BRAK-Mitteilungen 1/2025

VersR 2024, 1611 ff. Anschluss durch OLG Köln, Beschl. v. 2.7.2024 – 9 U 51/24 Rn. 5; LG Würzburg, Urt. v. 26.6.2024 – 41 S 1839/23 Rn. 15. Ebenso bereits zuvor LG Augsburg, Urt. v. 1.2.2024 – 91 O 2094/23 Rn. 24; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.2024 – 9 O 214/22 Rn. 38; LG Frankfurt, Urt. v. 19.4.2024 – 2-08 O 332/22 Rn. 57 f.; LG Hagen, Urt. v. 20.2.2024 – 9 O 59/23 Rn. 45; LG Landau, Urt. v. 25.4. 2024 – 4 O 364/22 Rn. 47 f.; LG Stralsund, Urt. v. 23.1.2024 – 6 O 103/23 Rn. 30; AG Auerbach, Urt. v. 25.1.2024 – 2 C 50/23 Rn. 45; AG Düsseldorf, Urt. v. 20.2. 2024 – 41 C 55/23 Rn. 37; AG Hamm, Urt. v. 30.5.2024 – 28 C 51/23 Rn. 40. Gefolgschaft offen lassend OLG Frankfurt, Urt. v. 30.8.2024 – 12 U 54/23 Rn. 31, 43. Gegenteilig, aber zeitlich überholt noch OLG Schleswig, Urt. v. 27.5.2024 – 16 U 225/23 Rn. 47 ff. Bis dahin war es vermeintlich in Stein gemeißelte Rechtsansicht, dass sich die Frage danach, ob einer beabsichtigten Interessewahrnehmung hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 3a ARB zukommt, ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife, regelmäßig also dem Zeitpunkt der unverzüglich nach Erfüllung der Informationsobliegenheit durch den Versicherungsnehmer zu treffenden Deckungsentscheidung des Rechtsschutzversicherers richte. Spätere Änderungen der Rechtsprechung sollten keine Berücksichtigung finden. Dies stellte das OLG München in der genannten Entscheidung, soweit ersichtlich, erstmals in Frage, andere Ober- und Instanzgerichte folgten oder wandten sich in der Folge dezidiert dagegen. Der BGH positioniere sich nun mit im Ergebnis überzeugenden Gründen dahin, dass dem Versicherungsnehmer günstige Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten zwischen der hierauf gestützten Deckungsablehnung des Versicherers und dem Schluss der mündlichen Verhandlung in einem daraufhin geführten Deckungsprozess berücksichtigt werden müssen. Der Bedingungswortlaut spreche nicht dagegen, Sinn und Zweck der Regelung in § 3a I ARB sowie Erwägungen zu Billigkeit und Verfahrensökonomie dagegen dafür. Die Regelung wolle vermeiden, dass Deckungsschutz für aussichtslose Rechtsverfolgung gewährt werden müsse. Dieses Ziel werde verfehlt, wenn aufgrund geänderter rechtlicher Bewertung hinreichende Erfolgsaussicht nicht (mehr) verneint werden könne. Es liefe auch auf bloße Förmelei hinaus, den Versicherungsnehmer auf einen erneuten, dann erfolgreichen Deckungsantrag zu verweisen. Dem Kosteninteresse des Versicherers im laufenden Deckungsprozess sei durch die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses (§ 93 ZPO) hinreichend gedient. Dieses Verständnis entspreche auch der Rechtslage im Prozesskostenhilferecht, das für die Auslegung des versicherungsvertraglichen Merkmals hinreichender Erfolgsaussicht maßgeblich sei. Im umgekehrten Fall wird sich ein Versicherer von einer bereits erteilten Deckungszusage nicht etwa bereits deshalb lösen können, weil sich nach Bewilligungsreife die Erfolgsaussichten zulasten seines Versicherten wegen geänderter Rechtsprechung verschlechtert haben.31 31 Vgl. LG Heidelberg, Urt. v. 30.1.2024 – 2 S 2/23 Rn. 70, NJW-RR 2024, 450; Urt. v. 31.10.2024 – 2 O 20/24 Rn. 36; LG München I, Urt. v. 1.10.2024 – 23 O 1100/23 Rn. 36; LG Stralsund, Urt. v. 23.1.2024 – 6 O 103/23 Rn. 30; zuvor bereits OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.12.2016 – 12 U 106/16 Rn. 