblowing-Richtlinie1 1 Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10. 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ABl. v. 26.11.2019, L 305, 1, im Folgenden WBRL. – und entsprechend das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (HinSchG)2 2 BGBl. 2023 I Nr. 140 v. 2.6.2023. – sollen sich nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit zwischen Rechtsanwalt und Mandant auswirken.3 3 Erwägungsgrund 26 WBRL. Daher sieht § 5 II Nr. 3 HinSchG eine entsprechende Bereichsausnahme vor. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte werden daher grundsätzlich nicht nach dem HinSchG geschützt, wenn sie Informationen ihrer Mandanten melden oder offenlegen.4 4 Für die Sonderkonstellation der Due-Diligence-Prüfung in Übernahmesituationen s. Neubert, NZG 2024, 56. Trotz dieser klaren Regelung verbleiben Fragen, die zu Problemen bei der rechtssicheren Handhabung des HinSchG für die Berufskammern führen können. Für die Notarkammern hat die Bundesnotarkammer (BNotK) mit einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des HinSchG auf diese Probleme hingewiesen,5 5 Stn. der BNotK zum Referentenentwurf des HinSchG v. 11.5.2022. ohne dass das federführende Bundesministerium der Justiz oder der Gesetzgeber hierauf reagiert hätten. Konkret geht es um Konstellationen, in denen die Notarin oder der Notar etwa auf Anfrage der Notarkammer als Aufsichtsbehörde nach §§ 67 I 2, 74 I BNotO eine Auskunft erteilt oder selbst die Kammer um Rat bei der Behandlung einer Mandantenangelegenheit bittet und dabei gleichzeitig Mandanteninformationen preisgibt.6 6 Vgl. Stn. der BNotK zum Referentenentwurf des HinSchG v. 11.5.2022, S. 3 f. Solchen Auskünften oder Mitteilungen an die Notarkammer steht die grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht der Notare aus § 18 BNotO nicht entgegen, da einerseits die Informationen zur Wahrnehmung der Unterstützungsaufgaben der Aufsichtsbehörde nach § 67 I 2 BNotO erforderlich sein kann und andererseits die Vertraulichkeit der Information durch die Verschwiegenheitspflicht der Beschäftigten der Notarkammer aus § 69a BNotO gewährleistet ist.7 7 BeckOK BNotO/von Stralendorff, 9. Ed., 1.2.2024, BNotO § 69a Rn. 1; Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora/Mack, 2023, BNotO, § 18 Rn. 82; Stn. der BNotK zum Referentenentwurf des HinSchG, 11.5.2022, S. 3. Parallel hierzu stellt sich das Problem auch für die anwaltlichen Berufskammern, denn auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unterstehen nach §§ 56 I, 57, 73 II Nr. 4 BRAO der Aufsicht durch die Kammer und deren Vorstand. Sie müssen daher dem Vorstand auf Verlangen Auskunft geben.8 8 Weyland/Weyland, 11. Aufl. 2024, BRAO § 76 Rn. 2. Daraus folgt, dass dem Vorstand der Berufskammern und seinem (anwaltlichen wie nicht-anwaltlichen) Mitarbeiterstab verschiedene Informationen zur Kenntnis gelangen können,9 9 Weyland/Weyland, BRAO § 76 Rn. 3. insbesondere auch über Mandanten der der Kammeraufsicht unterliegenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Unter Geltung des HinSchG stellt sich nun die Frage, ob die Bereichsausnahme des § 5 II Nr. 3 HinSchG auch die Verschwiegenheitspflicht der Berufskammervorstände und der Angestellten der Kammern aus § 76 I BRAO bzw. § 69a I BNotO erfasst.10 10 In Bezug auf die Notarkammern Stn. der BNotK zum Referentenentwurf des HinSchG v. 11.5.2022, S. 3 f. II. BEREICHSAUSNAHME FÜR BERUFSTRÄGER IN DEN BERUFSKAMMERN Die erste dieser Schwierigkeiten betrifft die Reichweite der Bereichsausnahme des § 5 II Nr. 3 HinSchG für die in der Berufskammer tätigen Anwältinnen und Anwälte bzw. Notarinnen und Notare. Für Notarinnen und Notare hebt die Bundesnotarkammer in ihrer Stellungnahme hervor, dass sich die Bereichsausnahme nicht auf sonstige Verschwiegenheitspflichten der Notarinnen und Notare etwa aus §§ 81a BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 AUFSÄTZE 246

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