BRAK-Mitteilungen 1/2025

Hauptkritikpunkt ist, dass nach dem Referentenentwurf die in den Verordnungen vorgesehene unentgeltliche Rechtsauskunft durch die über den Asylantrag entscheidende Behörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), selbst durchgeführt werden soll. Wie in der BRAK-Stellungnahme-Nr. 80/20241 1 BRAK-Stn.-Nr. 80/2024; dazu Nachr. aus Berlin 1/2025 v. 8.1.2025. dargelegt, liegt hierin ein Verstoß gegen unmittelbar geltendes EU-Recht. Die Vorschriften der Verordnungen ergäben keinen Sinn, wenn die über den Asylantrag entscheidende Behörde gleichzeitig die Rechtsauskunft gebende Person wäre. So muss die Behörde beispielsweise nach Art. 8 Asylverfahrensverordnung den Antragsteller über sein Recht auf unentgeltliche Rechtsauskunft informieren und schließlich den Rechtsberater über die von ihr getroffene Entscheidung unterrichten. Die BRAK weist weiterhin auf den Interessenkonflikt hin, der entstünde, wenn das BAMF die Rechtsauskunft selbst ausführen würde und fordert eindringlich dazu auf, die Verordnungen durch eine vom BAMF unabhängige Beratung unionsrechtskonform umzusetzen. E-EVIDENCE IMPLEMENTIERUNG Die BRAK hat sich am 11.12.2024 zur nationalen Umsetzung bzw. Implementierung des E-Evidence Pakets geäußert.2 2 BRAK-Stn.-Nr. 88/2024. Sie thematisiert darin insb. das Antragsrecht der Verteidigung. Die E-Evidence-Verordnung verweist diesbezüglich auf die nationalen Regelungen, das Ministerium hingegen beruft sich auf das Doppelregelungsverbot und beabsichtigt nicht, ein über die im nationalen Recht vorgesehenen Fälle hinausgehendes Antragsrecht einzuführen. Dies verstößt nach Ansicht der BRAK jedoch gegen die Verordnung, welche nur die konkrete Ausgestaltung der Rechte dem nationalen Gesetzgeber überlassen möchte. Dabei wird das Recht der Verteidigung eingeschränkt (kein Recht im Ermittlungsverfahren, Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft darüber, welche Beweise erhoben werden, keine gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung). Dies dürfte nicht zuletzt unter Berücksichtigung des effet utile gem. Art. 4 III EUV einer Überprüfung durch europäische Gerichte nicht standhalten. Zudem wäre aus Gründen der Waffengleichheit eine solche Situation nicht hinnehmbar. Ebenfalls thematisiert wird u.a. der Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Hier reicht die aktuell vorgesehene Verweisung auf die StPO nach Ansicht der BRAK nicht aus, die konkreten Schutzvorschriften der StPO sollen in den Gesetzestext übernommen werden. Ferner sollte in Fällen, in denen Deutschland als Vollstreckungsstaat auftritt, eine Unterrichtungspflicht über die in Deutschland möglichen Ablehnungsgründe aufgenommen werden. Die BRAK hat auch das vorangegangene Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene aktiv verfolgt. URTEIL IM EUGH-VERFAHREN ZUM FREMDBESITZVERBOT Seit dem Vorlagebeschluss des Bayerischen AGH an den EuGH vom 20.4.2023 hat die BRAK das Verfahren in der Rechtssache C-295/23 Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft gegen Rechtsanwaltskammer München zur Unionsrechtkonformität des Fremdbesitzverbotes nicht nur durch Stellungnahmen sondern auch durch Prozessbeobachtung vor Ort engmaschig begleitet und u.a. in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) das Regulierungsgefüge rund um das Fremdbesitzverbot als unionsrechtskonform verteidigt.3 3 BRAK-Stn.-Nr. 41/2023. Auch im Rahmen der Verbändeanhörung des BMJ zu den bestehenden Regelungen der BRAO zum Fremdbesitz bezog die BRAK Stellung.4 4 BRAK-Stn.-Nr. 71/2023. Die Unionskonformität des Fremdbesitzverbots wurde nun auch durch den EuGH in seinem Urteil vom 19.12. 20245 5 BRAK-Mitt. 2025, 40 (in diesem Heft). bestätigt: Nicht nur betonte der Gerichtshof den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten, sondern reihte sich in seine Rechtsprechungslinie der letzten Jahre ein und unterstrich die Bedeutung anwaltlicher Unabhängigkeit – ihre Sicherung und Gewährleistung und damit die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufs ist ebenso wie die Wahrung einer geordneten Rechtspflege, zwingender Grund des Allgemeininteresses im Sinne der RL 2006/123. Das Fremdbesitzverbot als solches ist geeignet und verhältnismäßig dieses formulierte Ziel zu erreichen.6 6 Näher dazu: Pott/Wietoska, BRAK-Mitt. 2025, 2 (in diesem Heft). Damit schloss sich der Gerichtshof in diesen Punkten den am 30.4. 2024 vorgelegten Schlussanträgen des Generalanwalts am Gerichtshof Campos Sanchez-Bordona an. Die BRAK begrüßt diese Entscheidung der großen Kammer des EuGH, die auch der Position der BRAK sowie den Ergebnissen der Ende 2023 durchgeführten Umfrage des Bundesministeriums der Justiz7 7 Zur ausführlichen Gesamtauswertung der Umfrage: Nitschke/Wietoska, BRAK-Mitt. 2024, 2 ff. entspricht und ein eindeutiges Bekenntnis zu den Kernwerten der Anwaltschaft und dem hohen Stellenwert einer geordneten Rechtspflege begründet.8 8 Presseerkl. der BRAK Nr. 14/2024. KONVENTION ZUM SCHUTZ DER ANWALTSCHAFT KURZ VOR FINALISIERUNG Der Europarat arbeitet an einem Meilenstein zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Europa und der Welt. In einem internationalen Abkommen, einer sog. Konvention, sollen künftig elementare Rechte der Anwaltschaft kohärent und rechtsverbindlich abgesichert werden. Der jahrelang auch unter Mitwirkung der BRAK ausgearbeitete Konventionstext9 9 Konventionstext (EN) (Dezember 2024). passierte zuletzt wichAUS DER ARBEIT DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 37

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