26, NJW 2017, 277. Ebenso Cornelius-Winkler, Looschelders, Grams a.a.O. In der Entscheidung v. 5.6.2024 – IV ZR 140/23 hat der Senat die Frage allerdings, weil nicht entscheidungserheblich, in Rn. 31 offengelassen. Denn bei einer Deckungszusage handelt es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das einen Vertrauenstatbestand erzeugt, der es dem Versicherer verwehrt, sich bei fehlerhafter Einschätzung des Sachverhalts auf die Fehlerhaftigkeit der Deckungszusage zu berufen.32 32 Vgl. BGH, Urt. v. 16.7.2014 – IV ZR 88/13 Rn. 21, BGHZ 202, 122. Dies setzt allerdings – wie die OLGe München und Stuttgart wohl zutreffend einschränken – voraus, dass der Versicherungsnehmer dieses Vertrauen bereits in Anspruch genommen hat, etwa durch Erzeugung von Kosten im Zuge der Rechtsverfolgung.33 33 Vgl. OLG München, Urt. v. 1.8.2024 – 25 U 1638/23 e Rn. 13 und OLG Stuttgart, Urt. v. 25.1.2024 – 7 U 195/22 Rn. 22, NJW-RR 2024, 645; wohl auch OLG Rostock, Beschl. v. 12.3.2024 – 4 U 114/23 Rn. 9, K&R 2024, 756. Allerdings wird der Anwalt aus dem Mandatsverhältnis verpflichtet, seinen Mandanten über die geänderten Erfolgsaussichten aufzuklären und bei objektiv gewordener Aussichtslosigkeit zur Beendigung des Versuchs der Rechtsdurchsetzung zu raten, will er sich nicht dem Risiko aussetzen, vom Versicherer in Kostenregress genommen zu werden.34 34 S. etwa unten V.1. b) UNVERZÜGLICHE MITTEILUNG DER ABLEHNUNGSGRÜNDE Die im Berichtszeitraum ergangene Judikatur bestätigt die ganz überwiegende Auffassung, wonach der Versicherer zur Vermeidung der Deckungsfiktion die etwaige Rechtsschutzablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit unverzüglich nach Erhalt aller für seine Entscheidung notwendigen Informationen zu erklären habe. Im Regelfall seien zwei bis drei Wochen35 35 Vgl. im Berichtszeitraum etwa OLG Köln, Beschl. v. 25.6.2024 – 9 U 5/24 Rn. 6; Beschl. v. 4.7.2024 – 9 U 49/24 Rn. 6; ebenso in der Lit. etwaMünkel, inRüffer/ Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl. 2020, § 3a ARB 20201 Rn. 6. Gebilligt auch vom BGH, Urt. v. 20.7.2016 – IV ZR 245/15 Rn. 38, NJW-RR 2016, 1505. hierfür ausreichend. Im konkreten Fall hat das OLG Schleswig auch einmal einen Zeitraum von einem Monat als noch unschädlich angesehen,36 36 Vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 27.5.2024 – 16 U 225/23 Rn. 35. das LG Karlsruhe37 37 Vgl. LG Karlsruhe, Urt. v. 7.8.2024 – 9 S 1234/23 Rn. 22. hingegen einen solchen von dreieinhalb Wochen, selbst über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel nicht mehr. Ein Zeitraum von elf Wochen war dem LG Augsburg38 38 Vgl. LG Augsburg, Urt. v. 1.2.2024 – 91 O 2094/23 Rn. 20. eindeutig zu lang. Zugrunde lagen jeweils „Diesel-Fälle“. Beruft sich der Versicherer zunächst nur auf mangelnde Erfolgsaussichten, ist ihm der spätere Einwand, es liege auch Mutwilligkeit vor, verwehrt.39 39 Vgl. LG Heidelberg, Urt. 31.10.2024 – 2 O 20/24 Rn. 54. Ebenso Harbauer/ Schmitt, § 3a ARB 2010 Rn. 8. c) HINREICHENDE ERFOLGSAUSSICHTEN IM FALL EINES BEHAUPTETEN IMPFSCHADENS Auch das LG Köln40 40 Vgl. LG Köln, Urt. v. 16.5.2024 – 24 O 77/23 Rn. 46 ff. Ebenso bereits LG Mönchengladbach, Urt. v. 7.9.2023 – 1 O 25/23 Rn. 45 ff. undVölker, BRAK-Mitt. 2024, 27 (32). sah auf dem Boden der entsprechend anzuwendenden Maßstäbe des § 114 ZPO in AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 21

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