BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

täglich vor Büro- bzw. Dienstschluss dessen Kalender auf offene Fristen zu kontrollieren und ggf. den Anwalt auf noch offene Fristen hinzuweisen. Hier sei zunächst der Hinweis zur Bearbeitung mit der Vorfrist erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Anwalt die Bearbeitung noch nicht für notwendig erachtet, sondern lediglich die korrekte Berechnung und Eintragung der Begründungsfrist geprüft. Am Tag des Fristablaufs sei er auch nicht mehr gelegentlich der abendlichen erneuten Prüfung auf noch offene Fristen auf die noch offene Frist hingewiesen worden, obgleich dies nach allgemeiner Weisung hätte erfolgen müssen. Dennoch sah der BGH ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das zur Versagung der Wiedereinsetzung führte. Dem Vorbringen im Antrag ließ sich nämlich lediglich entnehmen, dass offene Fristen anhand des Kalenders täglich vor Büroschluss zu kontrollieren seien. Das genüge für eine ordnungsgemäße abendliche Ausgangskontrolle nicht. Vielmehr sei sicherzustellen, dass gleichzeitig anhand der Akte überprüft werde, ob die fristgebundene Sache tatsächlich bearbeitet und fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich abgesandt wurden. Bei korrekter Anordnung wäre nach Ansicht des IV. Zivilsenats im Rahmen der dann vorgesehenen Kontrolle aufgefallen, dass die Sache noch nicht bearbeitet war. Der letzte Punkt gibt Anlass zu Kritik. Es wurde nicht vorgetragen, dass die korrekt eingetragene Frist gestrichen war. Wäre also die abendliche Fristenkontrolle zumindest wie angeordnet durchgeführt worden, wäre die offene Frist aufgefallen. Die Fachangestellte hätte dem Anwalt entsprechend Bescheid geben müssen, so dass die Frist dann nicht versäumt worden wäre. Die vom BGH geforderte weitere Kontrolle anhand der Akten, ob die Schriftsätze auch versandt worden sind, mag zwar nicht angeordnet gewesen sein, was für sich genommen einen Fehler in der Büroorganisation darstellen würde. Diese vollständig korrekte Anordnung hätte aber am Ablauf ersichtlich nichts geändert. Wenn schon die Weisung nicht befolgt wird, den Kalender zu kontrollieren, hätte es nichts genutzt, wenn auch die Anordnung existiert hätte, anhand des Kalenders noch einmal alle für den entsprechenden Tag eingetragenen Fristen auch anhand der jeweiligen Akten auf Erledigung zu überprüfen. (bc) FRISTBERECHNUNG UND -NOTIERUNG Ein Rechtsanwalt muss Vorkehrungen dafür treffen, dass ein Zustellungsdatum, das in einem von ihm abgegebenen elektronischen Empfangsbekenntnis eingetragen ist, auch in seiner – noch in Papierform geführten – Handakte dokumentiert wird. An die Zustellung anknüpfende Fristen müssen anhand der Angaben im elektronischen Empfangsbekenntnis berechnet werden. BGH, Beschl. v. 29.5.2024 – I ZB 84/23, NJW 2024, 2460 = BRAKMitt. 2024, 337 Ls. (in diesem Heft) Viele Kanzleien führen ihre Akten noch doppelt, nutzen also sowohl die digitalen Medien (mindestens jedenfalls das beA), als auch die herkömmliche Papierakte. Im Hinblick auf die Büroorganisation erleichtert das die Sache nicht unbedingt, wie sich immer wieder zeigt. Hier hatte der Prozessbevollmächtigte ein auf den 11.4. datiertes elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) über die Zustellung des Urteils abgegeben. Berufung wurde erst am 12.5. eingelegt. Im Wiedereinsetzungsverfahren machte der Prozessbevollmächtigte zunächst geltend, die Zustellung sei entgegen dem eEB erst am 12.4. erfolgt. Dies ergebe sich daraus, dass die Fristüberwachung bei beA-Eingängen so gestaltet sei, dass das Dokument am Eingangstag mit einem Dateinamen gescannt/gespeichert werde, der den Absender und das Datum der Erstellung des eingegangenen Schreibens wiedergebe; zugleich werde das Datum der Speicherung erfasst. Wegen der Anordnung, dies kalendertäglich zu tun, gewährleiste der Dateiname im Zusammenhang mit der Festlegung des Erstellungsdatums eine (weitere) Bestätigung des Eingangstermins. Dass die Fristberechnung und -notierung auf dieser Basis fehlerträchtig ist und nicht einer ordnungsgemäßen Büroorganisation entspricht, liegt auf der Hand. Eine verlässliche Grundlage für die Ermittlung des Zustellungsdatums bieten allein die Angaben in der die Zustellung dokumentierenden Urkunde, bei elektronischen Zustellungen also in dem vom Rechtsanwalt abgegebenen eEB gem. § 173 III ZPO. Der Prozessbevollmächtigte konnte zudem auch nicht vortragen, wie überhaupt die Notierung und Kontrolle im Fristenkalender erfolgte. Der BGH schlägt insoweit vor, das eEB oder gegebenenfalls einen Screenshot davon auszudrucken, zur (Papier-)Akte zu nehmen und dies als Basis für die Fristberechnung zu nehmen. Die weiteren Anforderungen an die Fristnotierung, abendliche Fristenkontrolle und ggf. beiläufige Fristprüfung durch den Anwalt müssen natürlich auch beachtet werden, was wohl hier ebenfalls nicht der Fall war. Wiedereinsetzung gab es daher nicht. (ju) KANZLEISCHLÜSSEL IN DER KANZLEI VERGESSEN – AUSFÜHRLICHE DARLEGUNG, WARUM FRISTVERSÄUMUNG UNVERSCHULDET Ist ein Rechtsanwalt nicht in der Lage, die Büroräume seiner Kanzlei zu betreten, weil er den Büroschlüssel im Büro vergessen hat, bedarf eine ein Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumnis ausschließende Darlegung Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen keine der naheliegenden Möglichkeiten, innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Frist einen Zugang zu den Büroräumen zu ermöglichen oder einen anderen Rechtsanwalt mit der Vornahme der fristwahrenden Handlung zu beauftragen, einen Erfolg gehabt hätte. BGH, Beschl. v. 11.7.2024 – IX ZB 31/23, NJW 2024, 2693 BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 AUFSÄTZE 278

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