BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

betroffen sein könnten. Offenkundig sind die Gefahren, wenn sie in engem Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich sind; sie müssen sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandates aufdrängen.4 4 BGH, NJW 2018, 2476. Erst recht gilt das im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen. Kenntnisse, die für die Beratung nicht erforderlich sind, die für den Mandanten aber gleichwohl nützlich sein könnten, brauchen Anwältinnen und Anwälte nicht zu haben. Sie sind auch nicht verpflichtet, sie aus Anlass des Mandats zu erwerben.5 5 BGH, NJW 2018, 2476 Rn. 18. Ohne besonderen Anlass musste der beklagte Anwalt somit nach Auffassung des Senats keine weiteren Recherchen im Tatsächlichen betreiben und durfte darauf vertrauen, dass die Mandantin ihm relevante Umstände (die wohl hier auch gar nicht vorlagen) von sich aus mitteilt. Gleichwohl schadet ein „gesundes Misstrauen“ nicht, denn die Durchsetzbarkeit begründeter Forderungen oder berechtigter Interessen des Mandanten spielt in der Praxis nicht selten eine Rolle. (ju) BERATUNGSPFLICHTEN IM ZUSAMMENHANG MIT NOTARKOSTEN Ein Rechtsanwalt, der vom Grundstückseigentümer mit der Prüfung des von einem Notar im Auftrag eines Kaufinteressenten erstellten und übersandten Grundstückskaufvertragsentwurfes beauftragt ist, handelt pflichtwidrig, wenn er Entwurfsänderungen unmittelbar an den Notar übermittelt, ohne seinen Mandanten zuvor für den Fall des späteren Scheiterns der Vertragsverhandlungen über die sich aus § 29 Nr. 1 GNotKG ergebenden Kostenrisiken und Möglichkeiten zur Kostenvermeidung aufgeklärt zu haben. LG Berlin II, Urt. v. 25.6.2024 – 67 O 30/24, MDR 2024, 970 = NotBZ 2024, 358 Nach § 29 Nr.1 GNotKG haftet derjenige auf die Notarkosten, der den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat. Bei der hier mit Notarkosten belasteten Mandantin handelte es sich um eine Grundstücksgesellschaft, die ein Grundstück zum Verkauf angeboten hatte. Ein Kaufinteressent ließ ihr über den von ihm beauftragten Notar einen Kaufvertragsentwurf zusenden. Diesen Entwurf ließ die Gesellschaft anschließend bei der von ihr beauftragten Anwältin prüfen. Diese wandte sich im Auftrag ihrer Mandantin unmittelbar an den Notar, um Ergänzungen und Änderungen des Vertragsentwurfs zu erbitten. Die Vertragsverhandlungen scheiterten, woraufhin der Notar die Gebühren der Grundstücksgesellschaft in Rechnung stellte. Die Mandantin machte nun im Haftungsprozess geltend, dass sie nicht über die ungünstigen Kostenfolgen aufgeklärt worden sei. Bei korrekter und vollständiger Beratung hätten die Änderungswünsche auch dem Interessenten zugeleitet werden können, so dass dieser wiederum Änderungen mit dem zunächst nur von ihm beauftragten Notar hätte besprechen und ggf. umsetzen können. Allein durch die vermeidbare direkte Kontaktaufnahme seien die recht erheblichen Kosten entstanden. Das LG Berlin II folgte dem Vortrag. Selbst wenn die Anwältin von der Mandantin den Auftrag erhalten haben sollte, Änderungen mit dem Notar zu klären, hätte sie das nicht von der Verpflichtung befreit, die möglichen Kostenfolgen im Blick zu behalten und die Mandantin hierüber und über alternatives Vorgehen zu beraten. Selbst ein durch den Mandatsauftrag dergestalt eingeschränktes Mandat enthebe den Rechtsanwalt nicht von der Pflicht, den Auftrag ggf. in Frage zu stellen und auch die übrigen Interessen des Auftraggebers zu beachten. Die Anwältin wurde also zu Schadenersatz in Höhe der von der Mandantschaft geleisteten Notarkosten verurteilt und zusätzlich noch wegen der Kosten eines Beschwerdeverfahrens gegen die Berechnung durch den Notar, das noch auf ihr Anraten von der Mandantin geführt wurde, aber von vornherein keine Erfolgsaussichten hatte. (bc) BERATUNG ÜBER DEN SICHEREREN WEG BEI RUHENDEM VERFAHREN Nach dem für Verjährungsfragen maßgeblichen „Gebot des sichersten Weges“ hat der Rechtsanwalt bei einer unklaren Rechtslage, ob ein triftiger Grund vorliegt, das Verfahren nicht zu betreiben, im Hinblick auf eine etwaige ungünstigere Beurteilung der Rechtslage durch das mit der Sache befasste Gericht den Weg aufzuzeigen, der eine Verjährung des Anspruchs des Mandanten sicher verhindert (Fortführung von BGH, Urt. v. 23.9.2004 – IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495). BGH, Urt. v. 19.9.2024 – IX ZR 130/23, MDR 2024, 1410 = FamRZ 2024, 1745 Im Vorprozess vor den Familiengerichten ging es um wechselseitige Ansprüche auf Zugewinnausgleich der geschiedenen Ehepartner. Zunächst hatte die Ehefrau eine auf Zugewinnausgleich gerichtete Stufenklage eingelegt, die beim Familiengericht in Mannheim verhandelt wurde. Auch der Ehemann beauftragte seine anwaltlichen Berater damit, einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend zu machen. Nach Klärung der örtlichen Zuständigkeit durch das OLG Oldenburg war dieses Verfahren vor dem Familiengericht Delmenhorst anhängig, wo die Parteien auf Vorschlag des Gerichts dieses Verfahren zum Ruhen brachten, um den Ausgang des Mannheimer Verfahrens abzuwarten. Erst als der Ehemann etwa elf Monate später im Mannheimer Verfahren die eidesstattliche Versicherung abgab, wurde das Verfahren in Delmenhorst wieder aufgerufen – zu spät, wie sowohl das AG Delmenhorst als auch das LG Oldenburg befanden. Nach AbBRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 AUFSÄTZE 274

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