BRAK-Mitteilungen 1/2025

c) SCHRIFTFORM DER DECKUNGSABLEHNUNG Nicht höchstrichterlich geklärt ist bislang die Frage, ob die von zahlreichen Bedingungswerken (vgl. etwa § 3a I ARB) noch geforderte „schriftliche“ Deckungsablehnung, mangels der Deckungsfiktion eintritt, als gewillkürte Schriftform tatsächlich die strenge des § 126 I BGB, also eigenhändige Unterschrift des Ausstellers auf einer Urkunde) erfordert oder der Zweifelregel (§ 127 II 1 BGB) folgend telekommunikative Übermittlung ausreicht. Im Berichtszeitraum haben sich die LGe Aachen, Mosbach, Limburg und Bonn47 47 Vgl. LG Aachen, Urt. v. 3.5.2024 – 9 O 239/23 Rn. 25; LG Mosbach, Urt. v. 25.1. 2024 – 7 O 6/23; LG Limburg, Urt. v. 26.4.2024 – 2 O 90/23; LG Bonn, Beschl. v. 17.7.2024 – 8 S 108/23, unveröff., zit. nach Horacek/Nieland, r+s 2024, 1029 (1033). Ebenso Harbauer/Schmitt, § 3a ARB 2010 Rn. 6. der auch in der Literatur vertretenen strengen Ansicht angeschlossen. Telekommunikative Übermittlung, wenn sie den Aussteller jedenfalls im Briefeingang erkennen lässt, haben dagegen das OLG Schleswig und das AG Auerbach ausreichen lassen.48 48 Vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 27.5.2024 – 16 U 225/23 Rn. 36; AG Auerbach, Urt. v. 25.1.2024 – 2 C 50/23 Rn. 32. Ebenso bereits die AG Limburg, Urt. v. 11.9.2023 – 4 C 283/23 und AG Waldbröl v. 19.10.2023 – 6 C 49/23; s. Vorbericht Fn 32. IV. PROZESSUALES 1. STREITWERT DECKUNGSKLAGE UND MÖGLICHE SACHVERSTÄNDIGENKOSTEN Sich der überwiegenden Ansicht der Instanzgerichte anschließend hat der BGH49 49 Vgl. BGH, Beschl. v. 4.9.2024 – IV ZR 24/23 m. Anm. Grams, FD-VersR 2024, 819502, NJW-RR 2024, 1354 und Völker, BRAK-Mitt. 2020, 18 (25) m.w.N. gegen Harbauer/Schneider, § 20 ARB 2010 Rn. 13. bestätigt, dass nach dem Prinzip, wonach der Gebührenstreitwert das konkrete wirtschaftliche Interesse der gerichtlichen Rechtsschutz suchenden Partei abbilden soll, für den Streitwert einer Deckungsklage gegen einen Rechtsschutzversicherer neben den anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten auch Sachverständigenkosten in angemessener Höhe zu berücksichtigen sind, wenn für deren Entstehung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spreche. 2. VEREINBARTER GERICHTSSTAND UND § 215 III VVG In älteren ARB, insb. den noch immer einigen Rechtsschutzversicherungsverträgen zugrundeliegenden ARB 75, ARB 94 oder ARB 2003 findet sich eine (seinerzeit deklaratorische, weil die damalige gesetzlichen Zuständigkeiten wiedergebende) Regelung, wonach Klagen gegen den Versicherer an dessen Sitz oder dem Sitz der vertragsvermittelnden Agentur zu erheben sind. Bei prorogationsfähigen Versicherungsnehmern stellt sich die Frage, ob die dortige Regelung, so sie als Begründung eines ausschließlichen Gerichtsstands verstanden würde, vor dem Hintergrund von § 215 VVG n.F. Bestand haben und eine Klage am Sitz des Versicherungsnehmers ausschließt. Dies hat das LG Siegen gegen vereinzelte Literaturstimmen50 50 Sowohl Klimke/Prölss/Martin, § 215 VVG Rn. 34c. unter zutreffendem Hinweis auf den klaren Wortlaut von § 215 III, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind sowie die Gesetzesbegründung, verneint.51 51 Vgl. LG Siegen, Urt. v. 4.9.2024 – 1 O 61/23 Rn. 15 ff.; ebenso bereits LG Tübingen, Urt. v. 13.6.2023 – 4 O 73/23 Rn. 23 ff. V. SONSTIGES 1. REGRESS DES RECHTSSCHUTZVERSICHERERS GEGEN DENANWALT Obwohl einerseits die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung einige Kontur entwickelt hat und andererseits wohl davon auszugehen ist, dass auch Anwälte inzwischen problemsensibler agieren, ist auch im Berichtszeitraum wieder über Versuche von Rechtsschutzversicherern zu referieren, die aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten wegen der von ihnen bezahlten Kosten Regresse gegen Anwälte wegen des Führens angeblich objektiv aussichtsloser Verfahren betrieben.52 52 Vgl. dazu Völker, BRAK-Mitt. 2024, 27 (33); ders. ebenda 2023, 18 (24 f.) bzw. 2022, 20 (24 f.). Unter Bestätigung und weiterer Präzisierung der in seinem Grundsatzurteil vom 16.9.2021 entwickelten Voraussetzungen versagte der BGH53 53 Vgl. BGH, Urt. v. 16.5.2024 – IX ZR 38/23 Rn. 16 ff., NJW 2024, 3290, m. Anm. Cornelius-Winkler, jurisPR-VersR 10/2024 Anm. 2; Grams, FD-VersR 2024, 819504. einem Versicherer die Annahme des Anscheinsbeweises, sein Versicherungsnehmer hätte sich in einer Kapitalanlagesache trotz versicherungsrechtlich einwandfrei herbeigeführter Deckungszusage bei auch in diesem Fall geschuldeter umfassender und inhaltlich richtiger Aufklärung über das Prozessrisiko durch seinen Anwalt, gegen die gerichtliche Klärung entschieden. Dies setzte objektive Aussichtslosigkeit, also das Fehlen auch nur ganz geringfügiger Erfolgsaussichten voraus. Die Hürde hierfür ist und bleibt aus Sicht des anspruchstellenden Versicherers hoch. Selbst die höchstrichterliche Entscheidung einer Rechtsfrage führe dann nicht zu Aussichtlosigkeit, wenn diese sich mit im Schrifttum geäußerten Bedenken noch nicht auseinandergesetzt habe. Auch die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde besage lediglich, dass es an einem Zulassungsgrund gefehlt habe, nicht aber, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts einfachrechtlich zutreffend sei. Dies schließt natürlich nicht aus, dass dem Versicherer der Vollbeweis, ggf. durch Zeugenanhörung des Mandanten oder eines anderen Beteiligten, gelingen kann, sein Versicherungsnehmer hätte bei korrekter Risikoaufklärung trotz Kostendeckung vom Versuch der Anspruchsdurchsetzung abgesehen.54 54 So wie dies etwa im Fall des OLG München, Beschl. v. 17.1.2024 – 15 U 3572/23 Rn. 15 ff. gelungen wäre – hätte nicht ohnehin schon auf den Anscheinsbeweis wegen objektiver Aussichtslosigkeit zurückgegriffen werden können. Auf einer Linie hiermit liegt das OLG Frankfurt.55 55 Vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.8.2024 – 3 U 193/23 Rn. 51 ff. Mangels höchstrichterlicher Klärung im Zeitpunkt der Berufungseinlegung und laufenden EuGH-Vorlagen hinderten die damit jedenfalls noch bestehenden ganz geringen Erfolgsaussichten die Annahme eines AnscheinsbeVÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2024 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 23

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