BRAK-Mitteilungen 1/2025

Tag des Fristablaufs, am Montag, dem 2.10.2023, wurde die Übersendung der Beschwerdeschrift an das AG verfügt und ausgeführt; dort kam es weitere zwei Tage später auf dem Postweg an. Im Wiedereinsetzungsantrag trug der Prozessbevollmächtige vor, dass er bei seinem Urlaubsantritt drei Tage vor Fristablauf gegenüber seiner Mitarbeiterin verfügt hatte, gegen den Beschluss des AG rechtzeitig Beschwerde zum AG einzulegen. Gleichwohl sei die Beschwerde fehlerhaft zum OLG geschickt worden. Das OLG hielt den Wiedereinsetzungsantrag für unbegründet, der BGH verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Dabei lässt der Senat es dahinstehen, ob Beschwerde – wie das OLG meinte – schon deshalb nicht wirksam eingelegt war, weil die Kanzleimitarbeiterin den Schriftsatz mit der qualifizierten elektronischen Signatur des Rechtsanwalts versah und dann per beA versandte. Jedenfalls war die Einlegung unzulässig, weil verspätet beim zuständigen Gericht eingegangen. Das sei auch auf eine anwaltliche und damit der Partei zuzurechnende Verfehlung zurückzuführen, denn der Prozessbevollmächtigte selbst habe vor Unterzeichnung bzw. vor Versendung per beA zu prüfen, ob der Schriftsatz auch an das zuständige Gericht adressiert ist. Damit ging der BGH nicht weiter auf die Frage ein, wie denn unter den vorgetragenen Umständen die qualifizierte Unterschrift allein durch die Mitarbeiterin bewerkstelligt worden ist; letztlich kann das nur bedeuten, dass die beA-Karte des Anwalts nebst PIN von der Mitarbeiterin genutzt wurde, was so natürlich absolut unzulässig wäre. Man darf davon ausgehen, dass dies allgemeinem Wissen entspricht. Unterstellt, der Schriftsatz war zumindest wirksam, musste allerdings noch über die Frage entschieden werden, ob das OLG hier nicht noch im üblichen Geschäftsgang für den rechtzeitigen Eingang beim AG hätte sorgen können und auch müssen und ob sich der Wiedereinsetzungsantrag nicht zumindest darauf dann erfolgreich stützen konnte. Es entspreche dem ordentlichen Geschäftsgang, dass richterliche Verfügungen am nächsten Werktag umgesetzt würden. Der Antragsteller hätte deshalb nicht damit rechnen können, dass überhaupt noch am selben Tag eine Verfügung auch umgesetzt werde. Im Übrigen seien die Gerichte auch nicht verpflichtet, für eine Weiterleitung auf dem elektronischen Weg zu sorgen. Es bestehe für diese keine aktive Nutzungspflicht.3 3 So auch BGH, Beschl. v. 19.7.2023 – AnwZ (Brfg) 31/22, NJOZ 2024, 54 Rn. 26. Dieser letzte Punkt mag formal korrekt sein, erscheint aber nicht mehr zeitgemäß. Hier wäre es an der Zeit, „Waffengleichheit“ zwischen Anwältinnen und Anwälten auf der einen Seite, die streng reglementiert mit dem beA arbeiten müssen, und den Gerichten andererseits herzustellen. (bc) POSTALISCHE WEITERLEITUNG DURCH UNZUSTÄNDIGES GERICHT FÜHRT NICHT ZU FORMUNWIRKSAMKEIT NACH § 130D S. 1 ZPO 1. Ein von einem Anwalt mit einfacher Signatur versehener und per beA eingereichter Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist erfüllt auch dann die nach § 130d S. 1 ZPO erforderliche elektronische Form, wenn er beim unzuständigen Ausgangsgericht eingegangen ist. Für die fristwahrende Wirkung kommt es hingegen darauf an, wann das Dokument beim zuständigen Gericht eingegangen ist. 2. Die postalische Weiterleitung eines beim unzuständigen Gericht ordnungsgemäß in elektronischer Form eingereichten Fristverlängerungsantrags führt nicht zur Formunwirksamkeit des Antrags. BGH, Beschl. v. 23.10.2024 – XII ZB 411/23, MDR 2025, 56 = BRAK-Mitt. 2025, 78 Ls. (in diesem Heft) Die Anwältin hatte einen Antrag auf Verlängerung einer Frist zur Beschwerdebegründung in einer Familiensache per beA zwar rechtzeitig gestellt, aber versehentlich nicht beim Beschwerdegericht (OLG), sondern beim erstinstanzlich zuständigen AG eingereicht. Beim AG, wo das Verfahren noch als Papierakte geführt worden war, wurde der Antrag ausgedruckt und per Post an das OLG weitergeleitet. Obwohl zwischen Einreichung beim AG und Fristablauf noch sechs Tage lagen, ging der Antrag beim OLG erst drei Tage nach Fristablauf, also verspätet ein. Das OLG wies einen Wiedereinsetzungsantrag der Anwältin zurück und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Abgesehen von der objektiven Versäumung der Frist sei der Antrag beim OLG auch nicht formgerecht elektronisch nach § 130d S. 1 ZPO eingegangen. Der BGH hob auf die Rechtsbeschwerde den OLG-Beschluss auf und gewährte Wiedereinsetzung. Zwar liege hinsichtlich der Einreichung des Antrags beim unzuständigen AG ein Anwaltsverschulden vor, da die Anwältin vor Versendung des Antrags den Adressaten hätte überprüfen müssen. Dies habe sich aber nicht kausal ausgewirkt, da auch die postalische Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang rechtzeitig vor Fristablauf beim OLG hätte eingehen müssen. Die postalische Weiterleitung führe auch nicht zur Formunwirksamkeit nach § 130d S. 1 ZPO. Auch ein an ein unzuständiges Gericht elektronisch übermittelter Schriftsatz sei in der erforderlichen Form der §§ 130d S. 1, 130a III, IV ZPO bei Gericht eingereicht, und zwar unabhängig davon, wie der Schriftsatz vom unzuständigen an das zuständige Gericht weitergeleitet wird. Dies sei lediglich eine Frage der Kommunikation zwischen den Gerichten. Diese Frage war bislang auch von anderen Gerichten und z.T. in der Literatur anders beurteilt worden.4 4 Z.B. OLG Bamberg, FamRZ 2022, 1382; VGH Baden-Württemberg, DÖV 2022, 1052. Die Klarstellung durch den BGH ist zu begrüßen. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 29

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