[12] Die Berufung wurde nicht durch einen postulationsfähigen Vertreter eingelegt. [13] 1. Gemäß § 11 I 1 ZPO müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter und bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind gem. § 11 IV 2 ArbGG außer Rechtsanwälten nur die in § 11 II 2 Nr. 4 und 5 bezeichneten Organisationen zugelassen. Fehlt es bei der Einlegung der Berufung an einer solchen ordnungsgemäßen Vertretung, ist diese unzulässig (BAG, Beschl. v. 19.3.1996 – 2 AZB 36/95; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.2.2003 – 4 Sa75/02). [14] 2. Vorliegend kommt lediglich eine Vertretung der Bekl. durch Herrn D. in seiner Funktion als Rechtsanwalt gem. § 11 IV 2, 1. Alt. ArbGG in Betracht. [15] a) § 11 IV 2, 1. Alt. ArbGG stellt auf eine Eigenkeine eindeutige Vertretung als Rechtsanwalt schaft als „Rechtsanwalt“ ab. Es verwendet gerade nicht den allgemeineren Begriff des „Anwalts“. Maßgeblich ist deshalb dass der Vertreter als Rechtsanwalt bei einem deutschen Gericht zugelassen ist. Es soll gewährleistet werden, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) unabhängig von Weisungen seines Mandanten die Verantwortung für die Prozesshandlungen übernimmt. Eine solche Unabhängigkeit ist bei vertraglich gebundenen Syndikusanwälten nicht gegeben. Diese unterliegen im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses den Weisungen ihres Arbeitgebers und stehen zu diesem in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung. Daraus folgt, dass bloße Syndikusanwälte in dieser Funktion nicht postulationsfähig sind i.S.v. § 11 IV ArbGG (BAG, Beschl. v. 19.3.1996 – 2 AZB 36/95). [16] b) Ein Rechtsanwalt tritt nur dann als Organ der Rechtspflege auf, wenn er außerhalb eines Arbeitsverhältnisses handelt, das ihn dem Weisungsrecht der Partei unterwirft. Ist ein Rechtsanwalt bei einer Partei angestellt, obliegt es deshalb der Partei, dem Rechtsanwalt außerhalb seines Anstellungsverhältnisses einen gesonderten Auftrag und eine Vollmacht zu erteilen. Legt ein angestellter Rechtsanwalt ein Rechtsmittel ein, muss der Rechtsmittelschrift zu entnehmen sein, dass der Handelnde als unabhängiger Prozessbevollmächtigter auftritt und als solcher ohne Bindung an die Weisungen seines Mandanten die Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt. Die Frage, ob eine Partei sich bei der Einlegung der Berufung ordnungsgemäß hat vertreten lassen, ist durch Auslegung der Berufungsschrift zu beantworten (BAG, Urt. v. 17.9.2013 – 9 AZR 75/12; LAG Nürnberg, Beschl. v. 17.12.2020 – 4 TaBV 11/20). Dass der Rechtsanwalt in dieser Form als unabhängiger Rechtsanwalt B. einlegt, hat er hinreichend zu verdeutlichen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.2. 2003 – 4 Sa 75/02). [17] c) In Anwendung dieser Grundsätze kann nicht einUngewissheit geht zu Lasten des Unternehmens deutig ermittelt werden, in welcher Funktion Herr D. bei Einlegung der Berufung handelte. Diese Ungewissheit geht zu Lasten der Bekl. [18] aa) Die fehlende Weisungsbindung des Herrn D. kann nicht schon daraus entnommen werden, dass er (möglicherweise) nicht (mehr) in einem Dienstverhältnis zur Bekl. steht, sondern zur Groupe S. W. Sh. S. GmbH. [19] Legt nämlich ein Prozessbevollmächtigter, der in einem von ihm nicht näher beschriebenen Rechtsverhältnis zu einer im Konzernverbund stehenden Gesellschaft steht, ein Rechtsmittel für eine andere Gesellschaft des Konzerns ein, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass er das Rechtsmittel in seiner Eigenschaft als unabhängiges Organ der Rechtspflege einlegen will. Gerade dann, wenn der Rechtsanwalt für eine Gesellschaft handelt, bei der es sich – wie im vorliegenden Fall – ganz offensichtlich um eine Konzerngesellschaft handelt, die als Service-Gesellschaft für das Personalund Sozialwesen der anderen Konzerngesellschaften zuständig ist, drängt sich ein weisungsgebundenes Handeln im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.2.2003 – 4 Sa 75/ 02). [20] bb) Die Auslegung der Berufungsschrift ist uneindeutig. [21] (1) Zugunsten einer Einlegung der Berufung durch Herrn D. in seiner Funktion als unabhängiger Rechtsanwalt spricht, dass er sowohl in der Sachbearbeiterbezeichnung auf dem Briefbogen als „Rechtsanwalt“ benannt wird als auch im Rubrum bei der Benennung des „Prozessbevollmächtigten“, dort sogar unter Angabe seiner M. Anschrift, statt der Anschrift der Bekl. [22] Dies wird aber wieder dadurch relativiert, dass kein Briefbogen der eigenen Kanzlei Herr D. gerade keinen Briefbogen seiner eigenen Kanzlei nutzte, sondern einen Briefbogen der Groupe S., bzw. der Groupe S. W. Sh. S. GmbH. Ein unabhängiger Rechtsanwalt nutzt gemeinhin nicht die Briefbögen seiner Mandantschaft. Er gibt als Kontaktanschriften auch nicht die dienstliche Telefonnummer und E-Mailanschrift an, unter der er bei seiner Mandantschaft erreichbar ist. Hinzu kommt, dass er gerade nicht nur als „Rechtsanwalt“ bezeichnet wird, sondern in der Signaturzeile als „Rechtsanwalt ⏐Fachanwalt für Arbeitsrecht I Syndikusrechtsanwalt“. Offenbar soll sich der Leser aussuchen, welche Funktion er für seine Zwecke gerade braucht. Mit dieser Beliebigkeit wird keine Klarheit geschaffen. [23] (2) Die Versendung der Berufungsschrift erfolgte über das beA des Herrn RA D. unter seiner M. Absenderadresse. Dies könnte dafür sprechen, dass er in seiner Funktion als unabhängiger Rechtsanwalt hat tätig werden wollen. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5–6/2024 329
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