BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

bestätigte in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung,36 36 BGH, NJW 2021, 3125 Rn. 16 – smart law. dass bereits das Anbieten solcher Dienstleistungen auf einer Website einen Verstoß gegen das RDG darstellt. 2. SAMMELKLAGE-INKASSO Die Rechtsprechung des BGH37 37 BGH, NJW 2021, 3046 Rn. 8 u. 44 – AirDeal; BGH, NJW 2022, 3350 (3353) Rn. 24 ff. – financialright. hat die gebündelte Geltendmachung von Ansprüchen mehrerer Gläubiger auch in komplexen Rechtsgebieten im Grundsatz akzeptiert.38 38 Kritisch dazu Remmertz, in Krenzler/Remmertz, RDG, 3. Aufl. 2023, § 4 Rn. 50 ff.; mit deutlichen Worten zuletzt Prütting, in FS Henssler, 2023, S. 1503 ff. „Ein Angriff auf die deutsche Anwaltschaft“. Zu dem in tatsächlich und rechtlich besonders komplexen Bereich kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche, der bei der gebündelten Geltendmachung von Ansprüchen mehrerer Gläubiger und der Einbeziehung externer Prozessfinanzierer besonders anfällig für Interessenkollisionen nach § 4 RDG ist, steht eine höchstrichterliche Klärung aber noch aus.39 39 Zum Ganzen: Wagner/Weskamm, FS Henssler 2023, S. 1605 ff.; Domej, Gutachten A zum 74. Deutschen Juristentag Stuttgart 2024, 66 ff. Nachdem das LG Dortmund in einem Fall zum sog. Rundholzkartell im März 2023 wegen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit eines RDG-Verbots mit Unionsrecht den EuGH angerufen hat, haben sich weitere Oberlandesgerichte für eine liberale Linie ausgesprochen und die erstinstanzlichen Urteile aufgehoben. a) NEUE OLG-RECHTSPRECHUNG In einem vom OLG München entschiedenen Fall zum Lkw-Kartell40 40 OLG München, Urt. v. 28.3.2024 – 29 U 1319/20, BeckRS 2024, 11448. geht es um Schadensersatzansprüche gegen Lkw-Hersteller wegen illegaler Preisabsprachen, die von einem registrierten Inkassodienstleister im Wege der unechten Sammelklage gebündelt geltend gemacht werden. Im Gegensatz zur Vorinstanz41 41 LG München I, Urt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17, BeckRS 2020, 841 = BRAK-Mitt. 2020, 235 (LS). entschied das OLG in dem aufgrund des sehr umfangreichen Sachverhalts fast 450 Seiten langen Urteils zur Vereinbarkeit des Geschäftsmodells mit dem RDG, dass die Abtretung der Ansprüche durch die Inkasso-Befugnis gedeckt und demzufolge nicht nichtig sei. Der Senat hat sich hierbei den Entscheidungen des BGH zum Sammelklage-Inkasso42 42 BGH, NJW 2021, 3046 – AirDeal; BGH, NJW 2022, 3350 – financialright. angeschlossen und ergänzt, dass dies auch für das Kartellschadensersatzrecht gelte, auch wenn die damit im Zusammenhang stehenden Sach- und Rechtsfragen mitunter sehr komplex seien. Eine Ausgrenzung von Kartellschadensersatzansprüchen sei weder nach dem Wortlaut oder der Systematik, noch nach dem Zweck des RDG gerechtfertigt und sei auch mit der Berufsausübungsfreiheit der Inkassodienstleister nicht zu vereinbaren. Einen Verstoß gegen § 4 RDG hat der Senat in dem konkreten Fall ebenfalls verneint. Auch insoweit schließt sich der Senat vollumfänglich der Rechtsprechung des BGH zum Sammelklage-Inkasso an und führt aus, dass sich ein solcher Verstoß weder aus der Bündelung einer Vielzahl von Ansprüchen noch aus der Zusammenarbeit mit einem externen Prozessfinanzierer ergebe. Auch der Umstand, dass die Klägerin zum Abschluss von Vergleichen berechtigt sei, die auch Ansprüche anderer Kunden umfasse, begründe keinen Verstoß gegen § 4 RDG. Jedenfalls sei unter Berufung auf die „wenigermiete.de“-Rechtsprechung des BGH43 43 BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 Rn. 91 – lexfox I. keine eindeutige und nicht nur geringfügige Überschreitung der Inkassobefugnis feststellbar, die die Nichtigkeit der Abtretung rechtfertigen würde. Das Gericht hat die Sache zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen und die Revision zugelassen. Auch das OLG Stuttgart44 44 OLG Stuttgart, Urt. v. 15.8.2024 – 2 U 30/22 (zu dieser Entscheidung liegt der Volltext bei Redaktionsschluss noch nicht vor). hat sich der inkassofreundlichen Rechtsprechung des BGH angeschlossen und die Vorinstanz45 45 LG Stuttgart, Urt. v. 20.1.2022 – 30 O 176/19, NZKart 2022, 222 mit zust. Besprechung Remmertz, RDi 2022, 219. im sog. „Rundholzkartell“ aufgehoben. Das OLG Stuttgart hat einen Schadensersatzanspruch mehrerer Sägewerke dem Grunde nach bejaht, wegen der Höhe aber an das LG Stuttgart zurückverwiesen. Das OLG Stuttgart sah wie das OLG München keinen Verstoß gegen das RDG, hat jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls die Revision zugelassen. b) EUGH-VORLAGEVERFAHREN In dem Verfahren des LG Dortmund, mit dem das Gericht dem EuGH Fragen zur Vereinbarkeit eines RDGVerstoßes des Sammelklage-Inkasso bei kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen mit dem Unionsrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat,46 46 LG Dortmund, Beschl. v. 13.3.2023 – 8 O 7/20 (Kart), NZKart 2023, 229.; dazu bereits Remmertz, BRAK-Mitt. 2023, 287, 290; Kritisch zur Vorlagebedürftigkeit Krüger, Anm. LG Dortmund LTZ 2023, 305, 314; auch der Kartellrechtsausschuss der BRAK spricht sich für eine Zulässigkeit der gebündelten Geltendmachung und für eine dahingehende Klarstellung durch den Gesetzgeber aus, vgl. BRAK-Stn.-Nr. 66/ 2023, S. 14 und 16. fandam 7.5.2024 vor dem EuGH mündliche Verhandlung statt.47 47 S. dazu den Terminsbericht in den Nachr. aus Brüssel 9/2024 v. 10.5.2024. Nunmehr hat der Generalanwalt am 19.9.2024 seine Schlussanträge veröffentlicht48 48 Generalanwalt beim EuGH (Szpunar), Schlussantrag v. 19.9.2024 – EuGH C-253/ 23, GRUR-RS 2024, 24302. und ausgeführt, dass ein pauschales Verbot der gebündelten Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche durch Inkassodienstleister nach dem RDG gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz und den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt.49 49 GRUR-RS 2024, 24302 Rn. 126. Prüfungsmaßstab sind insoweit Art. 47 I der Grundrechte-Charta, Art. 101 AEUV und die EU-RichtliREMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 263

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