BRAK-Mitteilungen 1/2025

ganen von Berufsausübungsgesellschaften in der RAK ist auch erforderlich im verfassungsrechtlichen Sinne. [49] An der Erforderlichkeit fehlt es nur, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, mit dem das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar eingeschränkt wird (BVerfGE 146, 164, 205; BVerfG, NVwZ 2002, 335, 337; BVerfGE 77, 84, 109; BVerfGE 68, 193, 218 f.). Allerdings muss nicht jeder einzelne Vorzug einer anderen Lösung gegenüber der vom Gesetzgeber gewählten schon zu deren Verfassungswidrigkeit führen. Die sachliche Gleichwertigkeit zur Zweckerreichung muss vielmehr bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (BVerfG, NVwZ 2002, 335, 337; BVerfGE 81, 70, 90 f.; BVerfGE 30, 292, 319). Der Gesetzgeber verfügt bei der Beurteilung der Erforderlichkeit über einen weiten Einschätzungsspielraum. Daher können Maßnahmen, die er zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den ihm bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Regelungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen aber weniger belasten (BVerfGE 116, 202, 225 m.w.N.; Senat, Beschl. v. 22.5.2023 – AnwZ (Brfg) 23/22, NJW 2024, 76 Rn. 54 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieses weiten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers fehlt es vorliegend nicht an der Erforderlichkeit der von ihm gewählten Lösung einer Pflichtmitgliedschaft von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften in der RAK. [50] Soweit der Kl. meint, seine persönliche Mitgliedschaft in der Bekl. erfülle keinen eigenständigen Zweck, weil die Berufsaufsicht über seine Sozietät sowie die dort tätigen Rechtsanwälte ausreichten, um die anwaltlichen Pflichten zu wahren, wird hiermit jedenfalls nicht eine Überschreitung des dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung zukommenden weiten Einschätzungsspielraums (s.o.) begründet. Vielmehr durfte der Gesetzgeber unter Ausfüllung dieses Spielraums zu der Einschätzung gelangen, dass eine ausreichende Aufsicht über die Berufsausübungsgesellschaft nur erreicht wird, wenn sie die nichtanwaltlichen Geschäftsführungsorgane miteinschließt und damit die Möglichkeit eröffnet, Pflichtverstöße auch ihnen gegenüber berufsrechtlich zu sanktionieren (vgl. BT-Drs. 19/27670, 194 f.; zu nichtanwaltlichen Sozien vgl. Bormann/Strauß, in Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O., § 59a BRAO Rn. 92a; a.A. Römermann, NZG 2018, 1041, 1047). Ohne Kammermitgliedschaft entfiele – wie bei nichtanwaltlichen Gesellschaftern, die nicht Mitglied eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans sind – etwa die Möglichkeit, im Wege der Rüge gegen Pflichtverletzungen vorzugehen (vgl. BT-Drs. 19/ 27670, 181; Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O., § 73 Rn. 44; Peitscher, in Henssler/Prütting, a.a.O., § 73 Rn. 63; Weyland/Weyland, a.a.O., § 73 Rn. 41). Soweit der Kl. darauf hinweist, dass berufsrechtliche Pflichtverstöße von Leitungspersonen und sonstigen Personen, die in Wahrnehmung der Angelegenheiten der Berufsausübungsgesellschaft gegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen, im anwaltsgerichtlichen Verfahren nach §§ 113 III, 113a BRAO der Berufsausübungsgesellschaft zugerechnet werden, führt die Ahndung einer Pflichtverletzung gegenüber der Berufsausübungsgesellschaft nicht zu einer berufsrechtlichen Sanktion (auch) gegenüber der pflichtwidrig handelnden natürlichen Person. Der Gesetzgeber musste die Sanktionsmöglichkeit gegenüber der Berufsausübungsgesellschaft daher als nicht gleich wirksame Maßnahme ansehen. [51] Entgegen der Auffassung des Kl. musste dem Gesetzgeber – im Rahmen des ihm zukommenden weiten Einschätzungsspielraums – die Beaufsichtigung der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane einer Berufungsausübungsgesellschaft durch die RAK nicht angesichts der Regelungen zum Verbot von Verbindungen, die mit der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege nicht vereinbar sind oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden können (§ 59c I 1 Nr. 4, S. 2 BRAO), sowie zum Ausschluss von Personen, die in schwerwiegender Weise oder wiederholt gegen anwaltliche Berufspflichten verstoßen (§ 59d IV und V BRAO), als entbehrlich erscheinen. Denn diese Regelungen greifen (noch) nicht bei einfachen Berufspflichtverletzungen. Die vom Kl. in diesem Zusammenhang genannten steuerrechtlichen Vorschriften (§ 50 I 1 Nr. 4, S. 2, § 51 IV und V StBerG) betreffen nicht die anwaltliche Berufsausübung, sondern die Tätigkeit des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten. [52] Soweit der Kl. auf Äußerungen des Gesetzgebers verweist, wonach die Kammermitgliedschaft nichtanwaltlicher Gesellschafter nicht erforderlich sei, um die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten innerhalb der Gesellschaft sicherzustellen, da die Gesellschaft bereits selbst Trägerin von sanktionsbewehrten Berufspflichten sei, blendet er aus, dass der Gesetzgeber Gesellschafter, denen gleichzeitig die Funktion eines Mitglieds des Geschäftsführungsorgans der Berufsausübungsgesellschaft zukommt, von diesen Erwägungen gerade ausgenommen (vgl. BT-Drs. 19/27670, 181) und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die geschäftsführenden Organe als Bezugssubjekt berufsrechtlicher Pflichten unmittelbar der Kammer unterstellt werden und die Erfüllung ihrer Berufspflichten der Aufsicht durch die RAK unterliegen sollen (vgl. BT-Drs. 19/27670, 178). [53] Soweit der Kl. unter dem Hinweis auf die Berufspflichten von Steuerberatern und seine eigene Beaufsichtigung durch die Steuerberaterkammer D. meint, dass es einer zusätzlichen persönlichen Mitgliedschaft in der Bekl. nicht bedürfe, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. [54] (aa) Der Steuerberaterkammer oblag – in dem hier betroffenen Zeitraum bis zum 31.3.2024 – nicht die BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 58

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