BRAK-Mitteilungen 1/2025

III. EUROPAWEITER VERGLEICH Im europäischen Vergleich fallen die deutschen Umfrageergebnisse über einen großen Teil der Fragen hinweg weniger negativ aus als der Durchschnitt, die Grundtendenzen sind jedoch dieselben. 1. UMFRAGEN Die in den Umfragen gestellten Fragen wurden durch die teilnehmenden Mitglieder im Menschenrechts-Komitee des CCBE abgestimmt und weitestgehend parallel gestellt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen. Die Zahl der teilnehmenden Anwältinnen und Anwälte unterscheidet sich in den einzelnen Ländern zum Teil erheblich. Das muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Auch die fachliche Ausrichtung der Teilnehmenden differiert, was einen Hinweis auf die unterschiedlich starken Ausprägungen bei den einzelnen Fragen geben könnte. Es wäre denkbar, dass in manchen Ländern die Umfrage vor allem in besonders stark betroffenen Teilsegmenten der Anwaltschaft zirkuliert wurde; dies kann sich bei einer insgesamt geringen Teilnahmequote deutlich auswirken. 2. WICHTIGSTE ERGEBNISSE Die wichtigsten Ergebnisse der Befragung hat der CCBE in seinem Übersichtsbericht im Detail analysiert. Sie werden nachfolgend dargestellt und in Bezug zu den Ergebnissen der deutschen Befragung gestellt. a) ANTEIL DER BETROFFENEN Über die Hälfte der teilnehmenden Anwältinnen und Anwälte (durchschnittlich ca. 57 %) erlebten in den vergangenen zwei oder drei Jahren17 17 Hier wichen die Umfragen der Länder z.T. voneinander ab. Bedrohungen oder Aggression. In Deutschland liegt der Anteil etwas darunter (vgl. oben II.3.a)). Zu dieser Frage liegen allerdings nur aus der Hälfte der teilnehmenden Länder Ergebnisse vor. b) ART DES VORFALLS Mit nahezu zwei Dritteln (ca. 64 %) bildet verbale Aggression den häufigsten Typ von Vorfällen. Das ist deckungsgleich mit dem Ergebnis in Deutschland (63,66 %). In allen beteiligten Ländern ist verbale Aggression die mit Abstand häufigste Form. Belästigungen werden mit durchschnittlich ca. 44 % angegeben. In Deutschland waren hingegen mit 17,71 % signifikant weniger Anwältinnen und Anwälte hiervon betroffen. Auch Bedrohungen erfolgen in den europäischen Ländern insgesamt deutlich häufiger als in Deutschland. Im Durchschnitt berichteten mehr als ein Drittel (ca. 36 %) von derartigen Vorfällen, in Deutschland lediglich 14,39%. Bei physischer Aggression liegt Deutschland mit 4,25 % ebenfalls deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 11,86 %. c) AUSWIRKUNGEN Durchschnittlich gab ein gutes Drittel (ca. 34 %) der Teilnehmenden an, die erlebten Vorfälle hätten keine Auswirkungen auf sie gehabt. Korrespondierend zum Bild bei den Arten von aggressivem Verhalten geben in Deutschland mehr Teilnehmende – knapp 42 % (s. oben II.3.d)) – an, die Vorfälle hätten auf sie keine Auswirkungen gehabt. In Bezug auf das Arbeitsumfeld unterscheiden sich die Auswirkungen im Vergleich weniger stark. Nahezu gleich viele Teilnehmende in Deutschland und im Durchschnitt aller Umfragen (31,55 % bzw. 32,12 %) erlebten Auswirkungen auf ihre Arbeitszufriedenheit. Rund 20 % bzw. rund 16 % änderten ihr Verhalten in der Arbeit und ca. 11,5 % bzw. 12,8 % erlebten Auswirkungen auf ihre Leistung. Die Auswirkungen auf die physische Gesundheit waren in Deutschland und im Durchschnitt mit ca. 4 % nahezu identisch. Auffällig ist, dass in Deutschland mehr Anwältinnen und Anwälte als im Durchschnitt (rund 8 % bzw. rund 4 %) ihr Nutzungsverhalten sozialer Medien infolge von aggressiven Vorfällen änderten. d) AUFGEBEN DES ANWALTSBERUFS Im europäischen Durchschnitt denken 2,55 % oft und 2,45 % regelmäßig darüber nach, den Anwaltsberuf wegen der erlebten Aggression oder Bedrohungen aufzugeben. Knapp 12 % tun dies manchmal, weitere rund 18 % selten. Auch insoweit sind die Anteile signifikant höher als in Deutschland (vgl. oben II.3.b)). Dort gaben über 77 % an, nicht an die Aufgabe ihres Berufs zu denken, im europäischen Durchschnitt waren dies lediglich 64,64 %. Diese Differenz lässt sich dadurch erklären, dass Anwältinnen und Anwälte im Durchschnitt auch mehr aggressive Vorfälle erleben und zudem häufiger über negative Auswirkungen berichten als in Deutschland. Der Befund, dass in der Mehrzahl der Länder durchschnittlich jede fünfte betroffene Anwältin bzw. jeder fünfte betroffene Anwalt mindestens einmal über Berufsaufgabe nachgedacht hat, bleibt dennoch alarmierend. e) WAHRGENOMMENES RISIKO In nahezu allen Ländern beeinflusst das Risiko, durch die anwaltliche Tätigkeit Drohungen, Belästigungen und Aggression zu begegnen, die Mehrheit der teilnehNITSCHKE, AGGRESSION UND BEDROHUNG GEGEN ANWÄLTINNEN UND ANWÄLTE – EIN EMPIRISCHER BLICK AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 15

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