BRAK-Mitteilungen 5-6/2024

[30] (1) Kirchengemeinden sind – wie auch Bistümer – nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 V WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts und als solche rechts- und vermögensfähig (vgl. BVerfGE 53, 366, 386 f.; BSG, NZS 1999, 253, 254; BSGE 39, 24, 27; Backert, in BeckOK BGB, § 89 Rn. 3 [Stand: 1.5.2022]; Geis, in Schoch/ Schneider, Verwaltungsrecht, § 11 VwVfG Rn. 20c [Stand: November 2023]; Friesenhahn, in Friesenhahn/ Listl/Scheuner, HdbStKirchR, Bd. I, 1974, S. 545 ff., 566 ff.; Schlief, in Friesenhahn/Scheuner/Listl, HdbStKirchR Bd. I, 1974, S. 299, 321 f.; Kirchhof, in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. I, 2. Aufl., S. 651, 679 f.; Zilles/Kämper, NVwZ 1994, 109, 110). Sie sind somit Dritte. Auf die kirchenrechtliche Betrachtungsweise kommt es bei der Frage, ob es sich bei den vom Kl. beratenen Kirchengemeinden um vom Bistum zu unterscheidende Rechtsträger handelt, nicht an. Von der Religionsfreiheit i.S.d. Art. 4 I und II GG umfasst ist zwar auch die religiöse Vereinigungsfreiheit, wie sie sich aus dieser Bestimmung i.V.m. den einschlägigen, durch Art. 140 GG einbezogenen Art. 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung v. 11.8.1919 (im Folgenden: WRV) ergibt. In Art. 137 III WRV wird das kirchliche Selbstbestimmungsrecht besonders hervorgehoben. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (vgl. BVerfGE 137, 273 Rn. 90). Die berufsrechtliche Einordnung der Kirchengemeinden als Dritte berührt die Religionsfreiheit der Katholischen Kirche jedoch nicht, sondern wirkt sich allein auf die berufsrechtliche Stellung des Kl. aus. [31] Der Kl. hat mit Schriftsatz v. 23.5.2022 ausgeführt, dass Anfragen von Pfarreien weit überwiegend urheberrechtliche Fragestellungen beträfen. Der Verband der Diözesen Deutschlands habe für alle Bistümer Rahmenverträge mit den bekannten Inhabern von Nutzungsrechten geschlossen. Darin sei geregelt, welche Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken unentgeltlich oder entgeltlich möglich sei. Es seien auch das Streamen von Gottesdiensten und die damit verbundenen urheberrechtlich relevanten Handlungsweisen geregelt. Der Kl. habe gemeinsam mit der Kommunikationsabteilung des Bistums eine Übersicht erstellt, die im Intranet des Bistums zu finden sei. Gelegentlich erreichten den Kl., dessen Kontaktdaten unter der Übersicht angegeben seien, Anfragen hierzu. In der Anhörung hat der Kl. angegeben, dass er den Pfarreien auch mitteile, was urheberrechtlich zulässig sei. Bei Erteilung der Auskunft handelt der Kl. somit in Rechtsangelegenheiten der Pfarreien, weil er sie über die ihnen zukommenden Rechten und Pflichten berät. [32] (2) Nach § 46 V 2 Nr. 2 BRAO gehören zu den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers auch erlaubte Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um eine Vereinigung oder Gewerkschaft nach § 7 RDG oder nach § 8 I Nr. 2 RDG handelt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. [33] (a) Zu den Vereinigungen nach § 8 I Nr. 2 RDG Vereinigungen nach §8INr.2RDG zählen juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Unternehmen und Zusammenschlüsse. Ihnen sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, die sie im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs erbringen (Senat, Urt. v. 25.3.2022 – AnwZ (Brfg) 8/21, NJW-RR 2023, 57 Rn. 65). Auch Kirchen zählen zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts i.S.d. § 8 I Nr. 2 RDG (vgl. BT-Drs. 18/ 5201, 30; Dux-Wenzel, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 8 Rn. 18; Müller, in BeckOK RDG, § 8 Rn. 8 [Stand: 1.4.2024]). [34] (b) Bei den Kirchengemeinden handelt es sich um „Mitglieder“ des Bistums i.S.d. § 46 V 2 Nr. 2 BRAO. Die Vorschrift nimmt auf die Organisation der Kirche Bezug, da die Frage, ob eine Stellung als „Mitglied“ vorliegt, nur in Anwendung und Auslegung der Bestimmungen beantwortet werden kann, welche den Aufbau der Kirche regeln und Ausfluss des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III WRV sind. [35] Die Kirchengemeinden sind kirchliche Untergliederungen (vgl. BVerfGE 53, 366, 386). Soweit Can. 374 § 1 CIC bestimmt, dass jede Diözese in Pfarreien aufzugliedern ist, ist dies Ausdruck der aus dem öffentlichrechtlichen Korporationsstatus folgenden Organisationsgewalt, welche die Kompetenz zur Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung und Aufhebung öffentlichrechtlicher Untergliederungen und sonstiger öffentlichrechtlicher Rechtssubjekte zuweist (vgl. Kirchhof, in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. I, 2. Aufl., S. 651, 670). Dabei verstehen die kirchenrechtlichen Vorschriften die Kirchengemeinde jedoch nicht als autonome juristische Person unter der Aufsicht des Bischofs, sondern als – wenn auch rechtsfähigen – Bestandteil des Bistums. [36] Gemäß Can. 375 § 1 CIC werden die Bischöfe in der Kirche zu Hirten bestellt, um auch selbst Lehrer des Glaubens, Priester des heiligen Gottesdienstes und Diener in der Leitung zu sein. Dabei kommt dem Bischof nach Can. 381 § 1 Hs. 1 CIC in der ihm anvertrauten Diözese alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt zu, die zur Ausübung seines Hirtendienstes erforderlich ist. Im Bereich der Vermögensverwaltung hat gemäß Can. 1276 § 1 CIC der Ordinarius – dazu gehören auch die Diözesanbischöfe (vgl. Can. 134 § 1 CIC) – gewissenhaft die Verwaltung des gesamten Vermögens zu überwachen, das den ihm unterstellten öffentlichen juristischen Personen gehört. [37] Gemäß Can. 515 § 1 CIC ist die Pfarrei eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Seelsorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut wird. Pfarreien zu errichten, aufzuheben oder sie zu verändern, ist allein Sache BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 326

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