die nationale Regelung und den Gesellschaftsvertrag ein Einfluss der Gesellschafter auf die anwaltliche Tätigkeit der Gesellschaft verhindert werden könne. Es sei dann Sache des reinen Finanzinvestors, zu entscheiden, ob er sich an einer solchen Gesellschaft beteiligen wolle, obwohl ihm ein Einfluss auf deren Geschäftsführung in diesem Fall versagt bleibe. [41] Fraglich sei des Weiteren, ob die sich aus den §§ 59a, 59e und 59h BRAO a.F. ergebenden Anforderungen eine kohärente und systematisch konsequente Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zur Wahrung der Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der geordneten Rechtspflege darstellten. Insoweit könne zwar die Beschränkung des Gesellschafterkreises verhindern, dass Dritte, die diese Anforderungen nicht erfüllten, als Gesellschafter auf die Rechtsanwaltsgesellschaft Einfluss nehmen könnten; Gesellschafter, die die Anforderungen des § 59e BRAO a.F. erfüllten, könnten jedoch in gleicher Weise auf die Geschäftsführung der Rechtsanwaltsgesellschaft einwirken. Weder § 59e noch § 59a BRAO a.F. enthielten nämlich quantitative Anforderungen an die Verpflichtung zur Mitarbeit der Gesellschafter. Es bestehe daher die Möglichkeit, dass ein Gesellschafter, und sei er Rechtsanwalt, mit seiner Beteiligung primär finanzielle Interessen verfolge und nur in untergeordnetem Umfang an der Verwirklichung der Gesellschaftszwecke mitwirke. [42] Im Übrigen seien die Voraussetzungen für den Zusammenschluss in einer Rechtsanwaltsgesellschaft durch die am 1.8.2022 in Kraft getretene Neuregelung der BRAO gelockert worden. Die Rechtsberatung könne nämlich durch Berufsausübungsgesellschaften i.S.d. § 59c BRAO n.F. erbracht werden, und Mitglieder solcher Gesellschaften könnten nun neben den Berufsträgern, die bereits nach § 59a BRAO a.F. dazu berechtigt gewesen seien, auch alle weiteren Personen sein, die einen Beruf i.S.d. § 1 II des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes ausübten, wie Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, Journalisten, Künstler oder auch Schriftsteller. Der Kreis der Personen, die sich an einer Berufsausübungsgesellschaft beteiligen könnten, sei also nunmehr sehr heterogen. [43] Schließlich müsse zwar das Vertrauen in die anwaltliche Verschwiegenheit dadurch geschützt werden, dass die Verschwiegenheitspflicht allen Mitgliedern der Organe einer Rechtsanwaltsgesellschaft und nicht nur dem in ihr tätigen Anwalt auferlegt werde, doch dürfe bezweifelt werden, ob der Aspekt, dass das Verbot der Fremdbeteiligung das Erlangen geheimhaltungsbedürftiger Informationen oder Unterlagen durch Dritte verhindere, dieses Verbot trage. Insoweit sehe § 13 der Satzung der HR sehr strenge Vorschriften dahin vor, dass das Auskunftsrecht der Gesellschafter ebenfalls beschränkt und die anwaltliche Verschwiegenheit auf sie erstreckt werde. Da es sich hierbei um eine der elementaren berufsrechtlichen Verpflichtungen des Anwalts handle, die zusätzlich strafbewehrt sei, habe die Rechtsanwaltskammer bereits auf der Grundlage der §§ 59c und 59e BRAO a.F. die Satzung einer Rechtsanwaltsgesellschaft auf die ausreichende Wahrung der Anforderungen an die anwaltliche Verschwiegenheit hin überprüfen können. Durch die §§ 59d und 59e BRAO n.F. sei der Rechtsanwaltskammer diese Überprüfung nunmehr auch vorgeschrieben. [44] Als Zweites stellt das vorlegende Gericht fest, dass sich die HR, da sie Dienstleistungen i.S.d. Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123 erbringe, darauf berufen könne, dass die in den §§ 59a, 59e und 59h BRAO a.F. vorgesehenen Beschränkungen in Ansehung von Art. 15 II Buchst. c und III Buchst. c dieser Richtlinie nicht gerechtfertigt seien. Nach der Richtlinie 2006/123 sei es zwar zulässig, Beschränkungen vorzusehen, die die Unabhängigkeit der Rechtsberatung und eine geordnete Rechtspflege sicherstellten, doch stehe dies unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit solcher Beschränkungen. An der Verhältnismäßigkeit der in den §§ 59a und 59e BRAO a.F. für den Erwerb von Geschäftsanteilen an einer Rechtsanwaltsgesellschaft vorgesehenen Beschränkungen bestünden jedoch erhebliche Zweifel. Die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Wahrnehmung der Rechtspflege und die Pflicht zur anwaltlichen Verschwiegenheit und damit das Vertrauen in die Rechtspflege würden nämlich durch die in § 59f BRAO a.F. vorgesehenen Beschränkungen der Rechte der Gesellschafter und durch die Satzung der HR ausreichend gewahrt. Risiken, die über die Risiken der Beteiligung von Personen, die sich nach der Neuregelung der BRAO an einer Berufsausübungsgesellschaft beteiligen könnten, hinausgingen, seien durch die Beteiligung primär kapitalgebender Gesellschafter nicht erkennbar. [45] Als Drittes führt das vorlegende Gericht aus, dass es, sollte davon ausgegangen werden, dass die SIVE einen beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit der HR erstrebe, neben einem Verstoß gegen die Richtlinie 2006/123 auch um eine Verletzung des Rechts der SIVE auf Niederlassungsfreiheit gem. Art 49 AEUV gehe. [46] Vor diesem Hintergrund hat der Bayerische AGH beVorlagefragen des AGH schlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Stellt es eine unzulässige Beschränkung des Rechts auf Freiheit des Kapitalverkehrs gem. Art. 63 I AEUV dar, wenn nach den Gesetzen eines Mitgliedstaats einer Rechtsanwaltsgesellschaft zwingend die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu entziehen ist, wenn a) ein Geschäftsanteil der Rechtsanwaltsgesellschaft auf eine Person übertragen wird, die nicht die besonderen beruflichen Anforderungen erfüllt, die nach dem Recht des Mitgliedstaats an den Erwerb eines Geschäftsanteils geknüpft sind? Demnach kann ein Geschäftsanteil an einer Rechtsanwaltsgesellschaft nur durch einen Rechtsanwalt oder ein sonstiges Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, einen Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, einen Angehörigen eines Rechtsanwaltsberufs aus einem andeEUROPA BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 47
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