BRAK-Mitteilungen 1/2025

[11] c) Auch die historische Auslegung des § 37 BRAO stützt dieses Ergebnis. [12] Diese Vorschrift ist mit ihrem jetzigen Inhalt erst mit dem Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2154) neugefasst worden. Zu dieser Zeit war § 32d StPO bereits durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs v. 5.7.2017 (BGBl. I 2017, 229) in die StPO eingefügt worden. Auch wenn diese Vorschrift nach Art. 33 IV Nr. 1 dieses Gesetzes erst zum 1.1.2022 in Kraft getreten ist, lässt sich den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.6.2021 an keiner Stelle – weder zu § 37 BRAO (BT-Drs. 19/26828, 198) noch zu § 64c BNotO (BT-Drs. 19/26828, 158 f.) – entnehmen, dass mit der Einführung von § 37 BRAO eine Änderung der Regelung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens beabsichtigt war. [13] Vielmehr sollte mit dem Gesetz in Anbetracht der zunehmenden Digitalisierung und mit Rücksicht darauf, dass eine gesetzlich angeordnete Schriftform nicht generell durch die elektronische Form ersetzt werden kann, durch die neu eingeführten Regelungen in § 64c BNotO und § 37 BRAO bestimmt werden, dass dann, wenn beide Kommunikationspartner über ein besonderes elektronisches Notar- bzw. Anwaltspostfach verfügen, eine durch die BNotO bzw. die BRAO angeordnete Schriftform durch die Übersendung über das bezeichnete Postfach ersetzt werden kann (BT-Drs. 19/26828, 98 f.). Der Gesetzgeber wollte mit den Neuregelungen lediglich die Kommunikation durch die Zulassung der Übermittlung elektronischer Dokumente erleichtern. Dass er formelle Anforderungen an prozessuale Erklärungen im anwaltsgerichtlichen Verfahren regeln wollte, ist dagegen nicht ersichtlich. Es ist daher falsch, wenn der AGH Nordrhein-Westfalen zur Begründung seiner Auffassung darauf verweist, der Gesetzgeber habe „gerade davon abgesehen, in den Allgemeinen Teil der BRAO (statt des § 37 BRAO) eine dem § 32d S. 2 StPO entsprechende Regelung aufzunehmen, so wie dies in anderen Verfahrensordnungen (z.B. ZPO, VwGO, ArbGG etc.) erfolgt ist“ (Urt. v. 21.4.2023 – 2 AGH 10/ 22Rn. 4). [14] d) Auch Sinn und Zweck der verschiedenen gesetzSinn und Zweck der Formvorschriften lichen Formvorschriften sprechen für die hier vertretene Auslegung. [15] Der Gesetzgeber verfolgt ausdrücklich auch in der StPO das Ziel, eine möglichst weitreichende Übereinstimmung mit den durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten v. 10.10.2013 (GBl. I 2013, 3786) geschaffenen Neuregelungen in den übrigen Verfahrensordnungen zu erreichen (BT-Drs. 18/9416, 33). Deshalb ist in der StPO mit der Vorschrift des § 32d StPO für Verteidiger und Rechtsanwälte für einzelne Verfahrenshandlungen eine den Vorschriften der § 130d ZPO, § 14b FamFG, § 55d VwGO (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 15.12.2023 – AnwZ (Brfg) 10/23), § 46g ArbGG, § 65d SGG sowie § 52d FGO vergleichbare Regelung über eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs im Strafverfahren geschaffen worden. [16] Mit diesem Ziel, den elektronischen Rechtsverkehr umfassend durchzusetzen, wäre es unvereinbar, abweichend von den inzwischen in allen anderen Verfahrensrechtsordnungen geltenden Regelungen, dem im anwaltsgerichtlichen Verfahren betroffenen Rechtsanwalt die Wahl zu lassen, ob er seine Rechtsmittel in Schriftform oder durch Übersendung eines elektronischen Dokuments einlegen möchte. Dass der Gesetzgeber ausgerechnet für das anwaltsgerichtliche Verfahren, in dem der angeschuldigte Rechtsanwalt ohnehin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach für die elektronische Kommunikation vorzuhalten hat (§ 31a BRAO), einen anderen Weg verfolgen und von einer Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs absehen will, kann nicht ernsthaft erwogen werden. [17] 4. Der Umstand, dass der angeschuldigte Rechtsanwalt keinen Zugang zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach hatte, ist – abgesehen davon, dass ein Rechtsanwalt ohnehin grundsätzlich für das Vorhalten der entsprechenden einsatzbereiten technischen Infrastruktur zu sorgen hat (BGH, Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22 Rn. 2) – schon deshalb unerheblich, weil der Rechtsanwalt, wollte er die Nutzung gerade des besonderen elektronischen Postfachs unbedingt vermeiden, seine Erklärung auch als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 32a III 1. Alt. StPO) oder auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg (§ 32a IV StPO) hätte übermitteln können. Darüber hinaus hätte er einen anderen Rechtsanwalt beauftragen können, was ohne weiteres zumutbar gewesen ist. [18] (...) [19] Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 145 II BRAO nicht vorliegen. Der Senat entscheidet nicht über Rechtsfragen oder Fragen der anwaltlichen Berufspflichten, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. [20] Insbesondere hält der Senat die vom AGH Nordrhein-Westfalen in seinem Urt. v. 21.4.2023 (2 AGH 10/ 22) aufgeworfene Frage, ob § 37 BRAO eine Anwendung von § 32d S. 2 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren ausschließe, für geklärt. Als nicht mehr klärungsbedürftig kommt dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur, die von einer sinngemäßen Anwendung des § 32d S. 2 StPO ausgeht (Reelsen, in Weyland, BRAO, 11. Aufl. 2024, § 116 Rn. 54; Dittmann/Thole, in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl. 2024, § 116 Rn. 16; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl. 2022, § 116 Rn. 4 – s.a. Reelsen, inWeyland, BRAO, 11. Aufl. 2024, BRAO § 37 Rn. 5), sowie der Rechtsprechung des BGH (vgl. hierzu BGH, Beschl. ELEKTRONISCHER RECHTSVERKEHR BRAK-MITTEILUNGEN 1/2025 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 84

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