HINWEISE DER REDAKTION: Mit dieser Entscheidung beantwortet der EuGH die Frage nach einem potentiellen Verstoß gegen die EUSanktionen im Falle notarieller Beurkundungen mit russischen Beteiligten und schafft durch Klärung, was i.S.d. VO Nr. 833/2014 unter den Begriff der verbotenen Rechtsdienstleistung zu subsumieren ist, Rechtssicherheit für die Notare. Laut Gerichtshof sind nur solche wirtschaftliche Rechtsberatungstätigkeiten vom Begriff der „verbotenen Rechtsdienstleistung“ umfasst, die gebunden an die Interessen der Parteien erfolgen. Davon abzugrenzen sind Tätigkeiten solcher Personen und Einrichtungen, die mit Aufgaben des Allgemeininteresses betraut und zwecks dessen mit verbindlichen Befugnissen gegenüber Bürgern ausgestattet sind. Hierunter fällt laut EuGH auch die Tätigkeit des deutschen Notars, der als unabhängiger und unparteilicher Träger eines öffentlichen Amtes staatlich übertragene Aufgaben übt – im konkreten Fall die abgelehnte Beurkundung eines Immobilienkaufvertrags für ein nicht gelistetes in Russland ansässiges Unternehmen. Dies sei nicht als „Dienstleistung“ zu werten. Damit schließt sich der EuGH den am 11.4.2024 ergangenen Schlussanträgen der Generalanwältin Medina weitestgehend an und entscheidet kongruent zu der bisherigen Rechtsprechungslinie des Bundesverfassungsgerichts. DAC-6-MELDEPFLICHTEN UND DAS ANWALTLICHE BERUFSGEHEIMNIS Richtlinie 2011/16/EU; Richtlinie 98/5/EG; GRCh Art. 7, 20, 21, 49 I 1. Die Prüfung des Aspekts, auf den sich die erste Vorlagefrage bezieht, hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG in der durch die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates v. 25.5.2018 geänderten Fassung im Licht der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union berühren könnte. 2. Die Prüfung der Aspekte, auf die sich die zweite und die dritte Vorlagefrage beziehen, hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2011/16 in der durch die Richtlinie 2018/822 geänderten Fassung im Licht des Grundsatzes der Rechtssicherheit, des in Art. 49 I der Charta der Grundrechte verankerten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit in Strafsachen und des durch Art. 7 der Charta garantierten Rechts auf Achtung des Privatlebens berühren könnte. 3. Die vom Gerichtshof im Urt. v. 8.12.2022, Orde van Vlaamse Balies u.a. (C-694/20, EU:C:2022:963), festgestellte Ungültigkeit von Art. 8ab V der Richtlinie 2011/16 in der durch die Richtlinie 2018/822 geänderten Fassung im Licht von Art. 7 der Charta der Grundrechte gilt nur für Personen, die ihre beruflichen Tätigkeiten unter einer der in Art. 1 II Buchst. a der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, aufgeführten Berufsbezeichnungen ausüben. 4. Die Prüfung der Aspekte, auf die sich die fünfte Vorlagefrage bezieht, hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2011/16 in der durch die Richtlinie 2018/822 geänderten Fassung im Licht des durch Art. 7 der Charta der Grundrechte garantierten Rechts auf Achtung des Privatlebens berühren könnte. EuGH, Urt. v. 29.7.2024 – C-623/22 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Mit dieser Entscheidung hat der EuGH zum einen der Richtlinie 2011/16 in aktueller Fassung aus 2018 ihre Europarechtskonformität zugesprochen und die normierten Meldepflichten als nicht zu weit befunden – zugleich jedoch der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht den Vorrang eingeräumt und ihre Bedeutung unterstrichen: Die Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und seinem Mandanten genieße besonderen Schutz. Diese Entscheidung knüpft damit bestätigend an die Entscheidung in Orde van Vlaamse Balies (C-694/20) – gleichfalls zu den DAC-6-Meldepflichten – v. 8.12.2022 an und stärkt die in § 43a BRAO normierte und von § 206 BRAO flankierte Verschwiegenheitspflicht. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN PFLICHT ZUR UNVERZÜGLICHEN ERTEILUNG EINES REFERENDARZEUGNISSES BRAO § 43; JAG NRW § 46 Das Zeugnis für Referendare ist unverzüglich nach Abschluss der Ausbildung zu erteilen. AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.8.2024 – 2 AGH 12/18 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 301
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