BRAK-Mitteilungen 1/2025

[23] Der den nichtanwaltlichen Kammermitgliedern als Randgruppe zuteilwerdende Nutzen ist schon aus den vorgenannten Gründen wesentlich geringer als derjenige, der den Rechtsanwälten zuteil wird. Dieser Unterschied ist von einem solchen Gewicht, dass seine beitragsrechtliche Außerachtlassung nicht mehr mit der grundsätzlich zulässigen Typisierung und Pauschalierung (vgl. Senat, Beschl. v. 22.8.2023, a.a.O. und v. 25.1.1999, a.a.O., S. 304 f.) gerechtfertigt werden kann, sondern bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen ist (vgl. zur Bemessung der Beiträge der theoretisch arbeitenden Mediziner zur Ärztekammer BVerwG, a.a.O., S. 28). Dabei geht es nicht darum, ob ein Mitglied eine konkrete Leistung der RAK auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Vielmehr handelt es sich bei den vorstehend genannten Leistungen um solche, die den nichtanwaltlichen Mitgliedern der RAK von vorneherein nicht zur Verfügung stehen beziehungsweise aus denen ihnen kein Nutzen erwachsen kann. [24] (2) Ziffer 1 der Beitragsordnung verstößt daher insoweit gegen Art. 3 I GG, als sie nichtanwaltliche Mitglieder in gleicher Weise wie die anwaltlichen Mitglieder belastet. Die gleiche Behandlung beider Mitgliedsgruppen ist nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar, ein einleuchtender Grund für sie fehlt (vgl. zu diesem Maßstab Senat, Beschl. v. 22.8.2023, a.a.O.). Dieser kann auch nicht etwa darin gesehen werden, dass – wie die Bekl. vorbringt – der Kammerbeitrag 2022 auch den vollständigen Mitgliedsbeitrag von 114,50 Euro beinhaltet, der seitens der Bekl. gem. § 178 I BRAO an die BRAK abzuführen war und der für den elektronischen Rechtsverkehr mit besonderem elektronischem Anwaltspostfach einen Teilbetrag von 70 Euro enthält. Vielmehr wäre es der Bekl. auch schon im Hinblick auf den Kammerbeitrag 2022 – wie sodann für das Jahr 2024 geschehen – möglich gewesen, mit dem auf den elektronischen Rechtsverkehr entfallenden Teil des Beitrags für die BRAK allein ihre anwaltlichen Mitglieder zu belasten. [25] Soweit die Bekl. in diesem Zusammenhang geltend macht, es sei, als der Beitrag für das Jahr 2022 beschlossen worden sei, noch nicht klar gewesen, ob (auch) die nichtanwaltlichen Pflichtmitglieder über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen würden, erläutert sie dies nicht näher. Aus dem Gesetz und seinen Änderungen ergibt sich eine solche unklare Rechtslage nicht. So ist in § 31a I BRAO seit seinem Inkrafttreten am 1.1.2016 bestimmt, dass die BRAK für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer RAK ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einrichtet. Seit diesem Zeitpunkt ist in § 31 I 2 BRAO geregelt, dass die RAKn ihre Verzeichnisse als Teil des von der BRAK zu führenden Gesamtverzeichnisses führen. In die Verzeichnisse der RAKn werden nach § 31 I 1 BRAO die in ihren Bezirken zugelassenen Rechtsanwälte und seit dem 1.8.2022 auch die in ihren Bezirken zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften aufgenommen. Zu keinem Zeitpunkt sah das Gesetz hingegen vor, dass in die Verzeichnisse der RAKn und mithin in das Gesamtverzeichnis auch nichtanwaltliche Kammermitglieder aufzunehmen sind. Dementsprechend war für diesen Personenkreis auch nicht gem. § 31a I 1 BRAO von der BRAK ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einzurichten. [26] Aber selbst wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Höhe des Kammerbeitrags 2022 für nichtanwaltliche Pflichtmitglieder nicht klar gewesen sein sollte, ob diese über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen würden, rechtfertigte dies nicht die Erhebung des von der Bekl. beschlossenen Beitrages. Vielmehr kann eine Leistung – hier: die Verfügbarkeit des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs für nichtanwaltliche Kammermitglieder – nur dann zur Bemessung eines Kammerbeitrags herangezogen werden, wenn feststeht, dass diese Leistung im Beitragsjahr auch erbracht werden wird. [27] Soweit die Bekl. weiter geltend macht, ihre Kammerversammlung habe nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe am 1.8.2022 frühestens in ihrer Kammerversammlung am 22.11.2022 und nicht rückwirkend über eine Anpassung der Kammerbeiträge für nichtanwaltliche Pflichtmitglieder unter Berücksichtigung der neuen Vorgaben entscheiden können, übersieht sie sowohl, dass das vorgenannte Gesetz bereits am 12.7.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet worden war (BGBl. I 2363), als auch, dass vorliegend allein der Kammerbeitrag des Kl. für den Monat Dezember 2022 streitgegenständlich ist. [28] (3) Die Beitragsordnung bildet nach alledem keine Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Kl. zu dem von der Bekl. in voller Höhe erhobenen Beitrag. Die Beitragsfestsetzung kann auch nicht teilweise bis zu der rechtlich zulässigen Grenze aufrechterhalten bleiben. Es muss vielmehr der Bekl. überlassen bleiben, innerhalb des ihr zustehenden Gestaltungsspielraums die Beiträge der nichtanwaltlichen Mitglieder unter Beachtung des Gleichheitssatzes satzungsmäßig festzulegen (vgl. zur Bemessung der Beiträge der theoretisch arbeitenden Mediziner zur Ärztekammer BVerwG, a.a.O.). [29] 2.a) Der Klageantrag zu 2 ist als Feststellungsklage statthaft (§ 112c I 1 BRAO, § 43 I VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat der Kl. ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein (BVerwG, NJW 1997, 2534; Eyermann/Happ, VwGO, 16. Aufl., § 43 Rn. 18; Möstl, in BeckOK VwGO, § 43 Rn. 7 und 24 [Stand: 1.7. 2024]). Ein (gegenwärtiges) berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung i.S.v. § 43 I VwGO kann sich bei vergangenen Rechtsverhältnissen daraus ergeben, dass das Rechtsverhältnis über seine Beendigung hinaus noch Wirkungen entfalten kann (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 465; Bayerischer VGH, NVwZ-RR 1999, BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 55

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