BRAK-Mitteilungen 1/2025

ansonsten uneingeschränkt erteilten Kostendeckungszusage auszunehmen. Mit dem Versuch zu argumentieren, er schulde bedingungsgemäß lediglich die Erstattung „eines für den Versicherungsnehmer tätigen Anwalts“, vorliegend sei dieser jedoch durch einen Dritten im Rahmen eines „kostenlosen Servicevertrags“ eingeschaltet worden, scheiterte ein Versicherer vor dem AG Rockenhausen.10 10 Vgl. AG Rockenhausen, Urt. v. 17.9.2024 – 7 C 17/23 Rn. 73 ff. Anders als in dem vom BGH11 11 Vgl. BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 211/14, NJW-RR 2016, 693. entschiedenen Fall eines (nichtigen) Prozessbetreuungs- und -steuerungsvertrags blieb der Versicherungsnehmer hier Herr der Entscheidungen und weisungsbefugter Auftraggeber des Anwalts. b) ANSPRUCH AUF DECKUNGSENTSCHEIDUNG FÜR AUSSERGERICHTLICHE UND ERSTINSTANZLICHE INTERESSEWAHRNEHMUNG Einen Anspruch auf umfassende, den gesamten Instanzenzug umfassende Kostendeckungszusage hat der Versicherungsnehmer nach – soweit ersichtlich – unbestrittener Ansicht nicht.12 12 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.4.1999 – IV ZR 197/98, r+s 1999, 285 (286). Hintergrund ist, dass sich die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzziels im Laufe der Zeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen grundlegend ändern können. Für das Verhältnis von Kostendeckung für außergerichtliche und erstinstanzliche Interessenwahrnehmung gilt dies nur eingeschränkt. Insbesondere wenn der Versicherer bereits Deckung für die Kosten außergerichtlicher Deckung abgelehnt hat, wäre es mangels anderweitiger Regelung in den Bedingungen bloße Förmelei, den Kläger einer daraufhin erhobenen Deckungsklage die Klärung des Deckungsanspruchs auch für die Kosten der ersten Instanz zu versagen.13 13 Vgl. LG Mönchengladbach, Urt. v. 15.2.2024 – 1 O 75/23 m. zust. Anm. CorneliusWinker; jurisPR-VersR 4/2024 Anm. 4. Auch wenn, wie etwa in den Fällen des „Dieselskandals“, dem Versicherer die erwartbaren Einwendungen des Anspruchsgegners aus einer Vielzahl gleichartiger Verfahren bereits bekannt sind, kann der Versicherungsnehmer sogleich auch Kostendeckungszusage für eine etwaige gerichtliche Geltendmachung verlangen.14 14 Vgl. Vgl. LG Berlin II, Urt. v. 19.3.2024 – 24 O 50/23 Rn. 21. c) ZUSAMMENHÄNGENDE VERSICHERUNGSFÄLLE UND ERSCHÖPFUNG DER VERSICHERUNGSSUMME Das LG Köln15 15 Vgl. LG Köln, Urt. v. 15.4.20224 – 24 O 90/23 Rn. 32 f. hat zutreffend erkannt, dass das beabsichtigte Vorgehen gegen den Hersteller eines behauptet fehlerhaften Brustimplantats und gegen die behandelnde Klinik wegen einer behauptetet unzulänglichen Risikoaufklärung zwar zwei Versicherungsfälle darstellt, aber demselben Geschehensablauf entspringt, der nach der Verkehrsauffassung als ein einheitlicher Lebensvorgang aufzufassen ist. Der Versicherer schuldet damit gem. § 5 IV 2 ARB die vereinbarte Versicherungssumme nur einmal. 3. KOSTENSCHULDNERSCHAFT UND ANFORDERUNGEN AN EINEN STICHENTSCHEID Das OLG Stuttgart16 16 Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 25.1.2024 – 7 U 195/22 Rn. 39, NJW-RR 2024, 645; ebenso wohl OLG Hamm, Urt. v. 4.5.2023 – 6 U 257/22 und v. 4.5.2023 – 6 U 258/22 sowie LG Berlin v. 3.7.2023 – 23 O 61/23 u. v. 21.7.2023 – 4 O 47/23. A.A. OLG Hamm, Urt. v. 20.9.2023 – 20 U 240/22, NJW-RR 2024, 250. Die Frage bleibt streitig. Vgl. insoweit bereits Völker, BRAK-Mitt. 2024, 27 (30) m.w.N. hat zutreffend entschieden, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung von den Kosten eines Stichentscheidsverfahrens unbedingt und nicht davon abhängig ist, dass die daraufhin erbrachte Anwaltsleistung die inhaltlichen Anforderungen an einen Stichentscheid erfüllt und damit verbindlich ist. Ist der Versicherer der Ansicht, die Anwaltsleistung sei insoweit mangelhaft, mag er seinem Versicherungsnehmer Abwehrdeckung gewähren.17 17 Hierzu grundlegend BGH, Urt. v. 12.12.2018 – IV ZR 216/17 Rn. 13, NJW-RR 2019, 1050, NJW-RR 2019, 1050. Liegt allerdings eine wirksame Deckungsablehnung etwa mangels Einhaltung der vereinbarten Schriftform gar nicht vor, bedurfte es wegen der eintretenden Deckungsfiktion gar keines Stichentscheids und eine Kostentragungspflicht scheidet aus.18 18 So LG Aachen, Urt. v. 3.5.2024 – 9 O 239/23 Rn. 25 f. III. RECHTSSCHUTZFALL 1. EINTRITT DES VERSICHERUNGSFALLS IN AKTIVFÄLLEN Ein Versicherungsnehmer erwarb ein gebrauchtes Kraftfahrzeug, das aus seiner Sicht mit ständigen, auch durch Updates nicht zu behebenden Softwareproblemen zu kämpfen hatte. 16 Monate nach dem Kauf schloss er eine Rechtsschutzversicherung ab und widerrief am Folgetag den im Fernabsatz geschlossenen Kaufvertrag – unter ausführlicher Schilderung der von ihm gesehenen Unzulänglichkeiten des Fahrzeugs. Kurz zuvor war er in Kontakt mit einem Rechtsanwalt getreten, der ihn aber angeblich nur in anderer Sache beraten hatte – ohne dass der Versicherungsnehmer dies im Deckungsprozess hätte erläutern können. Diesen hatte der Versicherungsnehmer angestrengt, weil der Versicherer Vorvertraglichkeit eingewandt und den Vertrag wegen arglistiger Täuschung durch Verneinen der Antragsfrage, ob in den vergangenen drei Jahren Leistungen eines Anwalts in Anspruch genommen worden seien, angefochten hatte. Ferner hatte er sich leistungsfrei gesehen wegen Nichterfüllung einer spontan, ohne ausdrückliches Auskunftsverlangen zu erfüllenden Pflicht anzuzeigen,19 19 Die nur in „krassen“ Fällen (wie hier) in Betracht kommt. Vgl. hierzu etwaSpuhl, in Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, 25. Ed. 11/2024, § 19 VVG Rn. 61. gesichert einen Rechtsstreit führen zuwollen. Nachdem die Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, ihm sei es bei seinem Widerruf nicht auf VÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2024 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 19

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