BRAK-Mitteilungen 1/2025

„Der Kammerbeitrag ist ein Jahresbeitrag und wird wie folgt festgesetzt: 1. Der Kammerbeitrag für Kammermitglieder, die natürliche Personen sind, beträgt 300 Euro, für Kammermitglieder, die keine natürlichen Personen sind, 395 Euro. [...] 4. Kammermitglieder, deren Mitgliedschaft während des Kalenderjahres beginnt oder endet, entrichten für jeden angefangenen Monat ihrer Zugehörigkeit zur Kammer 1/12 des festgesetzten Kammerbeitrags. [...]“ [3] Mit Bescheid v. 5.1.2023 nahm die Bekl. den Kl. auf Zahlung eines anteiligen Kammerbeitrags für das Jahr 2022 von 25 Euro in Anspruch. Gegen den Beitragsbescheid hat der Kl. Klage erhoben mit den Anträgen, den Beitragsbescheid aufzuheben und die Nichtigkeit seiner Mitgliedschaft in der Bekl. festzustellen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. [4] Der AGH hat die Klage abgewiesen. Der Beitragsbescheid v. 5.1.2023 sei rechtmäßig. Der Kl. sei aufgrund der Zulassung seiner Sozietät als Berufsausübungsgesellschaft kraft Gesetzes gem. § 60 II Nr. 3 BRAO Mitglied der Bekl. geworden, wobei es keines gesonderten Bescheides über die Mitgliedschaft bedurft habe. Die Vorschrift sei verfassungsgemäß. Der Schutzbereich des Art. 9 I GG sei nicht berührt. Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit schütze nicht vor einer gesetzlich angeordneten Eingliederung in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Auch falle die Pflichtmitgliedschaft in einer RAK nicht in den Schutzbereich des Art. 12 I GG. Denn sie sei eine einfache Folge der Berufsausübung, die nicht die Art und Weise der Ausübung des Berufs regele. Die beitragspflichtige Pflichtmitgliedschaft verletze nicht das durch Art. 14 I GG geschützte Eigentum des Kl. Schließlich werde auch die durch Art. 2 I GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit nicht verletzt. Die Regelung des § 60 II Nr. 3 BRAO sei geeignet und erforderlich, um eine effektive Aufsicht über die Berufsausübungsgesellschaft zu gewährleisten. Die Bindung der Gesellschaft an die Berufspflichten und das in § 59d V BRAO geregelte Verbot, mit Personen in einer Gesellschaft verbunden zu bleiben, die schwerwiegend oder wiederholt gegen Berufspflichten verstoßen hätten, seien nicht ausreichend, um eine effektive Aufsicht zu gewährleisten. Schließlich sei die Regelung verhältnismäßig im engeren Sinne, weil die Mitgliedschaft neben Pflichten auch Rechte begründe und die Verpflichtung, Kammerbeiträge zu zahlen, zumutbar erscheine. [5] Hiergegen wendet sich der Kl. mit der vom AGH zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend weist er auf die Änderung von § 60 II Nr. 3 und § 73 II 2 BRAO sowie § 76 StBerG durch das insoweit am 1.1.2025 in Kraft tretende Gesetz zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der Bundesnotarordnung, der BRAO, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 22.10.2024 hin (BGBl. 2024 I Nr. 320, 1 ff.). Damit habe der Gesetzgeber Bedenken gegen die doppelte Kammermitgliedschaft von persönlich haftenden Gesellschaftern aufgegriffen. Er habe erkannt und zugestanden, dass durch die Erweiterung der berufsaufsichtlichen Kompetenzen der RAK auf Steuerberater, die Geschäftsführungsorganfunktionen bei einer rechtsanwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft wahrnähmen, in einem deutlich milderen Maße in die Rechte der Berufsträger eingegriffen werden könne als durch die doppelte Kammermitgliedschaft. [6] Der Kl. beantragt, 1. den Beitragsbescheid über den Kammerbeitrag 2022 zur Mitgliedsnummer (...) v. 5.1.2023 aufzuheben und 2. festzustellen, dass die Mitgliedschaft des Kl. als natürliche Person bei der Bekl. vom Zeitpunkt der Anerkennung der Berufsausübungsgesellschaft S. mdB Rechtsanwälte Steuerberater als Mitglied der Bekl. bis zum 31.3.2024 nicht bestand. [7] Die Bekl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. [8] Sie verteidigt das angefochtene Urteil. [9] Der Senat hat mit Schreiben v. 2.10.2024 Hinweise erteilt. Hierauf hat der Kl. mit Schriftsatz v. 21.10.2024 beantragt, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob § 60 II Nr. 3 BRAO im Hinblick auf die Doppelmitgliedschaft des Kl. in der RAK M. und der Bundessteuerberaterkammer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. [10] Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. [11] II. Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 112e S. 2 BRAO, § 130a S. 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für teilweise begründet, im Übrigen für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (zur Anwendbarkeit von § 130a VwGO bei teilweiser Begründetheit der Berufung vgl. Senat, Beschl. v. 22.5.2023 – AnwZ (Brfg) 2/ 23, BRAK-Mitt. 2023, 335 Rn. 13 m.w.N.; VGH BadenWürttemberg, NVwZ 1997, 691, 692). Die Verfahrensbeteiligten sind zu einer Entscheidung im Beschlusswege angehört worden. [12] III. Die aufgrund der Zulassung durch den AGH nach § 112e S. 1 BRAO statthafte und auch im Übrigen gem. § 112e S. 2 BRAO, § 124a II und III VwGO zulässige Berufung des Kl. hat nur teilweise Erfolg. [13] 1. Der Beitragsbescheid v. 5.1.2023 ist aufzuheben. [14] a) Der den Beitragsbescheid betreffende Klageantrag zu 1 ist als Anfechtungsklage statthaft (§ 112c I 1 BRAO, § 42 I VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte es gem. § 112c I 1 BRAO, § 68 I 2 VwGO, Art. 12 II BayAGVwGO nicht der Durchführung eines Vorverfahrens. [15] b) Der Beitragsbescheid v. 5.1.2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten. Die Beitragsordnung der Bekl. bildet keine Rechtsgrundlage für die BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 53

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