BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

klarheit bei einer Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts als solche schon eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedingt. Belange des Verbraucherschutzes gebieten dies nicht. Dies folgt aus einer Auslegung der Vorschrift des § 307 I 2 BGB. Die Rechtsprechung des BGH steht dem nicht entgegen. [24] (aa) Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Systematik und Sinn und Zweck sprechen dagegen, dass jeder Fall einer gem. § 307 I 2 BGB intransparenten Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedeutet. § 307 I 2 BGB sieht bereits im Wortlaut vor, dass sich aus einer nicht klaren und verständlichen Bestimmung eine unangemessene Benachteiligung (nur) ergeben kann, nicht aber immer ergibt oder ergeben muss. [25] Aus der Entstehungsgeschichte folgt, dass der Gesetzgeber den Bedenken des Rechtsausschusses gegen eine überschießende Umsetzung von Art. 5 der KlauselRichtlinie Rechnung tragen wollte (vgl. BT-Drs. 14/ 7052, 188). Danach sollte das Transparenzgebot nicht als Regelvermutung (vgl. den Regierungsentwurf, BTDrs. 14/6040, 9), sondern nur als möglicher Fall einer unangemessenen Benachteiligung geregelt werden. Dem trägt die Gesetz gewordene Fassung des § 307 I 2 BGB Rechnung. [26] Auch nach Systematik und Sinn und Zweck des AGB-Rechts ist es nicht erforderlich, eine formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars durch einen Rechtsanwalt allein deshalb als unangemessene Benachteiligung anzusehen, weil die Vereinbarung nicht den in richtlinienkonformer Auslegung des § 307 I 2 BGB zu stellenden Transparenzanforderungen genügt. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB bezwecken, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klauselverwenders zum Nachteil seiner Kunden zu verhindern. Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen soll davon abgehalten werden, seine Interessen durch einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit treuwidrig auf Kosten seiner Vertragspartner zu verfolgen. Das Gesetz gewährleistet den Kundenschutz vor allem durch die inhaltliche Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 I 1 und II, 308, 309 BGB). In gleicher Weise dient die in die Regelungen der AGBKontrolle eingebettete Transparenzkontrolle dazu, Rechtsmissbrauch und unangemessene Benachteiligungen durch den Klauselverwender zu verhindern. [27] (bb) Der BGH hat bislang nicht abschließend entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts nach Maßgabe des § 307 I BGB wegen ihrer Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Die Rechtsprechung des BGH zum Transparenzgebot sieht nicht vor, dass unabhängig von der Art der Intransparenz und der sie begründenden Umstände stets jede Intransparenz zugleich eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 I 1 BGB) darstellt. Der BGH hat die Frage, ob für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners die Gefahr einer inhaltlichen Benachteiligung zur Klauselunklarheit hinzutreten muss, teilweise ausdrücklich offengelassen (BGH, Urt. v. 23.2. 2011 – XII ZR 101/09, WM 2011, 1190 Rn. 16). [28] Denjenigen Fällen, in denen der BGH § 9 I AGBG oder § 307 I BGB angewendet und eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auf die Intransparenz einer Formularbestimmung zurückgeführt hat, lag jeweils eine missbräuchliche Vertragsgestaltung durch den Verwender zugrunde. Durch die Formulierung einer einzelnen Bestimmung, die formale Aufteilung eines an sich einheitlichen Regelungsgegenstands auf verschiedene Bestimmungen oder die Einordnung einer Information an unerwarteter Stelle des Klauselwerks erschwerte der Verwender den Kunden die Erfassung ihnen günstiger oder nachteiliger Vertragsinhalte (vgl. etwa BGH, Urt. v. 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, ZIP 1996, 235, 237; v. 5.11.1998 – III ZR 95/97, BGHZ 140, 25, 31; v. 24.5.2006 – IV ZR 263/03, NJW 2006, 2545 Rn. 26; v. 12.10.2007 – V ZR 283/06, WM 2008, 313 Rn. 14 ff.; v. 23.2.2011 – XII ZR 101/09, WM 2011, 1190 Rn. 16 und v. 14.8.2019 – IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn. 19 f.) oder eröffnete sich rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, durch welche er nach Vertragsschluss auf das Rechte- und Pflichtenprogramm einwirken konnte (vgl. etwa BGH, Urt. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401; v. 19.10.1999 – XI ZR 8/ 99, WM 1999, 2545, 2547; v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/ 05, BGHZ 165, 12, 22 ff. und v. 21.11.2023 – XI ZR 290/22, WM 2024, 17 Rn. 22 ff.). Dabei ließ der Verwender seinen Vertragspartnern das Bestehen oder den Umfang bestimmter Rechte oder Pflichten durch die Gestaltung einzelner Bestimmungen oder der Anlage des Klauselwerks als unklar erscheinen. Auf die rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung hat der BGH eine unangemessene Benachteiligung der Kunden jeweils gestützt. Die zur Generalklausel des § 9 I AGBG ergangenen Entscheidungen des BGH (vgl. etwa BGH, Urt. v. 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, ZIP 1996, 235, 237; v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401; v. 5.11.1998 – III ZR 95/97, BGHZ 140, 25, 31; v. 19.10. 1999 – XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, 2547 und v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12, 22 ff.) betreffen den Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 307 I 1 und § 307 I 2 BGB. [29] (c) Eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten und damit eine Unwirksamkeit der Zeithonorarklausel gem. § 307 I 1 BGB liegt nicht allein deshalb vor, weil der Rechtsanwalt seinen Vertragspartner nicht durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt, die Größenordnung der Gesamtkosten abzuschätzen, und sich nicht dazu verpflichtet, während des laufenden Mandats in angemessenen Abständen über den Kosten- und Zeitaufwand zu informieren. Dass eine solche Zeithonorarklausel gem. § 307 I 2 BGB intransparent ist, genügt hierzu nicht. [30] (aa) Eine Formularbestimmung benachteiligt den Kunden nach der Rechtsprechung des BGH dann unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 314

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