dem ihm unterbreiteten Fall der beabsichtigten Klage gegen den Hersteller eines Covid-19-Impfstoffs gem. § 84 I AMG jedenfalls hinreichende Aussicht auf Erfolg. 6. SCHIEDSGUTACHTERVERFAHREN UND STICHENTSCHEIDE NACH § 3A ARB 2010 a) AUSLEGUNG UND WIRKSAMKEIT DER REGELUNGEN ZUM SCHIEDSGUTACHTERVERFAHREN GEM. § 3A ARB § 3a I und IV ARB enthalten Regelungen zur Ausgestaltung eines Schiedsgutachterverfahrens für den Fall, dass der Versicherer Deckung mangels hinreichender Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung ablehnt. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer in der Mitteilung über die Deckungsablehnung darüber zu informieren, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimme, innerhalb eines Monats die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens verlangen kann.41 41 Die Befristung ist in den aktuellen Musterbedingungen ARB 2021 nicht mehr enthalten; vgl. dort Ziff. 3.4.2/3.4.3. Er ist ferner aufzufordern, binnen der Monatsfrist dem Versicherer alle seiner Ansicht nach für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens notwendigen Unterlagen zuzusenden. Ein Verbraucherschutzverein hielt beide Vorgaben wegen Abweichung von § 128 S. 1 VVG gem. § 129 VVG und zudem wegen Intransparenz gem. § 307 BGB für unwirksam. Im Gegensatz zur Vorinstanz hielt der BGH42 42 Vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2024 – IV ZR 341/22 Rn. 15 ff. NJW 2024, 2395 und m. zust. Anm. Grams, LMK 2024, 815100; ders., FD-VersR 2024, 815100. Zum Urteil der Vorinstanz, OLG Celle v. 22.9.2022 – 8 U 336/21 vgl. auch Völker, BRAK-Mitt. 2023, 18 (20 f.). auch den ersten Teil der Regelung für wirksam. Er bejahte die im Schrifttum durchaus streitige Frage, ob es sich bei der Monatsfrist für das Verlangen der Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens, auch wenn die Klausel nicht explizit hierauf hinweise, um eine Ausschlussfrist handle, nach deren Ablauf dem Versicherungsnehmer das zusätzliche außergerichtliche Verfahren zur Konfliktbeilegung nicht mehr zur Verfügung stehe. Unter Transparenzgesichtspunkten bedürfe es keiner Belehrung über die Rechtsfolgen einer Fristversäumung. Auch sei der Beginn des Fristlaufs erkennbar an den Erhalt der Deckungsablehnung gekoppelt. Eine Abweichung von § 128 S. 1 VVG, der nur die Gewährleistung eines solchen Verfahrens garantiere, aber keine Modalitäten vorgebe, liege ebenfalls nicht vor.43 43 A.A. etwa Münkel/Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 3a ARB 20201 Rn. 7, der die Versäumung der Frist deshalb für unbeachtlich hält. Mit der Vorinstanz hält der BGH auch die Frist, dem Versicherer binnen eines Monats alle notwendig erscheinenden Unterlagen zu übersenden, für wirksam. Im Gegensatz zur erstgenannten handle es sich insoweit erkennbar nicht um eine Ausschlussfrist. Sie diene vielmehr dem Zweck des Gutachterverfahrens, eine möglichst rasche Beilegung des Meinungsstreits der Parteien zu ermöglichen. Eine Präklusion nach Fristablauf dem weiterleitungspflichtigen Versicherer oder dem Schiedsgutachter keine ergänzenden Unterlagen mehr überlassen zu dürfen, sei mit der Regelung erkennbar nicht intendiert, diese also weder intransparent noch den Versicherungsnehmer wider Treu und Glauben benachteiligend. Die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis mittragend bestätigte der BGH auch die ebenfalls angegriffene Regelung, wonach der Schiedsgutachter ein vom Präsidenten der zuständigen Rechtsanwaltskammer bestimmter, mindestens fünf Jahre zugelassener Rechtsanwalt sein müsse. Diese sei nicht deshalb intransparent, weil dem Versicherungsnehmer in der Klausel nicht ausdrücklich das Recht eingeräumt werde, den Schiedsgutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarte insoweit lediglich einen generell-abstrakten Mechanismus, der die Benennung eines unparteilichen Schiedsgutachters durch einen neutralen Dritten gewährleiste. Die weitere Verpflichtung, wonach dem Schiedsgutachter vom Versicherer alle „wesentlichen“ Mitteilungen und Unterlagen zuzusenden sind, ermögliche diesem keine dahingehende Ermessensentscheidung und hindere ebenfalls erkennbar den Versicherungsnehmer nicht, selbst an den Schiedsgutachter heranzutreten. Auch insoweit liege deshalb weder ein Verstoß gegen § 307 BGB noch gegen § 129 VVG vor. Zur Auslegung der Klauseln hat das OLG Düsseldorf44 44 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.6.2024 – 4 U 20/24 Rn. 9. zutreffend entschieden, dass der in einer Deckungsablehnung mangels hinreichender Erfolgsaussicht enthaltene Hinweis des Versicherers auf die Möglichkeit, ein Schiedsgutachterverfahren zu verlangen, den Eintritt der Deckungsfiktion des § 128 S. 2 VVG nicht hindert, wenn der Versicherungsvertrag gar kein solches Verfahren, sondern das grundlegend unterschiedliche Stichentscheidsverfahren vorsehe. b) ZEITRAUM ZWISCHEN DECKUNGSABLEHNUNG UND STICHENTSCHEID Nach Ansicht des OLG Schleswig45 45 Vgl. OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.5.2024 – 16 U 225/23 Rn. 81. soll ein nach Jahr und Tag erklärter Widerspruch gegen die mit korrektem Hinweis auf die Möglichkeit eines Stichentscheids versehene Deckungsablehnung keinen Anspruch mehr auf ein solches Verfahren gewähren und einem daraufhin erfolgten „Stichentscheid“ schon aus diesem Grund die Rechtsqualität eines solchen nehmen. Der Widerspruch sei vielmehr als neuer Deckungsantrag auszulegen. Großzügiger sahen dies die LGe Heidelberg und München I,46 46 Vgl. LG Heidelberg, Urt. v. 5.2.2024 – 2 O 38/23 Rn. 26 f. (14 Monate); LG München I, Urt. v. 27.3.2024 – 23 O 2579/23 Rn. 33 (über zwei Jahre); Urt. v. 1.10. 2024 – 23 O 1100/23 Rn. 30 f. (14 Monate). die mangels Anhaltspunkten für Verwirkung oder Fristsetzung durch den Versicherer Stichentscheiden mit ausreichender Begründungstiefe Bindungswirkung auch noch nach 14 Monaten bzw. über zwei Jahren zusprachen. BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 AUFSÄTZE 22
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