Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. etwa BGH, Urt. v. 13.2. 2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 16 m.w.N.). Ein Rechtsanwalt, der eine am deutschen Rechtsberatungsmarkt etablierte (Kilian, in Graf von Westphalen/ Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 2024, Rechtsanwälte Rn. 69; HK-RVG/Winkler/Teubel, 8. Aufl., § 3a Rn. 158) Abrechnungsart in den Vertrag einführt, verfolgt nicht schon dann treuwidrig eigene Belange auf Kosten des Mandanten, wenn er keine zur Abschätzung des finanziellen Gesamtaufwands geeigneten Angaben erteilt oder sich nicht bereits bei Vertragsschluss verpflichtet, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen oder über die Stundenzahl zu informieren. Dies allein benachteiligt den Mandanten nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen. [31] Der Rechtsanwalt strebt mit einer vorformulierten keine einseitige Durchsetzung eigener Interessen Stundenhonorarvereinbarung nicht an, seine Interessen einseitig zum Nachteil des Mandanten durchzusetzen. Die vorformulierte Vereinbarung eines Zeithonorars dient nicht dazu, wirtschaftliche Vertragsrisiken zu verschleiern und so den Mandanten treuwidrig zum Abschluss einer ihm nachteiligen Vergütungsabrede zu veranlassen. Die Wahl einer Stundenvergütung trägt dem Interesse des Mandanten nach einer für ihn nachvollziehbaren Preisermittlung Rechnung. Denn anders als im Fall der Abrechnung nach dem für rechtliche Laien regelmäßig nur unter Zuhilfenahme fachkundiger Hilfe zu überblickenden gesetzlichen Gebührenrecht bemisst sich das Anwaltshonorar lediglich anhand zweier Größen (Stundensatz und aufgewandte Zeit). [32] Die formularmäßige Stundenhonorarvereinbarung stellt auch unter dem Gesichtspunkt der Vorenthaltung von Informationen keine missbilligenswerte Vertragsgestaltung dar. Der Rechtsanwalt darf davon ausgehen, dass jedenfalls der durchschnittliche Mandant ohne weiteres erkennen wird, dass die Vergütungshöhe nicht allein vom Stundensatz, sondern gleichermaßen vom Gesamtbearbeitungsaufwand abhängt. Dies gilt umso mehr, als Bezugspunkt der in Rede stehenden Klauselunklarheit eine Preishauptabrede ist. Der Kunde wird ihr regelmäßig besondere Aufmerksamkeit widmen, weil sie den Kern des Vertragsinteresses beider Parteien betrifft. Hierzu trägt weiter bei, dass § 3a I 2 RVG für eine Vergütungsvereinbarung eine von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzte Vereinbarung vorschreibt. [33] (bb) Eine formularmäßige Zeithonorarvereinbarung verschafft dem Rechtsanwalt keinen rechtlichen Gestaltungsspielraum, die dieser Abrechnungsart innewohnende Missbrauchsmöglichkeit (oben Rn. 15) zu ergreifen. Darin unterscheidet sich die formularmäßige Zeithonorarvereinbarung eines Rechtsanwalts von anderen Fällen der Klauselunklarheit, in denen der BGH eine unangemessene Benachteiligung des Kunden auf die mit der Unklarheit verbundenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gestützt hat (oben Rn. 28). Die Rechtsprechung des BGH schützt den Mandanten vor den Gefahren einer treuwidrigen oder missbräuchlichen Abrechnung des Zeithonorars. [34] Zum einen treffen den Rechtsanwalt strenge DarleSchutz vor treuwidriger oder missbräuchlicher Abrechnung gungsanforderungen hinsichtlich des Bearbeitungsaufwands. Er hat die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzutun (oben Rn. 16). Insoweit hat der Rechtsanwalt etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt und zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 79; v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 37). Er hat diesen Zeitaufwand zudem im Streitfall zu beweisen (BGH, Urt. v. 4.2.2010, a.a.O. Rn. 77; v. 13.2.2020, a.a.O.). Dies erfordert eine zeitnahe und sorgfältige Dokumentation der Arbeitsschritte und lässt die – in der Praxis der Zeitabrechnung weithin übliche (vgl. Kilian, in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 2024, Rechtsanwälte Rn. 70a) – Erteilung regelmäßiger Zwischenrechnungen tunlich erscheinen. [35] Zum anderen ist selbst der vom Rechtsanwalt nachgewiesene Zeitaufwand nur dann in vollem Umfang berücksichtigungsfähig, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit steht (BGH, Urt. v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 85). Dies unterliegt uneingeschränkter tatgerichtlicher Überprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.2.2010, a.a.O. Rn. 85) und nimmt dem Rechtsanwalt den rechtlichen Spielraum, das Zeithonorar durch eine nicht zeitschonende Mandatsbearbeitung treuwidrig in die Höhe zu treiben. Darüber hinaus ermöglicht § 3a III RVG n.F. eine Kontrolle der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt der Abrechnung. Ist sie unangemessen hoch, wird sie auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.2016 – IX ZR 119/14, WM 2017, 827 Rn. 29; v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, BGHZ 224, 350 Rn. 13). [36] 2. Jedoch ergibt sich im Streitfall eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 I 1 BGB aus dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Klauseln. Die vom Kl. vorformulierten Vereinbarungen über ein Zeithonorar (Abs. 1 S. 1 Hs. 2 der jeweiligen Preisabrede) sind deshalb unwirksam. Die mit der Stundenhonorarklausel VERGÜTUNG BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 315
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