weises zugunsten des Versicherers, der Mandant hätte sich bei korrekter Aufklärung gegen das Rechtsmittel entschieden. Den Vollbeweis konnte der Versicherer nicht führen. Erst eine im Zuge des Berufungsverfahrens bekannt gewordene Entscheidung des BGH habe dem Rechtsmittel jede Erfolgsaussicht genommen. Mangels danach vom Anwalt geschuldetem Rat zur Rücknahme der Berufung bestehe im Wege des Anscheinsbeweises nun haftungsausfüllende Kausalität für den Anfall der bei Rücknahme der Berufung ersparten beiden Gerichtsgebühren. Dieselbe nicht eingehaltene Verpflichtung zur Aufklärung über ein infolge höchstrichterlicher Klärung objektiv aussichtslos gewordenes Klagebegehren und zum Rat zur Klagrücknahme vor der mündlichen Verhandlung führte in einem dem OLG Jena56 56 Vgl. OLG Jena, Urt. v. 26.1.2024 – 9 U 364/18 Rn. 28 ff., MDR 2024, 533. vorliegenden Fall zur Anwaltshaftung für die mangels Klagrücknahme entstandenen Mehrkosten der ersten Instanz sowie eines Berufungsverfahrens. Von einer solchen höchstrichterlichen Klärung müsse sich ein in der Materie spezialisierter Anwalt, der eine Vielzahl gleichartiger Fälle für Mandanten betreut, binnen weniger Wochen nach erstem Bekanntwerden Kenntnis verschaffen und seine Beratung hieran ausrichten.57 57 Ähnl. bereits OLG Zweibrücken, Urt. v. 9.3.2023 – 4 U 97/22 Rn. 45, NJW-RR 2023, 1033. Die Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BGH hindere die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung jedenfalls dann nicht, wenn das BVerfG in Parallelverfahren solche Beschwerden nicht angenommen habe. Dasselbe gelte für nach höchstrichterlicher Klärung vereinzelt weiter erhobene Stimmen in der Literatur, so diese keine neuen, vom BGH noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkte enthielten. Unter einem gänzlich anderen Gesichtspunkt stellte das AGMünchen58 58 Vgl. AG München, Urt. v. 22.4.2024 – 213 C 24199/23 Rn. 11 unter Anschluss an LG München I, Urt. v. 18.7.2023 – 4 O 8089/22, unveröff. I. Erg. ebenso LG Offenburg, Urt. v. 1.7.2024 – 2 S 11/23 für ein gegen Fahrzeughändler angestrengtes Güteverfahren ohne Herstellerbeteiligung. offensichtliche Aussichtslosigkeit und im Ergebnis zu Recht Haftung des Anwalts für die durch seine Tätigkeit entstandenen Kosten fest: er hatte in einem „Diesel-Fall“ rund drei Monate nach öffentlicher Äußerung eines Kfz-Herstellers, er sehe für die seinerzeit bereits massenhaft gegen ihn anhängigen Klageverfahren keine Rechtsgrundlage, diesen in einem allgemein gehaltenen Schreiben außergerichtlich zu einem Anerkenntnis dem Grunde nach aufgefordert. 2. SCHADENERSATZPFLICHT DES RECHTSSCHUTZVERSICHERERS WEGEN PFLICHTWIDRIGER DECKUNGSABLEHNUNG Zurückgehend auf eine Entscheidung des BGH59 59 Vgl. BGH, Urt. v. 15.3.2006 – IV ZR 4/05, r+s 2006, 239 (241). zur Haftung des Rechtsschutzversicherers aus positiver Vertragsverletzung für Nachteile seines Versicherungsnehmers infolge vertragswidrig verweigerter Deckungszusage gehört die Anbringung entsprechender Feststellungsanträge zum pflichtgemäßen Standardrepertoire der Klägervertreter insb. (aber nicht nur) in „Diesel-Verfahren“. Stellt sich die Deckungsablehnung als pflichtwidrig heraus und kann sich der Versicherer, wie regelmäßig, hinsichtlich des Verschuldensvorwurfs nicht entlasten, haben diese Anträge Erfolg. Insbesondere machen die nach Deckungsablehnungen von den Versicherungsnehmern in zahllosen Fällen geschlossenen Verträge mit auf Erfolgsbeteiligung arbeitenden Prozessfinanzierern das Feststellungsinteresse evident.60 60 Vgl. etwa OLG Köln, Beschl. v. 25.6.2024 – 9 U 5/24 Rn. 19 ff.; Beschl. v. 8.8.2024 – 9 U 21/24 Rn. 14; Beschl. v. 3.7.2024 – 9 U 320/23 Rn. 7; Beschl. v. 4.7.2024 – 9 U 49/24 Rn. 11; Beschl. v. 26.8.2024 – 9 U 31/24 Rn. 14; LG Berlin II, Beschl. v. 13.3.2024 – 2 S 15/23 Rn. 22 f.; Urt. v. 19.3.2024 – 24 O 50/23 Rn. 23; LG Ellwangen, Urt. v. 16.7.2024 – 3 O 97/23 Rn. 39, 60 f.; LG Hagen, Urt. v. 20.2.2024 – 9 O 59/23 Rn. 64; LG Heidelberg, Urt. v. 5.2.2024 – 2 O 38/23 Rn. 48; LG Itzehohe, Urt. v. 14.5.2024 – 3 O 109/23 Rn. 51 ff.; allerdings an tatsächlicher Ersatzfähigkeit zweifelnd LG Karlsruhe, Urt. v. 17.4.2024 – 8 O 86/23 Rn. 33 f.; LG Köln, Urt. v. 17.1.2024 – 20 O 216/23 Rn. 37 f.; Urt. v. 24.1.2024 – 20 O 103/23 Rn. 26 f.; Urt. v. 28.2.2024 – 20 O 261/23 Rn. 36 ff.; LG Konstanz, Urt. v. 22.2. 2024 – D 3 O 69/23 Rn. 50; LG Mannheim, Urt. v. 16.4.2024 – 11 S 11/23 Rn. 57 f.; LG Mönchengladbach, Urt. v. 15.2.2024 – 1 O 75/23 Rn. 78 m. zust. Anm. Cornelius-Winker; jurisPR-VersR 4/2024 Anm. 4; LG München I, Urt. v. 27.3. 2024 – 23 O 2579/23 Rn. 9, 38 f.; LG Stralsund, Urt. v. 23.1.2024 – 6 O 103/23 Rn. 22, 33 f.; AG Auerbach, Urt. v. 25.1.2024 – 2 C 50/23 Rn. 53 f.; AG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2024 – 41 C 55/23 Rn. 28; AG Gelnhausen, Urt. v. 16.7.2024 – 52 C 230/23 Rn. 17. PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS* * Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar bei der Allianz Versicherungs-AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in München. In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentieren die Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungen zum anwaltlichen Haftungsrecht. HAFTUNG KEINE SCHUTZWIRKUNG ZUGUNSTEN DES ZU ADOPTIERENDEN 1. Ein zu Adoptierender kann wegen einer nicht bewirkten Erwachsenenadoption (§ 1767 BGB) regelJUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 AUFSÄTZE 24
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