BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

Allerdings unterfallen dem Begriff der mitwirkenden Personen auch all diejenigen, die bei der ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Tätigkeit die Möglichkeit erhalten, von geschützten Geheimnissen Kenntnis zu erlangen.19 19 BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, 3. Ed., 15.4.2024, HinSchG § 5 Rn. 73. Eine direkte Eingliederung in die Sphäre des Berufsgeheimnisträgers ist hierfür nicht erforderlich.20 20 BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, HinSchG § 5 Rn. 73. Damit ergibt sich, dass die Personen, die durch ihre berufliche Nähe zu Notarinnen und Notaren oder Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten automatisch mit nach § 18 BNotO bzw. § 43a II 1 BRAO geheim zu haltenden Informationen in Kontakt kommen, erfasst sein sollen. Dabei kann es aber keinen Unterschied machen, welche Anstellungsstruktur besteht und ob die geheime Information „direkt“ vom Mandanten kommt oder den Umweg über die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Berufskammer nimmt. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch die Erkenntnis, dass die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 5 II Nr. 5 HinSchG-RegE explizit auf die von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten beauftragten Dienstleister und Gesellschafter von Rechtsanwaltsgesellschaften eingeht. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte hat der Gesetzgeber also erkannt, dass Dritte auf legalem Wege in den Besitz von Informationen kommen können, die eigentlich geschützt sein sollen. Möchte der Gesetzgeber den Schutz dabei explizit auch auf Dienstleister erstrecken, müssen als Angestellte „bei Notaren“ oder „bei Rechtsanwälten“ auch die Angestellten in den Berufskammern gelten, denn wenn schon die Dienstleister erfasst sind, dann müssen erst recht auch schon (ständige) Angestellte der Berufskammer erfasst sein. Anderenfalls würde die – ggf. zufällige – Verteilung von Aufgaben zwischen Angestellten und externen Dienstleistern zu einer unterschiedlichen hinweisgeberschutzrechtlichen Behandlung führen. Letztlich zeigt auch § 53a StPO als strukturelles Vorbild für § 5 II Nr. 5 HinSchG,21 21 BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, HinSchG § 5 Rn. 72. Auch § 203 I Nr. 3 StGB befindet sich im Gleichlauf, vgl. Reufels/Soltysiak, Das neue WhistleblowingRecht, § 4 Rn. 72. dass auch an der beruflichen Tätigkeit mitwirkende Personen vom Geheimnisschutz im notariellen bzw. anwaltlichen Kontext erfasst sind. Für § 53a StPO ist anerkannt, dass sich das Zeugnisverweigerungsrecht der mitwirkenden Personen von der Verschwiegenheitspflicht des Berufsträgers ableitet.22 22 Ladiges, DNotZ 2024, 12 (13 f.) für Notare. Es gibt keine überzeugenden Gründe, warum dies in § 5 II Nr. 5 HinSchG anders sein soll, die Verschwiegenheitspflichten aus § 18 BNotO und § 43a II 1 BRAO werfen also ihren Schatten auch auf Angestellte in den Berufskammern. 3. UNIONSRECHTSKONFORMITÄT VON § 5 II NR. 5 HINSCHG Der einzig verbleibende Grund, warum sich § 5 II Nr. 5 HinSchG doch nicht auf die Angestellten der Berufskammern erstrecken könnte, liegt in der europarechtlichen Dimension des Hinweisgeberschutzgesetzes als Umsetzungsgesetz der WBRL und konkret in der Auslegung des Art. 3 III lit. b Alt. 1 WBRL vor dem Hintergrund des Erwägungsgrunds 27 der WBRL.23 23 Die deutsche Sprachfassung ist in ihrer Beschränkung auf die „anwaltlichen“ Verschwiegenheitspflichten erneut misslungen, die englische Sprachfassung „legal [...] professional privilege“ umfasst richtigerweise auch Notarinnen und Notare und auch der Begriff „lawyer“ ist weiter als der des Rechtsanwalts, vgl. das Oxford English Dictionary „in the widest sense embracing every branch of the profession“, https://doi.org/10.1093/OED/1540664570. Nach diesem Erwägungsgrund sollen – mit Ausnahme von Rechtsanwälten und Erbringern von Gesundheitsleistungen – Angehörige „anderer Berufe“ grundsätzlich vom Schutzbereich der Whistleblowing-Richtlinie erfasst sein.24 24 In der englischen Sprachfassung: „Members of professions other than lawyers and health care providers should be able to qualify for protection under this Directive when they report information protected by the applicable professional rules, provided that reporting that information is necessary for the purposes of revealing a breach falling within the scope of this Directive.“. Wenn nun Angestellte der Notarinnen und Notare bzw. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oder der Berufskammern als „Angehörige anderer Berufe“ einzustufen wären, würde das vorgestellte Verständnis des § 5 II Nr. 5 HinSchG die Rechte grundsätzlich geschützter Berufs- und Personengruppen in unionsrechtswidriger Weise einschränken, da die Berufsgeheimnisträger selbst bereits von § 5 II Nr. 2 bis 4 HinSchG erfasst sind.25 25 BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, HinSchG § 5 Rn. 76. Zu dieser Frage nach der Auslegung des „anderen Berufs“ schreibt die Bundesnotarkammer, dass Art. 3 III WBRL mit Blick auf Erwägungsgrund 27 keineswegs zwingend dahingehend auszulegen sei, dass keine Einbeziehung der Berufskammern zu erfolgen habe und insofern kein anderer Beruf i.S.d. Art. 3 III WBRL vorliege.26 26 Stn. der BNotK zum Referentenentwurf des HinSchG v. 11.5.2022, S. 4. Colneric und Gerdemann weisen zudem zurecht darauf hin, dass die über § 5 II Nr. 2 bis 4 HinSchG erfassten Berufsgeheimnisträger das Schweigen der in § 5 II Nr. 5 genannten Personen – also ihrer Angestellten – aufgrund ihrer eigenen Verschwiegenheitspflicht berufsrechtlich garantieren müssen.27 27 BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, HinSchG § 5 Rn. 76. Mittelbar dient damit die Verschwiegenheit der Angestellten dem Schutz der ausdrücklich in Art. 3 III lit. b und c WBRL genannten Verschwiegenheitspflichten.28 28 BeckOK HinSchG/Colneric/Gerdemann, HinSchG § 5 Rn. 76. Dann kann es aber keinen Unterschied machen, ob die Angestellten im Rahmen einer Tätigkeit beim Notar bzw. bei der Rechtsanwältin oder der Berufskammer Kenntnis über ein zu schützendes Geheimnis erlangen – in jedem Fall ist eine Erweiterung auf Angestellte notwendig, um die dem Berufsträger anvertrauten Geheimnisse zu schützen. Denn die originäre Verschwiegenheitspflicht der Berufsträger auf die Berufskammern in Gänze – sowohl auf die Vorstände und die Geschäftsführung als auch die Angestellten – zu erstrecken, stellt sich nur als Ergänzung der aus § 18 BNotO bzw. § 43a NEUBERT, BERUFSKAMMERN UND DAS HINWEISGEBERSCHUTZGESETZ BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 AUFSÄTZE 248

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