BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

gütung verschafft dem Rechtsanwalt auch keinen einseitigen Vorteil auf Kosten des Mandanten. Denn hierbei trifft den Rechtsanwalt stets die – bei einer Abrechnung des Mandats nach den gesetzlichen Gebühren nicht bestehende – Rechtspflicht, die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzulegen (zu den diesbezüglichen Anforderungen BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 77 ff.) und bei Streit über den abgerechneten Zeitaufwand nachzuweisen. Dies gleicht den strukturellen Nachteil des Mandanten bei der Nachprüfbarkeit der tatsächlich aufgewendeten Bearbeitungszeit angemessen aus (im Ergebnis ebenso schon BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 33 a.E.). Dabei dient die Darlegungs- und Nachweispflicht des Rechtsanwalts hinsichtlich der von ihm aufgewendeten Stunden dem Schutz des Mandanten. [17] c) Das Urteil des EuGH v. 12.1.2023 (C-395/21, kein anderes Ergebnis durch EuGH-Urteil D.V., ZIP 2023, 360 ff.) gibt dem Senat keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzurücken. [18] aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, dann nicht den Transparenzvorgaben des Art. 4 II der Richtlinie des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen v. 5.4.1993 (RL 93/13/EWG, ABl. 95, S. 29; fortan Klausel-Richtlinie) genügt, wenn dem Verbraucher vor Vertragsschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsschlusses zu treffen (EuGH, Urt. v. 12.1.2023 – C-395/21, D.V., ZIP 2023, 360 Rn. 45). Dabei hat der Gerichtshof eingeräumt, dass es einem Rechtsanwalt aufgrund der Eigenart der von ihm zu erbringenden Rechtsdienstleistungen bei Vertragsschluss oftmals schwer oder sogar unmöglich ist, den genauen Zeitaufwand und die vom Mandanten als Verbraucher exakt zu zahlende Vergütung vorherzusehen (EuGH, Urt. v. 12.1.2023, a.a.O. Rn. 41). Aber auch unter dieser Voraussetzung hat der Gerichtshof es mit Blick auf die Maßgaben des Art. 4 II der Klausel-Richtlinie für unabdingbar gehalten, dass der Rechtsdienstleister dem Verbraucher vor Vertragsschluss entweder Informationen gibt, anhand derer er die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einschätzen kann oder sich verpflichtet, dem Verbraucher in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Zeitaufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewendeten Arbeitsstunden ausgewiesen sind (EuGH, Urt. v. 12.1.2023, a.a.O. Rn. 44). [19] bb) Das führt nach den Vorgaben des nationalen Rechts (§ 307 I 1 i.V.m. 2 BGB) jedoch nicht zur Unwirksamkeit formularmäßig getroffener Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten. Das gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt Stundenhonorarklauseln im Rechtsverkehr mit Verbrauchern (§ 310 III BGB) verwendet. [20] (1) Allerdings ist eine zwischen einem Rechtsanwalt als Unternehmer (§ 14 I BGB) und dem Mandanten als Verbraucher (§ 13 BGB) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Zeithonorarvereinbarung dann i.S.d. § 307 I 2 BGB intransparent, wenn nicht der Rechtsanwalt dem Mandanten vor Vertragsschluss Informationen an die Hand gibt, die es dem Mandanten ermöglichen, die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen, oder sich verpflichtet, den Mandanten in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind. Dies ergibt sich im Hinblick auf Art. 4 II der Klausel-Richtlinie in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union aus dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung von § 307 I 2 BGB i.V.m. § 310 III Nr. 3 BGB. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH muss eine Formularklausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner gem. § 307 I 2 BGB soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.1.2020 – IX ZR 351/18, WM 2020, 369, Rn. 25 m.w.N.). Dies gilt in gleicher Weise für die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Anforderungen. [21] (2) Jedoch führt die richtlinienkonforme Auslegung des § 307 I 2 BGB für Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten nicht dazu, dass die deshalb bestehende Intransparenz von Zeithonorarklauseln für Rechtsdienstleistungen stets und ohne weiteres deren Unwirksamkeit nach § 307 I 1 BGB bedingt. Dies ergibt sich weder aus dem europäischen noch aus dem nationalen Recht. [22] (a) Die Klausel-Richtlinie gibt dies nicht vor. Vielmehr stellt die Intransparenz einer Bestimmung (Art. 5 S. 1 und, soweit sie den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, Art. 4 II der Klausel-Richtlinie) nach dem Unionsrecht nur einen der Gesichtspunkte dar, die bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel (Art. 3 I der Klausel-Richtlinie) im Wege der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind (EuGH, Urt. v. 12.1. 2023 – C-395/21, D.V., ZIP 2023, 360 Rn. 47 ff.). [23] (b) Gemäß § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in Transparenzkontrolle nach § 307 I BGB Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dabei kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 I 2 BGB). Daraus folgt jedoch nicht, dass ausnahmslos jede UnBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 313

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