aufgrund von Anwaltsverschulden führte. Hier ging es um die Zusammenarbeit zweier ortsverschiedener Büros. Zunächst wurde das Empfangsbekenntnis unterzeichnet, ohne dass überhaupt Fristen notiert waren. Sodann wurde die erneut von einem Anwalt korrekt berechnete Frist nur mündlich zur Eintragung verfügt, wobei ein Fehler unterlief. Sodann wurde die Akte sogar noch rechtzeitig vorgelegt, die Frist aber nicht sogleich kontrolliert. Hätte der zuständige Anwalt die Sachbearbeitung an diesem Tag aufgenommen, hätte er auch hier aus der Akte heraus zumindest eine Abweichung seiner eigenen Verfügung von den eingetragenen Fristen erkennen können. Auch der Sachverhalt, der der Wiedereinsetzungsentscheidung des 8. Senats v. 31.1.20089 9 BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705. zugrunde lag, legt ein Anwaltsverschulden nahe, weil die Frist nicht nur falsch in den Kalender eingetragen war, sondern auch aus der Akte heraus ersichtlich war, dass das Personal falsch gerechnet hatte. Ohne die Frist zu prüfen, verfügte der Prozessbevollmächtigte eine Wiedervorlage, als er – noch rechtzeitig – die Akte zur Bearbeitung vorgelegt bekam. In ganz ähnlicher Weise hätte der Bevollmächtigte auch im Fall des BAG v. 18.6.201510 10 BAG v. 18.6.2015 – 8 AZR 556/14, BeckRS 2015, 72459. schon aus der Akte selbst heraus bei Vorlage erkennen können, dass die Fristen falsch eingetragen waren, und hätte noch reagieren können. Der 9. Senat war in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass der Prozessbevollmächtigte, der nach Einlegung der Revision selbst diese Frist aus dem Kalender gestrichen hatte, bei dieser Gelegenheit auch hätte prüfen müssen, ob die Begründungsfrist nebst Vorfrist richtig eingetragen war. Dieser Fall wäre dann etwas atypisch, da regelmäßig die Büroangestellten die Streichung der Fristen übernehmen, wenn die Schriftsätze verschickt sind. Soweit ein Anwalt selbst Fristen in den Kalender einträgt oder streicht, muss das natürlich richtig sein, wobei sich schon die Frage stellt, warum er dann auch weitere Kalendereinträge zu prüfen hat. Hier nun ist in der Tat mit dem 6. Senat zu fragen, ob die Pflichten nicht überspannt werden, wenn von einem Anwalt anlässlich der Streichung einer Frist aus dem Kalender verlangt wird, dass er auch die weiteren Fristeintragungen im Kalender gleich auf Richtigkeit prüft. Die Entscheidungen des 1. und des 8 Senats allerdings widersprechen nach Ansicht des Autors der vom 6. Senat beabsichtigten Entscheidung nicht. Sie hätten daher den Vorlagebeschluss nicht zwingend gerechtfertigt. Erfolgreiche Wiedereinsetzungsanträge werden inzwischen durch immer weiter reichende Pflichten – so etwa auch die zusätzliche abendliche Kontrolle der Fristwahrung anhand der Akten – mehr oder weniger verunmöglicht. Hinzu kommt, dass durch die Versendung der Schriftsätze mittels beA inzwischen ohnehin die Anwältinnen und Anwälte selbst auch Friststreichungen und Kalendereinträge vornehmen, so dass die frühere recht strikte Trennung zwischen Kalender einerseits, der regelmäßig beim Personal blieb und dort verwaltet wurde, und der Akte andererseits, aus der heraus die Fristeneinträge erkennbar sein müssen, nicht mehr durchgehalten wird. Klare Vorgaben der Rechtsprechung sowohl des BAG als auch des BGH, die die Anwaltschaft in die Lage versetzen könnte, die Abläufe im Büro rechtssicher danach auszurichten, wären mehr als wünschenswert. (bc) beA: VERFASSER UND EINREICHER EINES SCHRIFTSATZES FALLEN AUSEINANDER: qeS ERFORDERLICH Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam. BGH, Beschl. v. 3.7.2024 – XII ZB 538/23, MDR 2024, 1129 = NJW 2024, 2996 Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem Leitsatz: Ein Schriftsatz war ausweislich der (einfachen) Signatur von Anwalt A verfasst worden und wurde von Anwalt B über dessen beA eingereicht. Eine qualifizierte elektronische Signatur wurde von keinem der beiden Anwälte angebracht. Damit war der Schriftsatz prozessual unwirksam. Erforderlich wäre gewesen, dass entweder Anwalt A seinen eigenen Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert, dann wäre die Einreichung auf allen zugelassenen elektronischen Übermittlungswegen durch jede beliebige Person wirksam gewesen,11 11 BGH, NJW 2024, 1660, Bespr. von Grams, BRAK-Mitt. 2024, 149. oder Anwalt B hätte den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signieren und damit zum Ausdruck bringen müssen, dass er die Verantwortung für dessen Inhalt übernimmt und den Mandanten als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats vertritt.12 12 BGH a.a.O.; BGH, WM 2017, 831; MDR 2023, 384. (hg) ABENDLICHE AUSGANGSKONTROLLE MUSS PRÜFUNG ANHAND DER AKTE BEINHALTEN Bei der stets gebotenen abschließenden abendlichen Kontrolle hat das dafür zuständige Personal zu prüfen, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden ist. Der Abgleich mit dem Fristenkalender dient u.a. der Überprüfung, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristensachen ergeben. (eigener Leitsatz) BGH, Beschl. v. 5.6.2024 – IV ZB 30/23, MDR 2024, 1198 An der in die Büroorganisation nicht integrierten (nochmaligen) abendlichen Fristenkontrolle scheitern viele Wiedereinsetzungsanträge. Hier allerdings war vorgetragen, dass die dem jeweiligen Rechtsanwalt zugeordnete Rechtsanwaltsfachangestellte die Aufgabe habe, AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 277
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