BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

5. ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR a) SIGNATUREN UND SICHERE ÜBERMITTLUNGSWEGE Elektronische Dokumente (§ 130a I ZPO) müssen nach § 130a III 1 ZPO (Ausnahme für Anlagen: § 130a III 2 ZPO) mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen seinoder vonder verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes nach § 130a III 1 Alt. 2 ZPO genügt es, wenn am Ende des Schriftsatzes der Name des Verfassers maschinenschriftlich wiedergegeben ist; eine „händische“ Unterschrift ist nach dem BGH nicht erforderlich.48 48 BGH, Beschl. v. 30.11.2023 – III ZB 4/23, NJW-RR 2024, 331 (Leitsatz). Der Name des Verfassers ist nach dem OLG Celle und OLG Dresden auch dann wiederzugeben, wenn dieser als Einzelanwalt tätig ist.49 49 OLG Celle, Urt. v. 8.4.2024 – 6 U 28/23, BeckRS 2024, 6608; OLG Dresden, Beschl. v. 15.2.2024 – 4 W 80/24, NJOZ 2024, 432; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.12.2023 – 9 U 141/23, BeckRS 2023, 38873. Ist ein elektronisches Dokument nicht qualifiziert, sondern nur einfach signiert, wird es nach dem BGH nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a IV Nr. 2 ZPO aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet.50 50 BGH, Beschl. v. 12.9.2023 – KVZ 64/21, BeckRS 2023, 31356, Rn. 5; BGH, Beschl. v. 7.5.2024 – VI ZB 22/23, BeckRS 2024, 13165 Rn. 5. Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nach dem BGH nicht.51 51 BGH, Beschl. v. 28.2.2024 – IX ZB 30/23, NJW 2024, 1660 (Leitsatz); vgl. auch OLG Dresden, Beschl. v. 2.1.2024 – 4 W 720/23, NJW-RR 2024, 520 Rn. 24. Die Form des § 130a ZPO soll nicht gewahrt sein, wenn das eingereichte Dokument auf allen Seiten in großer Schrift und deutlich erkennbar als „Entwurf“ gekennzeichnet ist, selbst wenn das Dokument qualifiziert elektronisch signiert ist.52 52 BVerwG, Beschl. v. 21.12.2023 – 2 B 2.23, BVerwG Beschl. v. 21.12.2023 – 2 B 2.23; a.A. LVerfG SchlH, Beschl. v. 2.2.2024 – LVerfG SH 5/23, BeckRS 2024, 1282. Nach § 26 I RAVPV dürfen die Inhaber eines für sie erzeugten Zertifikats (zur Authentifizierung beim beA) dieses keiner weiteren Person überlassen und müssen die dem Zertifikat zugehörige Zertifikats-PIN geheim halten. Wer dagegen verstößt, kann das beA mit diesem Zertifikat nicht mehr als sicheren Übermittlungsweg (§ 130a III 2. Alt. ZPO) verwenden, also Schriftsätze bei Gericht nicht mehr formwirksam einreichen.53 53 BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23, NStZ 2024, 124. Zu weiteren Folgen des Verstoßes gegen NStZ 2024, 124: Nitschke, BRAK-Mag. 6/2023, S. 10 (keine Wiedereinsetzung und keine Entkräftung eines eEB); ArbG Lübeck, Verfügung v. 19.6. 2019 – 6 Ca 679/19, BeckRS 2019, 16942. b) ELEKTRONISCHES DOKUMENT IM FALSCHEN DATEIFORMAT Elektronische Dokumente sind nach § 130a II ZPO, § 2 I ERVV grundsätzlich als PDF einzureichen. Word-Dokumente genügen diesen Vorgaben nicht.54 54 LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.9.2023 – L 6 BA 7/22, NZS 2024, 100 (anhängig beim BSG, Az. B 12 BA 13/23 R), anders ggf. bei gerichtlicher Papierakten, wenn das Dokument druckbar ist und zur Papierakte genommen wird: BAG, Beschl. v. 29.6.2023 – 3 AZB 3/23, BeckRS 2023, 16368; hierzu: Siegmund, NJW2023, 1681 Rn. 35. Allerdings besteht insoweit die Heilungsmöglichkeit nach § 130a VI 2 ZPO, und zwar auch dann, wenn die richterliche Beanstandung nach § 130a VI 1 ZPO nicht unverzüglich erfolgt ist.55 55 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2023 – 15 U 99/22, GRUR-RS 2023, 36058 Rn. 33. c) ANWALTLICHE SORGFALTSPFLICHTEN BEI EINREICHUNG ELEKTRONISCHER DOKUMENTE Bei der Einreichung elektronischer Dokumente bestehen nach dem BGH verschiedene anwaltliche Sorgfaltspflichten: Er hat den Versandvorgang zu überprüfen,56 56 BGH, Beschl. v. 30.1.2024 – VIII ZB 85/22, BeckRS 2024, 3648 Rn. 15. den Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung (§ 130a V 2 ZPO) zu kontrollieren,57 57 BGH, Beschl. v. 6.9.2023 – IV ZB 4/23, NJW 2023, 3432 Rn. 12; BGH, Beschl. v. 30.1.2024 – VIII ZB 85/22, BeckRS 2024, 3648 Rn. 15. und zwar auch dahingehend, ob an das richtige Gericht58 58 BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – VIII ZB 60/22, NJW 2024, 83 Rn. 22; BGH, Beschl. v. 30.1.2024 – VIII ZB 85/22, BeckRS 2024, 3648 Rn. 15. gerade der Eingang desjenigen elektronischen Dokuments i.S.v. § 130a I ZPO, das übermittelt werden sollte, bestätigt wird.59 59 BGH, Beschl. v. 31.8.2023 – VIa ZB 24/22, BRAK-Mitt. 2023, 424 Rn. 12. Zur Vermeidung von Verwechslungsgefahren ist der Datei ein sinnvoller Dateiname zu geben, der ohne Weiteres die Prüfung erlaubt, ob der richtige Schriftsatz übersandt wurde.60 60 BGH, Beschl. v. 31.8.2023 – VIa ZB 24/22, BRAK-Mitt. 2023, 424 Rn. 13. d) ELEKTRONISCHES EMPFANGSBEKENNTNIS BEIM BESONDEREN ELEKTRONISCHEN ANWALTSPOSTFACH Für die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses in Form eines strukturierten Datensatzes per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ist es nach dem BGH erforderlich, dass aufseiten des die Zustellung empfangenden Rechtsanwalts die Nachricht geöffnet sowie mit einer entsprechenden Eingabe ein Empfangsbekenntnis erstellt, das Datum des Erhalts des Dokuments eingegeben und das so generierte Empfangsbekenntnis versendet wird.61 61 BGH, Beschl. v. 17.1.2024 – VII ZB 22/23, BRAK-Mitt. 2024, 174 (Leitsatz 1 Satz1). Die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt also die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem einzutragenden Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen; darin liegt die erforderliche Mitwirkung des Rechtsanwalts, ohne dessen aktives Zutun ein elektronisches Empfangsbekenntnis nicht ausgelöst wird.62 62 BGH, Beschl. v. 17.1.2024 – VII ZB 22/23, BRAK-Mitt. 2024, 174 (Leitsatz 1 Satz2). Das von einem Rechtsanwalt AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 253

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