BRAK-Mitteilungen 1/2025

keine Berufsaufsicht durch Steuerberaterkammer bezüglich BRAO Aufsicht über die Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten nach der BRAO. Zwar sehen die allgemeinen Berufspflichten nach § 57 StBerG ebenfalls eine Verschwiegenheitspflicht, Regeln zum Umgang mit widerstreitenden Interessen und ein Verbot vor, Verbindungen einzugehen, die mit dem Beruf des Steuerberaters oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar sind (§ 57 I, Ia bis 1c und II StBerG). Hierdurch werden indes die daneben uneingeschränkt geltenden Verpflichtungen des Kl. nach § 59d I bis 3 BRAO nicht berührt. Über die Einhaltung dieser Pflichten wachte – in dem hier betroffenen Zeitraum bis zum 31.3.2024 – allein die beklagte RAK (§ 73 II Nr. 4 BRAO). Hingegen war die von den Steuerberaterkammern gem. § 76 II Nr. 4 StBerG zu führende Aufsicht auf die Erfüllung der ihren Mitgliedern nach § 57 StBerG obliegenden allgemeinen Berufspflichten beschränkt. [55] (bb) Allerdings hat der Gesetzgeber nunmehr in den am 1.1.2025 in Kraft tretenden Art. 2 Nr. 12 und Art. 6 Nr. 11 des Gesetzes zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen in der Bundesnotarordnung, der BRAO, der Patentanwaltsordnung und dem Steuerberatungsgesetz sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2024 I Nr. 320, 1 ff.) in § 60 II Nr. 3 BRAO n.F. für Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Berufungsausübungsgesellschaften nach der BRAO, die Mitglied einer Steuerberaterkammer sind, die bisher bestehende Pflichtmitgliedschaft in der RAK aufgegeben. Zugleich hat er für diese Personen in § 76 II 2 StBerG n.F. die Berufsaufsicht der Steuerberaterkammer nach § 76 II 1 Nr. 4 StBerG auf die Berufspflichten ihres Kammermitglieds als Mitglied eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer Berufsausübungsgesellschaft nach der BRAO erstreckt. Daraus folgt indes entgegen der Auffassung des Kl., der im Übrigen irrig von einer Erweiterung der Berufsaufsicht der RAK auf bestimmte Steuerberater ausgeht, nicht, dass die bisherige, eine (Doppel)Mitgliedschaft der betroffenen Personen auch in der RAK vorsehende gesetzliche Regelung nicht erforderlich war, weil ein milderes Mittel zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks zur Verfügung gestanden hätte. [56] Der Gesetzgeber verfügt, wie bereits ausgeführt, bei der Beurteilung der Erforderlichkeit im verfassungsrechtlichen Sinne über einen weiten Einschätzungsspielraum. Daher können Maßnahmen, die er zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den ihm bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Regelungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen aber weniger belasten. Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber zu einem späteren Zeitpunkt für eine im Verhältnis zur bisherigen gesetzlichen Maßnahme alternative Lösung zur Erreichung des von ihm verfolgten Ziels entschieden hat, lässt allein noch nicht auf eine fehlende Erforderlichkeit der bisherigen gesetzlichen Maßnahme schließen. So liegt der Fall hier. Daraus, dass der Gesetzgeber sich nunmehr mit einer Berufsaufsicht der Steuerberaterkammer im Hinblick auf Berufspflichten nach der BRAO von Steuerberatern begnügt, die Mitglied eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer Berufsausübungsgesellschaft nach der BRAO sind, ergibt sich nicht zwingend, dass er mit der zuvor für solche Steuerberater gesetzlich bestimmten Pflichtmitgliedschaft in der RAK den ihm zustehenden weiten Einschätzungsspielraum überschritten hat. [57] Der Gesetzgeber hat die bisherige, eine PflichtmitSicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit gliedschaft in der RAK vorsehende Regelung damit begründet, dass diese Mitgliedschaft der Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit und der den Rechtsanwaltsberuf kennzeichnenden Berufspflichten diene. Es müsse sichergestellt sein, dass die Mitglieder der Organe der Berufsausübungsgesellschaft die für die Rechtsanwaltschaft zentralen Berufspflichten beachteten. Daher sei es erforderlich, dass sie selbst an diese Pflichten gebunden seien. Die Aufsicht über die Einhaltung dieser Pflichten erfolge durch die zuständige RAK, denn Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane gehörten der zuständigen RAK an (BT-Drs. 19/27670, 193 ff.). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich mithin, dass der Gesetzgeber seinerzeit die Pflichtmitgliedschaft der nichtanwaltlichen Mitglieder eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer Berufsausübungsgesellschaft nach der BRAO in der RAK und die damit verbundene Aufsicht durch die RAK für erforderlich gehalten hat um sicherzustellen, dass auch die nichtanwaltlichen Mitglieder der Organe der Berufsausübungsgesellschaft die für die Rechtsanwaltschaft zentralen Berufspflichten beachten. [58] Es ist nicht erkennbar, dass es sich hierbei um eine – den weiten Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers überschreitende – Fehleinschätzung handelt, weil nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen schon seinerzeit feststellbar war, dass Regelungen, die als Alternativen in Betracht kamen, die gleiche Wirksamkeit versprachen, die Betroffenen aber weniger belasteten. Das gilt insb. für die nunmehr erfolgte gesetzliche Erweiterung der Berufsaufsicht der Steuerberaterkammer auf die Berufspflichten ihres Kammermitglieds als Mitglied eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans einer Berufsausübungsgesellschaft nach der BRAO. Die zur Begründung der neuen Regelung angeführte Auffassung, die Erweiterung der Berufsaufsicht sei für die dort genannten drei Berufsgruppen sinnvoll und möglich, da sich die Pflichten nach diesen Berufsordnungen kaum unterschieden und alle drei Berufe die rechtliche Beratung zum Gegenstand hätten, weshalb die jeweiligen Kammern über die notwendige Sachkunde verfügten, um die erweiterte Aufsicht auszuüben (BTBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 59

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