BRAK-Mitteilungen 1/2025

privaten Nutzen ausüben dürfen (vgl. BVerfGE 131, 66, 79 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist die Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG nicht betroffen, soweit sich der Kl. – wie er vorträgt – gehalten sah, aus der Geschäftsführung der Sozietät auszuscheiden, um seine persönliche Mitgliedschaft in der Bekl. zu vermeiden. Zwar erstreckt sich der Schutz des Art. 14 I GG auch auf die durch ein Anteilseigentum vermittelte mitgliedschaftliche Stellung in einer Kapitalgesellschaft und damit etwaig einhergehende Leitungsbefugnisse und vermögensrechtliche Positionen (vgl. BVerfGE 100, 289, 301 f. m.w.N.). Das Anteilseigentum des Kl. an der Sozietät wurde durch die gesetzlich angeordnete Mitgliedschaft in der Bekl. aber weder in vermögensrechtlicher Hinsicht beeinträchtigt noch nahmen seine Leitungsbefugnisse dadurch Schaden. Die Pflichtmitgliedschaft in der Bekl. nach § 60 II Nr. 3 BRAO war vielmehr bloße Folge der leitenden Funktion des Kl. in der Sozietät S. mbB Rechtsanwälte Steuerberater und minderte die sich aus seiner organschaftlichen Stellung als geschäftsführender Partner ergebenden Rechte nicht. Die vom Kl. über diese Rechte hinaus begehrte Freiheit von der Pflichtmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist keine von Art. 14 I GG geschützte Rechtsposition. [40] ee) Die Pflichtmitgliedschaft des Kl. in der Bekl. ist mit der durch Art. 2 I GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit vereinbar. [41] Der Schutzbereich des Art. 2 I GG ist eröffnet. Das kein Verstoß gegen Art. 2GG Grundrecht schützt die Handlungsfreiheit grundsätzlich im umfassenden Sinne; geschützt wird jedes menschliche Verhalten (vgl. BVerfGE 113, 88, 103; BVerfGE 113, 29, 45; BVerfGE 80, 137, 152). Aus Art. 2 I GG erwächst auch das Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von „unnötigen“ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden (vgl. BVerfG, NVwZ 2002, 335, 336; BVerfGE 38, 281, 298; BVerfGE 10, 89, 102). Bereits die Pflichtmitgliedschaft als solche ist nicht nur rechtlich vorteilhaft oder eingriffsneutral (vgl. BVerfGE 146, 164, 196 Rn. 82). [42] Der mit der Pflichtmitgliedschaft nach § 60 II Nr. 3 BRAO verbundene Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Kl. ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. [43] Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ist nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung verbürgt (Art. 2 I GG). Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die sich formell und materiell mit dem Grundgesetz im Einklang befinden und insb. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (st.Rspr.; vgl. nur BVerfGE 103, 197, 215). Die Regelung des § 60 II Nr. 3 BRAO wird diesen Anforderungen gerecht. [44] Formelle Bedenken bestehen nicht. Der Bund verfügt insofern nach Art. 72 I, 74 I Nr. 1 GG über die Gesetzgebungszuständigkeit. In materieller Hinsicht setzt die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Verbands mit Zwangsmitgliedschaft voraus, dass der Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt (vgl. BVerfG, NVwZ, 2002, 335, 336; BVerfGE 38, 281, 299; BVerfGE 15, 235, 241; BVerfGE 10, 354, 363; BVerfGE 10, 89, 102) und die Organisation dieser öffentlichen Aufgabe in einer Selbstverwaltungskörperschaft mit Zwangsmitgliedschaft verhältnismäßig ist, nämlich geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. BVerfG, NVwZ, 2002, 335, 337; BVerfGE 38, 281, 301 f.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. [45] (1) Wie der AGH zutreffend festgestellt hat, erfüllen die RAKn legitime öffentliche Aufgaben. Zentrales Anliegen des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften war es, die anwaltlichen Grundpflichten der Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 43a II BRAO), des Verbots, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a IV BRAO) und der Pflicht, keine die Unabhängigkeit gefährdenden Verbindungen einzugehen (§ 43a I BRAO; vgl. dazu BVerfGE 141, 82, 99 f. [Rn. 51]), im Interesse des Erhalts einer funktionsfähigen Rechtspflege abzusichern. Dies sollte dadurch geschehen, dass die anwaltlichen Grundpflichten einerseits auch für nichtanwaltliche Berufsträger in der Berufsausübungsgesellschaft unmittelbar gelten und andererseits neben der Berufsausübungsgesellschaft auch die geschäftsführenden Organe als persönliche Mitglieder der RAK ihrer unmittelbaren Aufsicht (§ 73 II Nr. 4 BRAO) unterstellt werden (vgl. BT-Drs. 19/27670, 178, 194 f.). Damit dient die Mitgliedschaft dieser Personen in der RAK der Erfüllung einer legitimen öffentlichen Aufgabe. [46] (2) Der mit der Pflichtmitgliedschaft in der Bekl. verbundene Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Kl. erweist sich als verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. [47] (a) Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtunmittelbare Berufsaufsicht lichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, NVwZ 2002, 335, 337; BVerfGE 96, 10, 23; BVerfGE 67, 157, 175; BVerfGE 63, 88, 115). So liegt es hier. Mit der persönlichen Pflichtmitgliedschaft aller nichtanwaltlichen Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften in der RAK wird sichergestellt, dass dieser Personenkreis der unmittelbaren Aufsicht der für die Berufsausübungsgesellschaft zuständigen RAK unterliegt (vgl. BT-Drs. 18/9521, 123 [zu § 60 II Nr. 3 BRAO a.F.]; Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O., § 60 Rn. 24a; Weyland/Weyland, a.a.O., § 60 Rn. 13 f.; vgl. auch BTDrs. 19/27670, 194 f.). Dies kann zur Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten innerhalb einer Berufsausübungsgesellschaft beitragen. [48] (b) Die persönliche Mitgliedschaft der nichtanwaltlichen Geschäftsführer und Mitglieder von AufsichtsorBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 57

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